Chess-Master Diamond

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Chess-Master Diamond
Hersteller RFT VEB Mikroelektronik Erfurt
Markteinführung 1987
CElo 1300
Programmierer Worbs, Rüdiger & Pähtz, Wolfgang
Prozessor UA 880
Prozessortyp 8 Bit
Takt 4 MHz
RAM 3 KB
ROM 16 KB
Bibliothek 800 Positionen im Modul PM10
Einführungspreis 2000 Mark (Ost) / 589 DM
Rechentiefe 21 Halbzüge
BT-2450 -
BT-2630 -
Colditz -
Verwandt Chess-Master
Zugeingabe Magnetsensoren (Hall Sensoren)
Zugausgabe LED-Display und 64 Feld-LEDs
Display 4-stellige 16-Segment Anzeige
Stromversorgung ~10,7V / 1,5A
Spielstufen 9 x Durchschnittszeit, 5min .. 2h30min pro Partie, Analysestufe
Maße 43.1 x 34.7 x 7.2 cm
Sonstiges
Anzeige von Bewertung, Rechentiefe, Stellungen und HV, 2 Zusatzmodule
Level Info
Bedenkzeit Level
30 Sek. / Zug LEV 4
30 Min. / Partie MATCH 30'
60 Sek. / Zug LEV 5/6
60 Min. / Partie MATCH 1H
Turnier MATCH 2H
Analyse LEV 9

Die Vorstellung des, vom Schachspieler Wolfgang Pähtz (~ 2000 ELO), Onkel der Jugend Weltmeisterin Elisabeth Pähtz, und Dipl.-Ing. Rüdiger Worbs, weiterentwickelten Chess-Masters fand auf der Leipziger Messe 1987 statt. Der Umfang des Programmspeichers ist von 10 auf 16 KB, das RAM von 2 auf 3 KB, angewachsen. Die Anzeigemöglichkeiten des Schachcomputers sind während der Partie überaus vielfältig. Bis zu 200 Halbzüge können zurückgenommen werden. Durch Erweiterungsmodule ist ein Gesamtspeicher von 32 KB möglich. Es gab das Eröffnungsmodul PM10 mit rund 800 Varianten und das Endspielmodul PM11. Letzteres wird nach Beendigung der Eröffnung auch als normales Spielmodul empfohlen. Wie bereits beim Vorgänger erfolgt die Erkennung der Züge mittels Hall-Sensoren.

DINOSAURUS HI-TECH

CHESS MASTER "DIAMOND": NICHT GANZ LUPENREIN

(Quelle: "Das österreichische Schachcomputer-Magazin MODUL" - von Thomas Mally, 1.1989)

Kommt Ihnen das bekannt vor: Man wählt in einem Optionen-Menü eine Funktion aus, ändert die Parameter mit den Cursortasten und bestätigt die Eingabe mit ENTER? Ein alter Hut, werden Sie jetzt sagen - das ist einfach das (revolutionäre?) Bedienungssystem des Mephisto Almeria! Weit gefehlt: das Gerät, von dem hier die Rede ist, stammt nicht aus der Münchener Computerschmiede, sondern aus dem VEB Mikroelektronik "Karl Marx" in Erfurt! Es handelt sich um den Nachfolger des ebenfalls in der DDR produzierten "Chess Master" (s. unseren Bericht über das Turnier in Gera in MODUL 4/88), der den offenbar für den Export total durchgestylten Namen "Chess Master Diamond" trägt. Dieser ostdeutsche Rohdiamant wird in österreichischen Kaufhäusern zum Preis von rund 3000 S angeboten, inklusive Adapter sowie Eröffnungs- und Endspielmodul. In Anbetracht der Holzausführung mit Magnetsensorbrett und 64 Feld-LEDs ein außerordentlich günstiger Preis also - Grund genug, den DDR-Schachcomputer einmal gründlich unter die MODUL-Lupe zu nehmen.

Schnell das hölzerne Schwergewicht auf den Tisch gehievt, den Adapter angeschlossen - es piepst, und aus dem Display blitzt mir in giftgrünen Segmentbuchstaben die bange Frage "OK?" entgegen, die ich so aus dem Handgelenk naturgemäß nicht beantworten kann. Ein Blick in die Bedienungsanleitung - sie hat in etwa die Opazität eines MS-DOS-Handbuchs und überfällt den Benützer mit einer Fülle von wahrhaft erschöpfenden Informationen: "über das Zugrecht (Pos.D.2 s.Pkt. 2.5) wird angezeigt, welche der beiden Parteien, Sie (Y) oder der Computer (C), den jeweiligen Zug für die sich als am Zug befindlich ausgewiesene Seite (t) oder (I) (Pos.D1) berechnen muss."

Bereits hier zeigt sich der Diamond als zur Bedienungsfreundlichkeit wild entschlossen: der Benutzer erfährt nicht nur, ob er oder der Computer am Zug ist, sondern wird noch zusätzlich mit einem kleinen Pfeil darauf hingewiesen, ob der nächste Zug von oben oder von unten zu erwarten ist. Welches andere Gerät sorgt so liebevoll selbst für den begriffsstutzigsten Anwender? Eine eingehendere Lektüre der Anleitung fördert die Erkenntnis zutage, dass das menügesteuerte Bedienungssystem des Chess Master in der Tat viel mit den ähnlich gearteten Systemen des Almeria bzw. des Academy gemeinsam hat. Es gibt mehrere Druckknöpfe, mit denen man Untermenüs aufruft, die man dann mit Hilfe der Vor- und Rückwärts-Tasten durchlaufen kann. Mit ENTER wählt man eine der offerierten Funktionen an und kann schließlich mit Hilfe der Cursortasten noch Parameter (z.B. die Level-Einstellung) ändern.

Und was es da an Funktionen gibt, ist nicht von schlechten Eltern! In vielen Fällen sind sie mit den heute schon selbstverständlichen Standard-Optionen identisch, auch wenn sie betont eigenständige, von der Norm abweichende Bezeichnungen haben: der Monitor-Modus heißt z.B. REFE (für "referee"), der Auto-Play7 Modus SELF, die Möglichkeit der Tonsignal-Abschaltung nicht etwa SOUND, sondern BELL, das Brett drehen SIDE usw. Darüber hinaus gibt es aber noch ein paar Optionen, die meines Wissens bei keinem anderen Computer vorhanden sind, und die den eigentlichen Reiz des Diamond ausmachen.

Nicht alltäglich ist z.B. die Möglichkeit, sich eine komplette Liste aller möglichen Züge im Display ausgeben zu lassen, und dazu noch jeden beliebigen dieser Züge durch Markieren mit der ENTER-Taste von der Suche auszuschließen. Anderswo kann man das höchstens mit der Next-Best-Funktion erreichen, wobei man aber auf die Reihenfolge angewiesen ist, in der der Computer die Züge ordnet. Hier kann man beliebig viele Züge von vornherein von der Suche ausnehmen - eine Möglichkeit, die z.B. für Dr. Althöfer und sein Dreihirn-Konzept (MODUL 4/88) interessant sein dürfte. Den Spielstil kann man darüber hinaus noch mit der Umschaltung von Brute Force auf selektiv sowie mit der eher überflüssigen STR-Funktion beeinflussen, welche die Wahl zwischen "klärender" und "elastischer" Strategie offeriert (z.B. Bauerntausch im Zentrum oder Aufrechterhalten der Spannung).

Für Problemisten interessant ist die Möglichkeit, beim Aufbau einer Stellung jede der vier möglichen Rochaden entweder zuzulassen oder auszuschließen. Leider ist der Diamond davon abgesehen nicht gerade ideal zum Lösen von Schachproblemen geeignet: er hat nur eine Problemstufe, d.h. er kann nicht gezielt nach einem Matt in n Zügen suchen, und die Anzahl der Züge bis zum Matt muss man selbst aus der Anzeige der Suchtiefe ableiten, die übrigens - auch darin ist der Diamond eigenwillig - nicht in Halb-, sondern in Vollzügen ausgegeben wird. Nebenlösungen kann man suchen lassen, indem man die erste gefundene Lösung in der oben beschriebenen Weise von der Suche ausschließt und noch-einmal von vorne beginnt - nicht gerade komfortabel. Und der Schnellste ist der Chess Master auch nicht: Die Nr.12 aus der Problemspalte von MODUL 1/88, ein Dreizüger, der von den neueren Geräten in ein paar Sekunden abgehandelt wird, löst er in etwa eineinhalb Minuten; der Fünfzüger Nr.14 (2/88), an dem MM II und Genossen 1 bis 2 Minuten knabbern, beschäftigt ihn immerhin schon über 10 Minuten.

Ein absoluter Hammer ist die Option NOT, die es ermöglicht, die Notation zu wählen, in der der Master die laufende (oder beim Nachspielen die zuletzt gespielte) Partie anzeigt. Neben der üblichen Anzeige von Ausgangs- und Zielfeld kann man auch die algebraische Kurznotation, die internationale Fernschachnotation (gut zur Überprüfung der Züge vor dem Abschicken!) sowie für ganz Eilige die telegrafische Notation (den sogenannten Uedemann-Code) anwählen. In letzterem Fall ergeben sich besonders malerische Partieverläufe - ein königsindischer Aufbau sieht z.B. so aus: 1.FEFO WATI 2.DEDO WEWI 3.CADI RERI 4.GEGO TAWE 5.HAGE SAWA 6.DAWO NARE 7.FAFE SESO usw. bis 27.MATE, wobei letzteres aber keinen Zug, sondern lediglich das Matt anzeigt.

Das Display besteht aus einer vierstelligen grünen Leucht-dioden-Anzeige im altertümlichen Segment-Look. Im VIEW-Modus kann man über die Druckknöpfe und Cursor-Tasten die üblichen Informationen über den Denkprozess des Computers, die verbrauchte Zeit etc. abrufen. Beim Aufbau oder der Kontrolle von Stellungen erscheinen die Figurensymbole als ulkige Strichmännchen, was wie vieles andere an diesem Gerät - einen charmant antiquierten Eindruck macht. Eine weitere Besonderheit, die auch schon bei dem (displaylosen) Vorgänger Chess Master (pur) vorhanden war, ist die Art der Stellungseingabe. Statt den Typ der Figur durch Tastendruck anzugeben, stellt man sie zuerst auf ein sogenanntes "Identifikationsfeld" - d.h. im Normalfall auf das Feld, auf dem sie in der Ausgangsstellung stehen würde - und dann erst auf das eigentliche Zielfeld. Will man z.B. eine schwarze Dame auf das Feld b4 stellen, so berührt man zuerst mit der Figur das Feld d8, worauf im Display das Symbol' für eine schwarze Dame erscheint, und stellt sie dann auf das Feld b4. Diese Art der Eingabe ist natürlich gewöhnungsbedürftig - bei Einzelfiguren scheint sie recht logisch, beim Aufstellen von einer größeren Anzahl Bauern ist das ewige Hin- und Herfahren eher enervierend.

Während für normales Spiel zehn Levels zur Verfügung stehen, über deren Zeitaufteilung sich die Bedienungsanleitung allerdings ausschweigt (man erfährt nur, dass Level 9 die Analysestufe ist), gibt es für den ernsthaft zum Kampf Entschlossenen eine Option, die wiederum stark an den Academy erinnert: die MATCH-Einstellung. Hier muss man die ganze Partie in einer bestimmten Zeit abwickeln (die von 5 Minuten bis zu 2 1/2 Stunden reicht), und es gelten strenge Turnierbedingungen: keine Rücknahme von Zügen, kein Abrufen des Computers durch ENTER, kein Einblick in den Denkprozess etc. Die Bedienungsanleitung fordert sogar zur gewissenhaften Beachtung der Regel "Berührt - geführt" auf. Die Bräuche sind im MATCH-Modus so streng, dass sogar die Funktion "Modulwechsel" gesperrt ist, obwohl in der Anleitung ausdrücklich empfohlen wird, das Eröffnungsmodul nach dem Verlassen der Theorie schleunigst gegen das Endspielmodul auszutauschen.

Partien

In der Grundversion spielt der Diamond ohne Eröffnungsbibliothek. Nach Einstecken des "Opening-Moduls" stehen ihm dann immerhin etwa 800 Varianten von gängigen Eröffnungen zur Verfügung. Das "Ending-Modul" hingegen wird als generelle "Verbesserung des Grundprogamms" bezeichnet und soll darüber hinaus einige spezielle Endspielstrategien beinhalten. In der Tat zeigt der Diamond bei Verwendung dieses Moduls in einfachen Bauernendspielen gewisse Grundkenntnisse, z.B. über die Opposition, für die er auch Material zu opfern bereit ist; sobald die Stellungen komplexer werden, hilft aber auch das Modul nicht mehr weiter.

So weit, so interessant - wie steht es nun aber mit der Spielstärke des präsumtiven Meisters? Zunächst probierte ich es auf dem normalen Level 3 mit Endspiel-Modul, aber ohne Bibliothek: Keine ausgesprochen hochkarätige Darbietung des Masters also! Ich beschloss daher, ihm einerseits das Eröffnungsmodul zu bewilligen und andererseits den MATCH-Modus mit der Schnellschachstufe 1 (15 min.) zu wählen: Na schön, vielleicht bin ich einfach zu stark für den armen Schachdiamanten (obwohl meine letzten Turnierresultate das nicht vermuten lassen) - geben wir ihm die Chance, gegen Seinesgleichen anzutreten, und dazu noch mit Weiß! Um ihn nicht zu überfordern, ließ ich ihn (in derselben Konstellation wie oben) gegen den munteren, aber nicht übertrieben spielstarken Advanced Star Chess in den Ring steigen: Nur nicht aufgeben! Probieren wir es einmal mit ein wenig mehr Bedenkzeit: 30 Minuten "active chess", ohne Eröffnungs-, aber mit Endspielmodul. Dazu stellen wir den ASC noch auf "sehr aggressiv" ein - vielleicht stürzt er sich ins eigene Schwert? Was soll man insgesamt von diesem doch nicht ganz lupenreinen Diamanten halten? Wer einfach einen spielstarken Trainingspartner sucht, sollte von diesem Gerät wohl besser die Finger lassen; ein echter Computer-Freak aber, der nichts lieber tut, als an verschiedenen Parameter-Einstellungen herumzutüfteln, könnte sich schon überlegen, diesen Hi-Tech-Dinosaurier mit den Features von heute im Gewand von gestern und mit dem Programm von vorgestern seiner Sammlung als Kuriosität hinzuzufügen.

Bilder


Eröffnungs- und Endspiel-Modul
Zuganzeige


Tastenfeld
Figuren


Display
Hauptplatine
Modul + Modulschachtel


YouTube Video by Vince Gum