10. WMCCC Lyon 1990: Unterschied zwischen den Versionen

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Dies war der 7.Titel in Folge für Mephisto und auch der Letzte! Die Zeiten hatten sich geändert und die schachlichen Untertanen von [[Richard Lang|König Richard]] wurden aufmüpfig. Während die Hardware für Schachcomputer langsam ins Stocken geriet, entwickelte sich die PC-Hardware rasant und dies bekam Mephisto bei der folgenden WM zu spüren.
Dies war der 7.Titel in Folge für Mephisto und auch der Letzte! Die Zeiten hatten sich geändert und die schachlichen Untertanen von [[Richard Lang|König Richard]] wurden aufmüpfig. Während die Hardware für Schachcomputer langsam ins Stocken geriet, entwickelte sich die PC-Hardware rasant und dies bekam Mephisto bei der folgenden WM zu spüren.
== Um ein Haar wär's schiefgegangen ==
==== 10. Mikrocomputer-Schachweltmeisterschaft in Lyon ====
''(Turnierbericht von [[Frederic Friedel]] aus Computerschach und Spiele / Heft 1 / 1991)''
'''Wie wir in einer Sonderaussendung zu Weihnachten bereits berichteten, fand die 10. Mikro-WM vom 24. bis 29.11. in Lyon statt, im gleichen Gebäude, in dem Kasparov und Karpov ihren ewigen Disput um die höchste (menschliche) Schachkrone austrugen. Leider konnte wieder außer Hegener+Glaser kein anderer Hersteller von kommerziellen Schachcomputern sich entschließen, an der WM teilzunehmen, so dass der Titel in der Herstellergruppe kampflos an [[Richard Lang]] und den [[Mephisto Lyon]] ging. In der Software-Gruppe wurde dagegen tatsächlich gespielt, und dort lief für den amtierenden Weltmeister beileibe nicht alles nach Plan. Frederic Friedel berichtet.'''
Ursprünglich waren es dreizehn Programme, die beim Stelldichein der besten Schachprogrammierer im französischen Lyon eintrafen. Doch gleich am ersten Abend kam es zu einem Zwischenfall den ich nicht selber erlebt habe und so ohne Gewähr wiedergeben muss: Der Autor eines unbekannten französischen Programms und der Engländer Chris Wittington (''Chess Simulator'') gerieten in Streit, es kam zu Handgreiflichkeiten, wobei der Franzose den Kürzeren zog. Daraufhin reiste dieser ohne Protest und ohne sich bei der Turnierleitung abzumelden, kurzerhand ab. Und so waren's nur noch zwölf (siehe Schlusstabelle).
Natürlich war auch in diesem Feld das Lang-Programm haushoher Favorit. In München hatte man von dem Gedanken. á la [[Fidelity]] eine [[68040]]-Maschine zu hauen, inzwischen Abstand genommen - der anscheinend noch nicht völlig ausgereifte Prozessor von Motorola brächte für das Lang-Programm ohnehin keine dramatischen Vorteile. In puncto Hardware brauchte sich die Konkurrenz nicht zu verstecken: etliche hatten die allerneuesten 80486-Rechner dabei, und die Programme [[Gideon]] und The King liefen auf sehr schnellen (Archimedes) [[RISC]]-Prozessoren, die in der Leistung dem [[68030]] von Mephisto Lyon kaum nachstehen. Dennoch glaubte keiner auch nur einen Augenblick daran, dass das Flaggschiff von [[Mephisto|Hegener+Glaser]] die hübschen goldenen WM-Etiketten von seinem Karton würde entfernen müssen.
In der ersten Runde gab es eine Kurzbegegnung zwischen dem ''Lyon'' und dem neuesten Programm von Wolfgang Delmare, inzwischen ein alter Bekannter in der Computerschach-Szene (sein Programm hieß früher "Chat").
<pgn>
[Event "10th WMCCC"]
[Site "Lyon"]
[Date "1990.11.24"]
[Round "1"]
[White "Mephisto"]
[Black "Check Check"]
[Result "1-0"]
[ECO "E04"]
[PlyCount "47"]
[EventDate "1990.??.??"]
1. d4 d5 2. c4 e6 3. g3 Nf6 4. Bg2 dxc4 5. Nf3 Nc6 6. Qa4 Bb4+ 7. Bd2 Nd5 8.
Bxb4 Ndxb4 9. a3 b5 10. Qxb5 Nc2+ 11. Kd2 Nxa1 12. Qxc6+ Bd7 13. Qxc4 Rb8 14.
b4 {Bis hierher alles Theorie - man spielte eine Partie Kortschnoi-lwantschuk
nach. Aber statt 14...c5! zog das deutsche Programm} Ba4 $2 {und Mephisto
er­wachte mit einer Bewertung von +1.90 aus dem Er­oeffnungsschlaf.} 15. Nc3
Nb3+ 16. Kd3 Nxd4 17. Nxd4 Bd7 18. Qc5 Rb6 19. e3 Qf6 20. Qxc7 Ra6 21. Nc6 Qf5+
22. Kc4 Rxc6+ 23. Bxc6 Bxc6 24. Qxc6+ 1-0
</pgn>
Wer solche Kurzpartien liebt, dem sei die folgende empfohlen, die unter französischen Landsleuten ausgetragen wurde. ''Cumulus'' ist mit dem Programm ''Echec'' nahe verwandt, da beide vom Team Weill/ Baudot entwickelt wurden. Wichtigster Unterschied: Echec ist ein reines Brute-Force-Programm ("den Spracklen-Programmen nachempfunden." sagte mir Jean-Christophe Weill), während Cumulus "wie ein Lang-Programm" stark selektive Komponenten enthält. Beide sind in C geschrieben und liefen in Lyon auf 468-Rechnern mit 33 MHz.
<pgn>
[Event "10th WMCCC"]
[Site "Lyon"]
[Date "1990.11.24"]
[Round "1"]
[White "Nest"]
[Black "Cumulus"]
[Result "0-1"]
[ECO "C47"]
[PlyCount "44"]
[EventDate "1990.??.??"]
1. e4 e5 2. Nc3 Nf6 3. Nf3 Nc6 4. a3 Bc5 5. b4 Bb6 6. b5 Ng4 7. bxc6 Nxf2 8.
cxb7 Bxb7 9. Qe2 Nxh1 10. Nxe5 Qh4+ 11. g3 Nxg3 12. hxg3 Qxg3+ 13. Kd1 Qxe5 14.
Qc4 Qh5+ 15. Be2 Qh1+ 16. Bf1 O-O-O 17. Qxf7 Rdf8 18. Qxf8+ Rxf8 19. d4 Qxf1+
20. Kd2 Rf2+ 21. Ke3 c5 22. Ne2 Qxe2# 0-1
</pgn>
Belangvoller ist die nächste Partie, zum einen weil es sich bei Gideon um eine sehr schnelle Version von [[Ed Schröder]]s [[Mephisto Polgar|Polgar]]/[[Mephisto MM V|MM V]] handelte, der bald als [[Tasc ChessMachine|Steckkarte]] für PCs und Heimcomputer erhältlich sein wird, zum anderen, weil es Echec 1.9 war, der die vorgesehene Ordnung dieses Turniers gewaltig störte. Schon in der ersten Runde wurde der für den Platz zwei abonnierte Gideon durch das Amateur-Programm schockiert.
<pgn>
[Event "10th WMCCC"]
[Site "Lyon"]
[Date "1990.11.24"]
[Round "1"]
[White "Echecs 1.9"]
[Black "Gideon"]
[Result "1/2-1/2"]
[ECO "C49"]
[PlyCount "82"]
[EventDate "1990.??.??"]
1. e4 e5 2. Nf3 Nf6 3. Nc3 Nc6 4. Bb5 Bb4 5. O-O O-O 6. d3 d6 7. Bg5 Bxc3 8.
bxc3 Qe7 9. Re1 Nd8 10. d4 Ne6 11. Bc1 c5 12. Bc4 Nc7 13. Bg5 b5 14. dxe5 dxe5
15. Bd5 Rb8 16. Qd3 Bg4 17. c4 h6 18. Bxf6 Qxf6 19. Re3 b4 20. c3 Rfd8 21. cxb4
Rxb4 22. a3 Rb2 23. Qc3 Rdb8 24. Qxe5 Bxf3 25. Qxf6 gxf6 26. gxf3 Ne6 27. Kg2
Kh7 28. Rd1 Rg8+ 29. Kh1 Rxf2 30. e5 fxe5 31. Rxe5 Rgg2 32. Bxe6 Rxh2+ 33. Kg1
Rhg2+ 34. Kh1 fxe6 35. Rxe6 Rh2+ 36. Kg1 Rfg2+ 37. Kf1 Rg7 38. Rdd6 Rb7 39. Kg1
Ra2 40. Rxh6+ Kg7 41. Rhg6+ Kf7 1/2-1/2
</pgn>
In der zweiten Runde traf Cumulus auf sein Lang Vorbild, das ein von Nunn empfohlenes Bauernopfer aufs Brett brachte. Bemerkenswert, dass Mephisto nach diesem Theorieopfer den Bauern gar nicht zurückzugewinnen trachtete und sich in der Bewertung auch nie im Nachteil fühlte. Das war sicher die beste positionelle Leistung des alten und neuen Mikro-Weltmeisters.
<pgn>
[Event "10th WMCCC"]
[Site "Lyon"]
[Date "1990.11.25"]
[Round "2"]
[White "Cumulus"]
[Black "Mephisto"]
[Result "0-1"]
[ECO "B08"]
[PlyCount "87"]
[EventDate "1990.??.??"]
1. e4 d6 2. d4 Nf6 3. Nc3 g6 4. Nf3 Bg7 5. h3 O-O 6. Be3 a6 7. a4 d5 8. e5 Ne4
9. Nxe4 dxe4 10. Ng5 c5 11. c3 cxd4 12. cxd4 Qa5+ 13. Qd2 Qxd2+ 14. Kxd2 Bd7
15. Nxe4 Rd8 16. Ng5 h6 17. Nf3 Nc6 18. Bd3 Be6 19. h4 Bd5 20. Ne1 Rac8 21. a5
Nb4 22. Rg1 e6 23. h5 gxh5 24. g3 Bb3 25. Ra3 Nxd3 26. Kxd3 Bc4+ 27. Ke4 Bf8
28. Ra1 Kg7 29. Bf4 Rd5 30. Rh1 Rb5 31. Rxh5 Kg6 32. Rh2 Bd5+ 33. Ke3 Rxb2 34.
Nd3 Rc3 35. Rc1 Ra3 36. Ra1 Rxa1 37. Nxb2 Rxa5 38. Nd3 h5 39. f3 Ra3 40. Rc2
Bxf3 41. Kxf3 Rxd3+ 42. Ke4 Rb3 43. Rc8 Bg7 44. Rc7 0-1
</pgn>
''Nighmare'', das Produkt des deutschen Programmiererpaars Reinhold Gellner und Gaby von Rekowski, spielte in diesem Turnier dreimal mit Weiß den Larsen-Zug 1.b3, und remisierte dreimal damit. So gegen Echec 1.9 in Runde zwei. Gideon hatte derweilen gegen Schlusslicht Delta (von FrÃC Felkers aus Holland) in einem scharfen Aljechin leichtes Spiel.
<pgn>
[Event "10th WMCCC"]
[Site "Lyon"]
[Date "1990.11.25"]
[Round "2"]
[White "Gideon"]
[Black "Delta"]
[Result "1-0"]
[ECO "B05"]
[PlyCount "43"]
[EventDate "1990.??.??"]
1. e4 Nf6 2. e5 Nd5 3. d4 d6 4. Nf3 Bg4 5. Be2 Nc6 6. exd6 Qxd6 7. c4 Nf6 8.
O-O Ne4 9. d5 Nb4 10. Nc3 Nxc3 11. bxc3 Na6 12. Be3 e5 13. Rb1 e4 14. Nd2 Bxe2
15. Qxe2 Qe5 16. Bd4 Qe7 17. Rxb7 O-O-O 18. Rfb1 f5 19. c5 Nxc5 20. Rb8+ Kd7
21. Qb5+ c6 22. Qxc6# 1-0
</pgn>
Die dritte Runde brachte drei Schwarzsiege der deutschen über die französischen Amateur-Programme: BB (Christopher Joli)-Nightmare: 0-1; Nest (Bruno Bras)-Patzer (Werner Koch und Thomas Schäfer): 0-1; und Delta-Check Check: 0-1. Ebenfalls mit Schwarz schlug Gideon Cumulus recht überzeugend in 57 Zügen, während Mephisto die holländische RISC-Maschine (die 3.g3 nicht in der Bibliothek hatte!) in einer Partie besiegte, die Mephisto-Freunde und -Kritiker sicherlich interessieren wird.
<pgn>
[Event "10th WMCCC"]
[Site "Lyon"]
[Date "1990.11.26"]
[Round "3"]
[White "Mephisto"]
[Black "The King"]
[Result "1-0"]
[ECO "A60"]
[PlyCount "97"]
[EventDate "1990.??.??"]
1. d4 Nf6 2. c4 e6 3. g3 c5 4. d5 exd5 5. cxd5 d6 6. Bg2 Be7 7. Nc3 O-O 8. Nf3
Na6 9. O-O Bf5 10. Nh4 Bg4 11. a3 Qc8 12. Nf3 Bf5 13. Bf4 Nc7 14. Rc1 Rb8 15.
Re1 Bh3 16. Bxh3 Qxh3 17. e4 h6 18. b4 g5 19. Be3 b6 20. e5 Ng4 21. bxc5 Nxe3
22. Rxe3 bxc5 23. exd6 Bxd6 24. Ne4 Rfd8 25. Nxd6 Rxd6 26. Rxc5 Qd7 27. Ne5
Rxd5 28. Qf3 Rxe5 29. Rcxe5 Ne6 30. Qf6 Rb1+ 31. Re1 Qd3 32. Qxh6 Rxe1+ 33.
Rxe1 Qxa3 34. Qf6 a5 35. Qa1 Qb4 36. Rb1 Qd2 37. Rb8+ Kh7 38. Rh8+ Kg6 39. Rg8+
Kf5 40. Ra8 Kg6 41. Rxa5 Nd4 42. Ra6+ Kh7 43. Qb1+ Kg7 44. Qe4 Qc1+ 45. Kg2 Qc5
46. h4 gxh4 47. Qg4+ Kf8 48. Ra8+ Ke7 49. Qxh4+ 1-0
</pgn>
Die vierte Runde brachte eine hübsche Kurzpartie, die das jetzt allmählich Beachtung findende französische Programm auf den zweiten Platz hievte.
<pgn>
[Event "10th WMCCC"]
[Site "Lyon"]
[Date "1990.11.27"]
[Round "4"]
[White "The King"]
[Black "Echecs 1.9"]
[Result "0-1"]
[ECO "D10"]
[PlyCount "42"]
[EventDate "1990.??.??"]
1. d4 d5 2. c4 c6 3. Nc3 Nf6 4. Bg5 Ne4 5. Nxe4 dxe4 6. Qd2 Bf5 7. e3 Nd7 8. f3
h6 9. Bh4 g5 10. Bg3 e5 11. dxe5 Qb6 12. Ke2 Bb4 13. Qc1 Nc5 14. fxe4 Nxe4 15.
Nf3 O-O-O 16. Be1 Bxe1 17. Kxe1 Qa5+ 18. Ke2 Bg4 19. b4 Qxb4 20. a3 Rd2+ 21.
Ke1 Qb3 0-1
</pgn>
Für das Lang-Programm lief alles wie am Schnürchen: Es konnte den (vermeintlichen) Hauptkonkurrenten ausspielen und die Führung behaupten.
<pgn>
[Event "10th WMCCC"]
[Site "Lyon"]
[Date "1990.11.27"]
[Round "4"]
[White "Gideon"]
[Black "Mephisto"]
[Result "0-1"]
[ECO "D00"]
[SetUp "1"]
[FEN "2rr2k1/p2n2pp/3Pp3/1B1pPb2/2p5/4PN1P/P5P1/2R2RK1 w - - 0 27"]
[PlyCount "38"]
[EventDate "1990.??.??"]
{Hier sollte Weiss unbedingt den schlechten Laeufer gegen den Springer
eintauschen (dem sah der Lyon auch mit einiger Sorge entgegen). Aber Gideon
beurteilte die Stellung falsch und kam so unter die  Raeder} 27. g4 $2 Bd3 28.
Rf2 Nc5 29. Nd4 Rf8 30. Rf4 Rb8 31. h4 a6 32. Rxf8+ Kxf8 33. Bc6 Kf7 34. g5 h6
35. gxh6 gxh6 36. Kh2 Rb2+ 37. Kg3 Rxa2 38. Kg4 Rg2+ 39. Kh3 Rg8 40. Ra1 c3 41.
Kh2 c2 42. Kh3 Rb8 43. Rc1 Rb1 44. Rxc2 Bxc2 45. Nxc2 Nb3 0-1
</pgn>
Die fünfte Runde dieses Turniers wird das Duo Weill/Baudot so schnell nicht vergessen. Zunächst einmal gab es Pech mit Cumulus. Das selektive Programm kurz vor der WM fertiggestellt, hatte noch etliche „Bugs." In der Partie gegen BB musste Weill aufgeben (die Stellung war allerdings eh verloren), weil sich das Programm vornahm, über den 61. Zug einen ganzen Tag zu rechnen. Irgendwie hatte sich der Rechner auf eine Zeiteinstellung von 2 h für 40. 1 h für 20 und 24 h für 1 eingestellt.
Und dann gab es den Krimi gegen Mephisto Lyon. Um diese Partie, die in der Computerschachgeschichte einen festen Platz einnehmen wird, voll zu würdigen, muss man den Spielstand zu diesem Zeitpunkt kennen. Mephisto lag mit 4.0 Punkten aus den ersten vier Runden einsam in Führung, Echec war, für alle Beteiligten überraschend, mit drei Punkten immer noch an zweiter Stelle. Aber nur ein halber Zähler dahinter folgte schon die schwere RISC-Maschine von Gideon und der 486er von Check Check, und mit zwei Punkten wollten The King, Chess Simulator, Nightmare und Patzer bestimmt auch noch ein kräftiges Wörtchen mitreden.
<pgn>
[Event "10th WMCCC"]
[Site "Lyon"]
[Date "1990.11.28"]
[Round "5"]
[White "Mephisto"]
[Black "Echecs 1.9"]
[Result "1/2-1/2"]
[ECO "D14"]
[PlyCount "64"]
[EventDate "1990.??.??"]
1. d4 d5 2. c4 c6 3. cxd5 cxd5 4. Nf3 Nf6 5. Nc3 Nc6 6. Bf4 Bf5 7. e3 e6 {An
dieser Stelle hat Mephisto zwei Zuege in der Eroeffnungoeffnungsbibliothek: 8.
Lb5 und 8.Se5. Der zweite wird normalerweise mit einer geringeren
Wahrscheinlichkeit gespielt und sollte eigentlich fuer die WM ueberhaupt
gesperrt sein. Doch Mephisto-Betreuer Ossi Weiner hatte diese Kleinigkeit
schlicht vergessen. Und das Programm waehlte natuerlich, streng nach dem
Gesetz von Murphy handelnd, zufaellig den unerwuenschten Zug.} 8. Ne5 Nxe5 9.
Bxe5 Nd7 10. Qb3 Nxe5 11. dxe5 Be7 {Der letzte schwarze Zug warf Mephisto
ueberraschend aus der Bibliothek. Die entsetzten Betreuer schauten hilflos zu,
wie Mephisto den starken Zug 12.Lb5 zugunsten von einem verhaengnisvollen
Frass des vergifteten Bb7 verwarf und nach fuenf Minuten Bedenkzeit mit einer
Bewertung von -0.03 den Verlustzug tatsaechlich ausfuehrte.} 12. Qxb7 $2 {
Weiner bitter: "Solche Sachen findet man nie zu Hause im Labor, sondern
immer erst bei wichtigen Turnieren heraus!"} O-O 13. Rc1 Rb8 14. Qxa7 Rxb2 15.
a3 f6 16. exf6 Bxf6 17. Nd1 Ra2 18. Bb5 Qd6 19. Qc5 Qxc5 20. Rxc5 Rxa3 21. Rc6
Ra2 22. Be2 Bd8 23. h4 Ba5+ 24. Kf1 Bc2 25. Rxc2 Rxc2 26. h5 Rc1 27. h6 Bb6 28.
hxg7 Kxg7 29. Ke1 {Die Franzosen sind foermlich zu ihrem Glueck gezwungen
worden, aber man muss Echec zugutehalten, dass er die Chancen nach dem
Bauernopfer zielstrebig ausgenutzt und die Fortsetzung insgesamt kraftvoll
gespielt hat.} Ba5+ 30. Kf1 Bb6 31. Ke1 Ba5+ 32. Kf1 Bb6 1/2-1/2
</pgn>
{{Schachbrett klein|=
| tleft
|
|=
8 |  |  |  |  |  |br|  |  |=
7 |  |  |  |  |  |  |bk|bp|=
6 |  |bb|  |  |bp|  |  |  |=
5 |  |  |  |bp|  |  |  |  |=
4 |  |  |  |  |  |  |  |  |=
3 |  |  |  |  |wp|  |  |  |=
2 |  |  |  |  |wb|wp|wp|  |=
1 |  |  |br|wn|wk|  |  |wr|=
    a  b  c  d  e  f  g  h
|
}}
<br style="clear:both;" />
So, damit war die Sache vorbei. Mephisto zeigte bereits -3.0 an. Richard Lang zog als letzte Rettung seinen "lucky pen" hervor, einen glücksbringenden Kugelschreiber mit Mephisto-Gravur - ein Verzweiflungsakt, denn was konnte hier noch geschehen? Wahrscheinlich könnte ein Mephisto Mini die Stellung für Schwarz gewinnen. Ossi Weiner plante, ob dieser schändlichen Niederlage und dem Debakel der vermutlich verlorenen Weltmeisterschaft sich am südfranzösischen Wein sinnlos zu betrinken.
Allerdings zeigte der Echec-Bildschirm Erstaunliches: b6a5 e1f1 a5b6 f1e1 b6a5 +4.0!!?? Vollkommen unverständlich: das Programm wollte bei gewonnener Stellung die Züge wiederholen. Ein Blick auf das Gesicht von Marc-Francois Baudot verriet, dass der junge Franzose genau wusste, was hier ablief. Und obwohl es arg schmerzte, gab er den Umstehenden detailliert Auskunft.
Echec, das hatten Baudot und Weill vor der Partie entschieden, sollte unbedingt den Titel des Amateur-Weltmeisters gewinnen. Gegen das Superprogramm aus München wollte man mit allen Mitteln ein Remis herausholen, also wurde kurzerhand der Geringschätzungsfaktor (Remiswert) auf +4 Bauern gesetzt. Das bedeutet, dass Echec auch mit einer Figur und einem Bauern mehr bereit sein würde, jede sich bietende Remismöglichkeit zu ergreifen! Wer konnte ahnen, dass man gegen die übermächtige Konkurrenz in Gewinnstellung kommen würde?
Und so spielte Echec vor fassungslosen Zuschauern seelenruhig weiter: 29...La5+ 30.Kf1 Lb6 31.Ke1 La5+ 32.Kf1. Jetzt fing das Amateur-Programm an, recht lange zu rechnen, was die Stimmung bei der Mephisto-Mannschaft sinken und bei Baudot einen Funken Hoffnung aufkommen ließ. Er hatte nämlich am Vortag den "repetition code", den Zugwiederholungsalgorithmus, neu programmiert und konnte jetzt nur noch beten, daß er dabei einen Fehler gemacht hätte. ..lf I did a good job we draw, if I made a mistake we win," meinte er wehmütig. Aber er hatte einwandfrei gearbeitet: '''32...Lb6 remis'''.
Nach dieser Partie war die Weltmeisterschaft praktisch entschieden, es ging im Grunde nur um Platz zwei. Gideon warf in der sechsten Runde The King mit 1.Sc3 d5 2.e4 sofort aus der Bibliothek, blieb selber aber 14 Züge lang ohne eigene Rechenleistung, was bei einigen Zuschauern zu einem bösen Verdacht führte: Hatten Louwman/Schröder Zugang zum King-Programm und eine Killereröffnung programmiert? Das wurde heftig abgestritten und man muss „in dubio pro reo" urteilen.
<pgn>
[Event "10th WMCCC"]
[Site "Lyon"]
[Date "1990.11.29"]
[Round "6"]
[White "Gideon"]
[Black "The King"]
[Result "1-0"]
[ECO "A00"]
[PlyCount "94"]
[EventDate "1990.??.??"]
1. Nc3 d5 2. e4 dxe4 3. Nxe4 Nc6 4. Bb5 Qd5 5. Qe2 f5 6. Ng3 a6 7. Bc4 Qxg2 8.
Nf3 f4 9. Rg1 Qh3 10. Ng5 Qh6 11. Nf7 Qxh2 12. Rh1 Qg2 13. Qe4 Qxe4+ 14. Nxe4
Bf5 15. d3 Na5 16. Bd5 c6 17. Be6 Bxe6 18. Nxh8 Nf6 19. Nxf6+ exf6 20. Bd2 b6
21. Rxh7 Bf5 22. Rh5 g5 23. O-O-O O-O-O 24. Re1 Bc5 25. b4 Bxf2 26. Rf1 Bg4 27.
Rh6 Bd4 28. bxa5 Be2 29. Rfh1 Bf3 30. Re1 b5 31. c3 Bc5 32. Nf7 Rxd3 33. Re8+
Kd7 34. Rd8+ Ke7 35. Rxd3 Be4 36. Nxg5 Bxd3 37. Nf3 Be4 38. Nh2 f3 39. Rh3 f2
40. Be3 Ba3+ 41. Kd2 Bg2 42. Rh7+ Ke6 43. Bxf2 Be7 44. Ng4 Bf3 45. Ne3 c5 46.
Nf5 Bf8 47. Nh4 Be4 1-0
</pgn>     
Auch Echec gewann (mit Weiß) seine Partie gegen Check Check, so dass beide Rivalen mit 3.5 aus fünf Partien gleichauf lagen. Mephisto überrannte mit Schwarz das Amateur-Programm Patzer - dank seiner überlegenen Rechenkraft konnte er in folgender Stellung eine Figur gewinnen:
<pgn>
[Event "10th WMCCC"]
[Site "Lyon"]
[Date "1990.11.29"]
[Round "6"]
[White "Patzer"]
[Black "Mephisto"]
[Result "0-1"]
[ECO "B08"]
[SetUp "1"]
[FEN "rnbq1rk1/1p2ppbp/p5p1/2p1P1N1/P1PPp3/4B2P/1P3PP1/R2QKB1R b KQ - 0 11"]
[PlyCount "14"]
[EventDate "1990.??.??"]
11... cxd4 12. Qxd4 Qxd4 13. Bxd4 Nc6 14. O-O-O Nxd4 15. Rxd4 Bh6 16. h4 f6 17.
Kd2 fxg5 18. Ke1 {und 0-1 nach 32 Zuegen.} 0-1
</pgn>
In der letzten Runde sicherte sich Mephisto seine Krone (zum siebten Mal in Folge) mit einer schönen Partie gegen das englische Programm von Chris Wittington.
<pgn>
[Event "10th WMCCC"]
[Site "Lyon"]
[Date "1990.11.30"]
[Round "7"]
[White "Mephisto"]
[Black "Chess Simulator"]
[Result "1-0"]
[ECO "E03"]
[PlyCount "55"]
[EventDate "1990.??.??"]
1. d4 Nf6 2. c4 e6 3. g3 d5 4. Bg2 dxc4 5. Qa4+ Nbd7 6. Qxc4 a6 7. Nf3 b5 8.
Qc6 Ra7 9. O-O Bc5 10. dxc5 Bb7 {"Mit Damengewinn", der aber Schwarz teuer zu
stehen kommt.} 11. Qxb7 Rxb7 12. c6 Rb6 13. cxd7+ Qxd7 14. Be3 Rb8 15. Ne5 Qd6
16. Bf4 Qc5 17. Rc1 Qd4 18. Nc3 Rb6 19. Nc6 Qd7 20. Rd1 Qc8 21. Be3 Nd7 22.
Bxb6 cxb6 23. Ne4 Qc7 24. Nd6+ Kf8 25. Rac1 Nc5 26. Ne5 f6 27. Nef7 Rg8 28. b4
1-0
</pgn>
Gideon hatte Schwarz gegen Patzer und zeigte die folgende taktische Leistung:
<pgn>
[Event "10th WMCCC"]
[Site "Lyon"]
[Date "1990.11.30"]
[Round "7"]
[White "Patzer"]
[Black "Gideon"]
[Result "0-1"]
[ECO "B10"]
[PlyCount "52"]
[EventDate "1990.??.??"]
1. e4 c6 2. Nf3 d5 3. e5 Bg4 4. d4 e6 5. c3 Nd7 6. Nbd2 c5 7. dxc5 Bxc5 8. Qa4
Bxf3 9. Nxf3 Ne7 10. Qg4 Ng6 11. Bb5 O-O 12. Qg3 a6 13. Bd3 Qc7 14. Bxg6 fxg6
15. Qg4 Nxe5 16. Qxe6+ Kh8 17. Nxe5 Rae8 18. Qxe8 Bxf2+ 19. Kf1 Rxe8 20. Nxg6+
hxg6 21. Kxf2 Rf8+ 22. Bf4 Qxf4+ 23. Ke2 Qe4+ 24. Kd1 Rf2 25. c4 Qe2+ 26. Kc1
Qc2# 0-1
</pgn>
Nebenan hatte es Echec in einer Weißpartie gegen BB unwesentlich schwerer und gewann einen sauber geführten 55-züger. Damit sicherte sich Echec auf Grund der besseren Wertung den zweiten Platz vor dem punktgleichen Gideon.
Wir haben mit den Autoren von Echec gesprochen, das Programm wird im Augenblick nicht weitergegeben bzw. verkauft, weil nach Auskünfte von Jean-Christophe Weill Echec noch ,"viel zu schwach ist, besonders bei Schnellpartien, und wir vorher noch viele Verbesserungen durchführen wollen." Erstaunliche Bescheidenheit angesichts eines tollen Erfolges bei dieser WM. Wir warten jedenfalls gespannt auf die "verbesserte" Version - es könnte ohne weiteres ein Programm werden, das auch die besten Schachcomputer auf dem Markt das Fürchten zu lehren verstellt.
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==Weblinks==
* [http://chessprogramming.wikispaces.com/WMCCC+1990 WMCCC 1990] from [http://chessprogramming.wikispaces.com/ Chess Programming WIKI]
* [http://www.grappa.univ-lille3.fr/icga/event.php?id=32 Lyon 1990] from the [http://www.grappa.univ-lille3.fr/icga/  ICGA Tournament Database]
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== siehe auch ==
== siehe auch ==
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[[Kategorie:Weltmeisterschaften]]
[[Kategorie:Weltmeisterschaften|WMCCC1990]]

Version vom 21. März 2019, 22:39 Uhr

  • Lyon, 1990.11.24 - 1990.11.30
  • World Microcomputer Chess Champion: Mephisto Lyon


P Player Score SOP 1 2 3 4 5 6 7
1: Mephisto 6.5 / 7 27.0 5w+ 9b+ 4w+ 3b+ 2w= 6b+ 7w+
2: Echecs 1.9 5.5 / 7 28.0 3w= 10b= 7w+ 4b+ 1b= 5w+ 8w+
3: Gideon 5.5 / 7 26.5 2b= 11w+ 9b+ 1w- 5b+ 4w+ 6b+
4: The King 4.0 / 7 27.5 6w+ 7b+ 1b- 2w- 10w+ 3b- 12w+
5: Check Check 3.5 / 7 26.0 1b- 12w+ 11b+ 6w= 3w- 2b- 10w+
6: Patzer 3.0 / 7 27.0 4b- 8w= 12b+ 5b= 7w+ 1w- 3w-
7: Chess Simulator 3.0 / 7 26.0 8w+ 4w- 2b- 11b+ 6b- 9w+ 1b-
8: BB 3.0 / 7 19.5 7b- 6b= 10w- 12w= 9b+ 11w+ 2b-
9: Cumulus 2.5 / 7 23.5 12b+ 1w- 3w- 10b= 8w- 7b- 11w+
10: Nightmare 2.5 / 7 21.5 11b- 2w= 8b+ 9w= 4b- 12w= 5b-
11: Delta 1.5 / 7 21.5 10w+ 3b- 5w- 7w- 12b= 8b- 9b-
12: Nest 1.5 / 7 20.0 9w- 5b- 6w- 8b= 11w= 10b= 4b-

42 games: +19 =9 -14

Sehr glücklich konnte Mephisto in Lyon den Titel verteidigen. Eigentlich hätte das Programm Echecs von Marc Baudot (F) den Titel gewonnen, wenn, ja wenn sich Echecs nicht selbst geschlagen hätte. In der 5. Runde kam es zum endscheidenden Duell Mephisto Lyon gegen Echecs. Das französische Programm zeigte nach dem 29. Zug eine Bewertung von +4,0 an und die Partie wäre für den Lyon verloren gewesen. Aber Marc Baudot hatte vor der Partie einen Remisfaktor von +4 in seinem Programm hinterlegt. Und das Programm hielt sich brav an die Vorgabe seines Meisters und willigte bei einem Vorteil von 4 Bauerneinheiten ins Remis ein.

Dies war der 7.Titel in Folge für Mephisto und auch der Letzte! Die Zeiten hatten sich geändert und die schachlichen Untertanen von König Richard wurden aufmüpfig. Während die Hardware für Schachcomputer langsam ins Stocken geriet, entwickelte sich die PC-Hardware rasant und dies bekam Mephisto bei der folgenden WM zu spüren.


Um ein Haar wär's schiefgegangen

10. Mikrocomputer-Schachweltmeisterschaft in Lyon

(Turnierbericht von Frederic Friedel aus Computerschach und Spiele / Heft 1 / 1991)

Wie wir in einer Sonderaussendung zu Weihnachten bereits berichteten, fand die 10. Mikro-WM vom 24. bis 29.11. in Lyon statt, im gleichen Gebäude, in dem Kasparov und Karpov ihren ewigen Disput um die höchste (menschliche) Schachkrone austrugen. Leider konnte wieder außer Hegener+Glaser kein anderer Hersteller von kommerziellen Schachcomputern sich entschließen, an der WM teilzunehmen, so dass der Titel in der Herstellergruppe kampflos an Richard Lang und den Mephisto Lyon ging. In der Software-Gruppe wurde dagegen tatsächlich gespielt, und dort lief für den amtierenden Weltmeister beileibe nicht alles nach Plan. Frederic Friedel berichtet.

Ursprünglich waren es dreizehn Programme, die beim Stelldichein der besten Schachprogrammierer im französischen Lyon eintrafen. Doch gleich am ersten Abend kam es zu einem Zwischenfall den ich nicht selber erlebt habe und so ohne Gewähr wiedergeben muss: Der Autor eines unbekannten französischen Programms und der Engländer Chris Wittington (Chess Simulator) gerieten in Streit, es kam zu Handgreiflichkeiten, wobei der Franzose den Kürzeren zog. Daraufhin reiste dieser ohne Protest und ohne sich bei der Turnierleitung abzumelden, kurzerhand ab. Und so waren's nur noch zwölf (siehe Schlusstabelle).

Natürlich war auch in diesem Feld das Lang-Programm haushoher Favorit. In München hatte man von dem Gedanken. á la Fidelity eine 68040-Maschine zu hauen, inzwischen Abstand genommen - der anscheinend noch nicht völlig ausgereifte Prozessor von Motorola brächte für das Lang-Programm ohnehin keine dramatischen Vorteile. In puncto Hardware brauchte sich die Konkurrenz nicht zu verstecken: etliche hatten die allerneuesten 80486-Rechner dabei, und die Programme Gideon und The King liefen auf sehr schnellen (Archimedes) RISC-Prozessoren, die in der Leistung dem 68030 von Mephisto Lyon kaum nachstehen. Dennoch glaubte keiner auch nur einen Augenblick daran, dass das Flaggschiff von Hegener+Glaser die hübschen goldenen WM-Etiketten von seinem Karton würde entfernen müssen.

In der ersten Runde gab es eine Kurzbegegnung zwischen dem Lyon und dem neuesten Programm von Wolfgang Delmare, inzwischen ein alter Bekannter in der Computerschach-Szene (sein Programm hieß früher "Chat"). Wer solche Kurzpartien liebt, dem sei die folgende empfohlen, die unter französischen Landsleuten ausgetragen wurde. Cumulus ist mit dem Programm Echec nahe verwandt, da beide vom Team Weill/ Baudot entwickelt wurden. Wichtigster Unterschied: Echec ist ein reines Brute-Force-Programm ("den Spracklen-Programmen nachempfunden." sagte mir Jean-Christophe Weill), während Cumulus "wie ein Lang-Programm" stark selektive Komponenten enthält. Beide sind in C geschrieben und liefen in Lyon auf 468-Rechnern mit 33 MHz. Belangvoller ist die nächste Partie, zum einen weil es sich bei Gideon um eine sehr schnelle Version von Ed Schröders Polgar/MM V handelte, der bald als Steckkarte für PCs und Heimcomputer erhältlich sein wird, zum anderen, weil es Echec 1.9 war, der die vorgesehene Ordnung dieses Turniers gewaltig störte. Schon in der ersten Runde wurde der für den Platz zwei abonnierte Gideon durch das Amateur-Programm schockiert. In der zweiten Runde traf Cumulus auf sein Lang Vorbild, das ein von Nunn empfohlenes Bauernopfer aufs Brett brachte. Bemerkenswert, dass Mephisto nach diesem Theorieopfer den Bauern gar nicht zurückzugewinnen trachtete und sich in der Bewertung auch nie im Nachteil fühlte. Das war sicher die beste positionelle Leistung des alten und neuen Mikro-Weltmeisters. Nighmare, das Produkt des deutschen Programmiererpaars Reinhold Gellner und Gaby von Rekowski, spielte in diesem Turnier dreimal mit Weiß den Larsen-Zug 1.b3, und remisierte dreimal damit. So gegen Echec 1.9 in Runde zwei. Gideon hatte derweilen gegen Schlusslicht Delta (von FrÃC Felkers aus Holland) in einem scharfen Aljechin leichtes Spiel. Die dritte Runde brachte drei Schwarzsiege der deutschen über die französischen Amateur-Programme: BB (Christopher Joli)-Nightmare: 0-1; Nest (Bruno Bras)-Patzer (Werner Koch und Thomas Schäfer): 0-1; und Delta-Check Check: 0-1. Ebenfalls mit Schwarz schlug Gideon Cumulus recht überzeugend in 57 Zügen, während Mephisto die holländische RISC-Maschine (die 3.g3 nicht in der Bibliothek hatte!) in einer Partie besiegte, die Mephisto-Freunde und -Kritiker sicherlich interessieren wird. Die vierte Runde brachte eine hübsche Kurzpartie, die das jetzt allmählich Beachtung findende französische Programm auf den zweiten Platz hievte. Für das Lang-Programm lief alles wie am Schnürchen: Es konnte den (vermeintlichen) Hauptkonkurrenten ausspielen und die Führung behaupten. Die fünfte Runde dieses Turniers wird das Duo Weill/Baudot so schnell nicht vergessen. Zunächst einmal gab es Pech mit Cumulus. Das selektive Programm kurz vor der WM fertiggestellt, hatte noch etliche „Bugs." In der Partie gegen BB musste Weill aufgeben (die Stellung war allerdings eh verloren), weil sich das Programm vornahm, über den 61. Zug einen ganzen Tag zu rechnen. Irgendwie hatte sich der Rechner auf eine Zeiteinstellung von 2 h für 40. 1 h für 20 und 24 h für 1 eingestellt.

Und dann gab es den Krimi gegen Mephisto Lyon. Um diese Partie, die in der Computerschachgeschichte einen festen Platz einnehmen wird, voll zu würdigen, muss man den Spielstand zu diesem Zeitpunkt kennen. Mephisto lag mit 4.0 Punkten aus den ersten vier Runden einsam in Führung, Echec war, für alle Beteiligten überraschend, mit drei Punkten immer noch an zweiter Stelle. Aber nur ein halber Zähler dahinter folgte schon die schwere RISC-Maschine von Gideon und der 486er von Check Check, und mit zwei Punkten wollten The King, Chess Simulator, Nightmare und Patzer bestimmt auch noch ein kräftiges Wörtchen mitreden.



So, damit war die Sache vorbei. Mephisto zeigte bereits -3.0 an. Richard Lang zog als letzte Rettung seinen "lucky pen" hervor, einen glücksbringenden Kugelschreiber mit Mephisto-Gravur - ein Verzweiflungsakt, denn was konnte hier noch geschehen? Wahrscheinlich könnte ein Mephisto Mini die Stellung für Schwarz gewinnen. Ossi Weiner plante, ob dieser schändlichen Niederlage und dem Debakel der vermutlich verlorenen Weltmeisterschaft sich am südfranzösischen Wein sinnlos zu betrinken.

Allerdings zeigte der Echec-Bildschirm Erstaunliches: b6a5 e1f1 a5b6 f1e1 b6a5 +4.0!!?? Vollkommen unverständlich: das Programm wollte bei gewonnener Stellung die Züge wiederholen. Ein Blick auf das Gesicht von Marc-Francois Baudot verriet, dass der junge Franzose genau wusste, was hier ablief. Und obwohl es arg schmerzte, gab er den Umstehenden detailliert Auskunft.

Echec, das hatten Baudot und Weill vor der Partie entschieden, sollte unbedingt den Titel des Amateur-Weltmeisters gewinnen. Gegen das Superprogramm aus München wollte man mit allen Mitteln ein Remis herausholen, also wurde kurzerhand der Geringschätzungsfaktor (Remiswert) auf +4 Bauern gesetzt. Das bedeutet, dass Echec auch mit einer Figur und einem Bauern mehr bereit sein würde, jede sich bietende Remismöglichkeit zu ergreifen! Wer konnte ahnen, dass man gegen die übermächtige Konkurrenz in Gewinnstellung kommen würde?

Und so spielte Echec vor fassungslosen Zuschauern seelenruhig weiter: 29...La5+ 30.Kf1 Lb6 31.Ke1 La5+ 32.Kf1. Jetzt fing das Amateur-Programm an, recht lange zu rechnen, was die Stimmung bei der Mephisto-Mannschaft sinken und bei Baudot einen Funken Hoffnung aufkommen ließ. Er hatte nämlich am Vortag den "repetition code", den Zugwiederholungsalgorithmus, neu programmiert und konnte jetzt nur noch beten, daß er dabei einen Fehler gemacht hätte. ..lf I did a good job we draw, if I made a mistake we win," meinte er wehmütig. Aber er hatte einwandfrei gearbeitet: 32...Lb6 remis.

Nach dieser Partie war die Weltmeisterschaft praktisch entschieden, es ging im Grunde nur um Platz zwei. Gideon warf in der sechsten Runde The King mit 1.Sc3 d5 2.e4 sofort aus der Bibliothek, blieb selber aber 14 Züge lang ohne eigene Rechenleistung, was bei einigen Zuschauern zu einem bösen Verdacht führte: Hatten Louwman/Schröder Zugang zum King-Programm und eine Killereröffnung programmiert? Das wurde heftig abgestritten und man muss „in dubio pro reo" urteilen. Auch Echec gewann (mit Weiß) seine Partie gegen Check Check, so dass beide Rivalen mit 3.5 aus fünf Partien gleichauf lagen. Mephisto überrannte mit Schwarz das Amateur-Programm Patzer - dank seiner überlegenen Rechenkraft konnte er in folgender Stellung eine Figur gewinnen: In der letzten Runde sicherte sich Mephisto seine Krone (zum siebten Mal in Folge) mit einer schönen Partie gegen das englische Programm von Chris Wittington. Gideon hatte Schwarz gegen Patzer und zeigte die folgende taktische Leistung: Nebenan hatte es Echec in einer Weißpartie gegen BB unwesentlich schwerer und gewann einen sauber geführten 55-züger. Damit sicherte sich Echec auf Grund der besseren Wertung den zweiten Platz vor dem punktgleichen Gideon.

Wir haben mit den Autoren von Echec gesprochen, das Programm wird im Augenblick nicht weitergegeben bzw. verkauft, weil nach Auskünfte von Jean-Christophe Weill Echec noch ,"viel zu schwach ist, besonders bei Schnellpartien, und wir vorher noch viele Verbesserungen durchführen wollen." Erstaunliche Bescheidenheit angesichts eines tollen Erfolges bei dieser WM. Wir warten jedenfalls gespannt auf die "verbesserte" Version - es könnte ohne weiteres ein Programm werden, das auch die besten Schachcomputer auf dem Markt das Fürchten zu lehren verstellt.


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