8. WMCCC Almeria 1988: Unterschied zwischen den Versionen

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In der Software-Gruppe gab es nur Schwarzsiege. Rebel schlug Pandix (mit schönem Mattangriff) und Y!88 besiegte Chat. Aber die Partie des Tages war die Begegnung zwischen Fidelity Challenger und Mephisto Almeria, die von 15 bis 22 Uhr dauerte. Das war besonders anzuregend für Kathe Spracklen, die schon seit 9 Uhr morgens am Brett saß und in den 13 Stunden nur zwei 10-minütige Pausen einlegen konnte. Computerschach-Turniere sind für Betreuer wahrlich kein Zuckerschlecken.
In der Software-Gruppe gab es nur Schwarzsiege. Rebel schlug Pandix (mit schönem Mattangriff) und Y!88 besiegte Chat. Aber die Partie des Tages war die Begegnung zwischen Fidelity Challenger und Mephisto Almeria, die von 15 bis 22 Uhr dauerte. Das war besonders anzuregend für Kathe Spracklen, die schon seit 9 Uhr morgens am Brett saß und in den 13 Stunden nur zwei 10-minütige Pausen einlegen konnte. Computerschach-Turniere sind für Betreuer wahrlich kein Zuckerschlecken.
Das neue Mephisto Programm, das hat das Turnier insgesamt gezeigt, versteht mehr von blockierten Stellungen als jedes andere Programm der Welt (während Fidelity im offenen Schlagabtausch unübertroffen ist). Hier hat Almeria alle Figuren in Stellung gebracht und wartet jetzt mit einem positionellen Figurenopfer auf, das in dieser Form wohl einmalig ist:
<pgn>
[Event "8th World Microcomputer Chess Champions"]
[Site "Almeria, Spain"]
[Date "1988.09.26"]
[Round "4"]
[White "Challenger"]
[Black "Mephisto Almeria"]
[Result "0-1"]
[SetUp "1"]
[FEN "5r2/1r2q1pk/p3p1pp/1p1pP3/nRpP1N1P/2P2PP1/P1P2R2/4Q1K1 b - - 0 44"]
[PlyCount "71"]
[EventDate "1988.??.??"]
[SourceDate "2011.06.22"]
44... Rxf4 $3 45. gxf4 Qxh4 46. Qe3 Rf7 47. Kg2 Rf5 48. Qe1 Rh5 49. Kf1 Qxf4
50. Ke2 Qf5 51. Kd2 Rh3 52. Qe3 Rh1 53. Rg2 Ra1 54. f4 Rxa2 55. Kc1 Ra1+ 56.
Kd2 Nxc3 57. Kxc3 Ra3+ 58. Rb3 cxb3 59. cxb3 Ra1 60. Kb4 Rf1 61. Ka5 Qxf4 62.
Qxf4 Rxf4 63. Rd2 Rf3 64. Kxa6 Rxb3 65. Kb7 Rc3 66. Ra2 Kg8 67. Ra8+ Kf7 68.
Ra7 b4 69. Kb8+ Kf8 70. Ra6 Rc4 71. Rxe6 g5 72. Rd6 Rxd4 73. Rd7 b3 74. Rb7 Re4
75. Rxb3 Rxe5 76. Kc7 g4 77. Kd6 Rg5 78. Ke6 Kg8 79. Rb8+ Kh7 {und die Partie
wurde zugunsten von Schwarz abgeschaetzt.} 0-1</pgn>
In der kommerziellen Gruppe wurde Plymate wie gewohnt von den „großen Jungs“ abgefertigt, und Mephisto setzte sich gegen Fidelity mit einem Qualitätsgewinn im 20. Zug durch. Aber trotz dieser Siege war es insgesamt ein schwarzer Tag für Mephisto. In der dritten Runde der Hersteller-Gruppe übernahm Fidelity mit 3:1 die Führung. Sehenswert, wie das amerikanische Programm in einer Verlustpartie plötzlich das Remis „ansagte“:
<pgn>
[Event "8th WMCCC Manufacturers"]
[Site "Almeria ESP"]
[Date "1988.09.26"]
[Round "3"]
[White "Fidelity 2"]
[Black "Mephisto 4"]
[Result "1/2-1/2"]
[ECO "D03"]
[SetUp "1"]
[FEN "6k1/5R1p/1p1Np3/3pP3/5P2/3n2KP/4r3/8 w - - 0 44"]
[PlyCount "14"]
[EventDate "1988.??.??"]
44. Re7 $1 {Bewertung: 0,00!} Re3+ 45. Kh4 Nxf4 46. Re8+ Kg7 47. Re7+ Kh8 48.
Re8+ Kg7 49. Re7+ Kh8 50. Re8+ Kg7 {remis} 1/2-1/2
</pgn>
Interessant auch ein Stellungsbild, das die taktische Gefährlichkeit des Fidelity-Programms verdeutlicht:
<pgn>
[Event "8th WMCCC Manufacturers"]
[Site "Almeria ESP"]
[Date "1988.09.26"]
[Round "3"]
[White "Mephisto 2"]
[Black "Fidelity 4"]
[Result "0-1"]
[ECO "D26"]
[SetUp "1"]
[FEN "8/5p2/4b2k/2B2pRp/7P/P4pP1/4r3/5K2 b - - 0 56"]
[PlyCount "29"]
[EventDate "1988.??.??"]
56... Bc4 57. Bf8+ Kh7 58. Rxh5+ Kg8 59. Bc5 Re5+ 60. Kf2 Rxc5 61. Rg5+ Kf8 62.
Kxf3 Be6 63. h5 Rc3+ 64. Kf4 f6 65. Rg6 Kf7 66. Rh6 Bd7 67. Rh7+ Ke6 68. Rxd7 {
Hier riefen viele Zuschauer "Programmfehler!", aber natuerlich war das kein
kurzsichtiger Versuch, den h-Bauern umzuwandeln, sondern die einzige Rettung
vor ...Lc6 und ...Txf3 matt!!} Rc4+ 69. Kf3 Kxd7 70. Ke3 Rg4 0-1
</pgn>
===== Der vierte Tag =====
Die Fidelity-Leute hatten bis weit nach Mitternacht den Vortagesieg gefeiert, während die Mephisto-Mannschaft im Hotelzimmer Eröffnungen kochte. Aber es hatte sich gelohnt: In der vierten Runde der hersteller-Gruppe standen bald drei Mephisto-Geräte eindeutig auf Gewinn. Es zeigte sich, dass Fidelity im Mittelspiel brandgefährlich spielte, dass aber das Mephisto-Programm, sofern es das überstand, im Endspiel deutliche Überlegenheit zeigte. Hier ein eindrucksvolles Beispiel:
<pgn>
[Event "8th WMCCC Manufacturers"]
[Site "Almeria ESP"]
[Date "1988.09.27"]
[Round "4"]
[White "Mephisto 3"]
[Black "Fidelity 2"]
[Result "1-0"]
[ECO "D51"]
[SetUp "1"]
[FEN "8/2r4p/p5p1/k7/4RP2/5K2/6PP/8 w - - 0 43"]
[PlyCount "35"]
[EventDate "1988.??.??"]
43. g4 Rc3+ 44. Re3 Rc2 45. f5 gxf5 46. gxf5 Rxh2 47. f6 Rh1 48. Kg2 Rh5 49. f7
Rf5 50. Rf3 Rxf7 51. Rxf7 Kb6 52. Rxh7 Kb5 53. Kf3 a5 54. Ke3 Kc4 55. Ra7 Kb4
56. Kd4 Kb5 57. Rb7+ Kc6 58. Rb2 a4 59. Kc4 Kd6 60. Ra2 1-0
</pgn>
Insgesamt gewann Mephisto die Runde mit 3,5:0,5 und in der hersteller-Gruppe war alles wieder offen. Derweilen musste Dap Hartmann erkennen, dass man nicht über Nacht Programmfehler beseitigen kann, ohne dabei neue zu produzieren. Inder Partie gegen Pandix konnte Dappet plötzlich nicht mehr rochieren, und bei jedem unerwarteten Zug des Gegners stürzte das Programm ab. Mephisto Almeria gewann leicht gegen Chat und stand damit bereits als Sieger in der Software-Gruppe fest. In der Partie Rebel â€âCœ Challenger brauchte die Fidelity-Mannschaft gute Nerven.
<pgn>
[Event "8th World Microcomputer Chess Champions"]
[Site "Almeria, Spain"]
[Date "1988.09.27"]
[Round "5"]
[White "Rebel"]
[Black "Challenger"]
[Result "0-1"]
[SetUp "1"]
[FEN "r4rk1/p4qpp/b1p1p3/2bp4/P4nN1/1P6/1BPQ1PPP/R2NR1K1 b - - 0 18"]
[PlyCount "30"]
[EventDate "1988.??.??"]
[SourceDate "2011.06.22"]
18... Nxg2 19. Qg5 Nxe1 20. Nh6+ Kh8 21. Nxf7+ Rxf7 22. Qg3 Nf3+ 23. Kh1 Raf8
24. a5 d4 25. Ba3 Bxa3 26. Rxa3 Be2 27. Ra1 Nd2 28. Qd6 Bf3+ 29. Kg1 Rf6 30.
Qg3 Bh5 31. Nb2 Ne4 32. Qg2 Bf3 33. Qxf3 0-1
</pgn>
Am Nachmittag war es Fidelity, der den Gegner überraschte. Eröffnungsexperte Iouri Bondarenko ließ zwei Maschinen mit Weiß 1.e4 d6 2.d3!!?? spielen, womit die 60.000 Eröffnungszüge der Mephistos völlig ausgeschaltet wurden. In den beiden Partien stand Fidelity lange Zeit gut, verlor aber zum Schluss beide. Hier die eine, gespielt von beiden „Unbegrenzt“:
<pgn>
[Event "8th WMCCC Manufacturers"]
[Site "Almeria ESP"]
[Date "1988.09.27"]
[Round "5"]
[White "Fidelity 1"]
[Black "Mephisto 1"]
[Result "0-1"]
[ECO "A04"]
[SetUp "1"]
[FEN "r3r1k1/p1pbqp1p/1p1p2p1/3RP2B/2P2P2/1P4Q1/P5PP/5RK1 w - - 0 24"]
[PlyCount "54"]
[EventDate "1988.??.??"]
24. exd6 ({Die Mephisto-Schachexperten zeigten uns, dass Weiss mit} 24. f5 $1
dxe5 25. fxg6 hxg6 26. Bxg6 fxg6 27. Qxg6+ {forciert gewinnen konnte.
Stattdessen will Fidelity den Bauern und raeumt dem Gegner gutes Gegenspiel
ein.}) 24... cxd6 25. Rfd1 Be6 26. Rxd6 Rad8 27. Rxd8 Rxd8 28. a4 Bf5 29. Bf3
Qe3+ 30. Qf2 Rxd1+ 31. Bxd1 Qc1 32. Qf1 Qd2 33. h3 Be4 34. Kh2 Bxg2 35. Qe2
Qxe2 36. Bxe2 Bc6 37. Kg3 Kg7 38. Bf3 Bxf3 39. Kxf3 Kf6 40. b4 Ke6 41. Ke4 Kd6
42. Kd3 h6 43. Kd4 {Hier raufen ssich die Mephisto-Leute die Haare, als ihre
Maschine fast zwanzig Minuten lang den Verlsutzug 43...h5? ueberlegte, um dann
bei 13 Halbzuegen ploetzlich den Gewinn zu finden:} f6 $1 44. Kd3 Kc6 45. Kd4
a5 46. bxa5 bxa5 47. Kd3 Kc5 48. h4 g5 49. hxg5 hxg5 50. fxg5 fxg5 0-1
</pgn>
Es war der wohl schwärzeste Tag der Firmengeschichte: Fidelity verlor 1 : 3, also 1,5 : 6,5 in der Tagesbilanz. In der kommerziellen Gruppe wurde Plymate jeweils geschlagen, Mephisto und Fidelity remisierten.


==Weblinks==
==Weblinks==

Version vom 30. Juni 2013, 17:19 Uhr

  • Almeria ESP, 1988.09.25 - 1988.10.01
  • World Microcomputer Chess Champion: Mephisto Almeria


Software Group / Software Gruppe
P Player Score 1 2 3 4 5 6 7
1: Mephisto Almeria 6.0 / 6 X 1 1 1 1 1 1
2: Challenger 4.5 / 6 0 X = 1 1 1 1
3: Y!88 3.5 / 6 0 = X 1 0 1 1
4: Rebel 3.0 / 6 0 0 0 X 1 1 1
5: Pandix 2.5 / 6 0 0 1 0 X = 1
6: Chat 1.0 / 6 0 0 0 0 = X =
7: Dappet 0.5 / 6 0 0 0 0 0 = X

21 games: +8 =3 -10


Manufacturers Group / Hersteller Gruppe
P Player Score SOP 1 2 3 4 5 6 7 8
1: Mephisto 4 6.5 / 8 31.0 4w= 3w= 8b= 7w+ 4w+ 3b+ 8w+ 7b+
2: Mephisto 1 5.0 / 8 34.5 7w+ 8b+ 3w= 4b= 7b+ 8w= 3b- 4w=
3: Fidelity 4 4.0 / 8 36.0 1b= 5b= 6b+ 2w= 1b- 5w- 6w+ 2b=
4: Fidelity 3 4.0 / 8 34.0 5w= 1b= 2b= 6w- 5b+ 1w- 2w+ 6b=
5: Mephisto 3 4.0 / 8 32.0 3b= 4w= 7b- 8w+ 3w- 4b+ 7w- 8b+
6: Mephisto 2 3.5 / 8 30.0 8b- 7b- 4w- 3b+ 8b+ 7w+ 4b- 3w=
7: Fidelity 1 3.0 / 8 30.5 2b- 6w+ 5w+ 1b- 2w- 6b- 5b+ 1w-
8: Fidelity 2 2.0 / 8 28.0 6w+ 2w- 1w= 5b- 6w- 2b= 1b- 5w-

32 games: +11 =10 -11


Commercial Group / Kommerzielle Gruppe
P Player Score SB Mephisto Fidelity Plymate
1: Mephisto 9.0 / 11 41.50 XXXXXX =1=101 11111.
2: Fidelity 6.5 / 11 56.50 =0=010 XXXXXX 1111=.
3: Plymate 0.5 / 10 77.50 00000. 0000=. XXXXXX

16 games: +6 =3 -7


Tagebuch einer Weltmeisterschaft

Spannende Spiele bei der 8.Mikro-WM in Spanien

(Turnierbericht von Frederic Friedel aus Computerschach und Spiele / Heft 5 / 1988)

Die Geschichte der Mikrocomputer-Schachweltmeister-schaften ist gespickt mit Problemen und Skandalen. Zuviel hängt für die Hersteller von Schachcomputern vom Ausgang dieser Veranstaltung ab. Nach anfänglichen Schwierigkeiten entwickelte sich jedoch die 8. Mikro-WM in Aguadulce, Spanien, zu einem der spannendsten und zugleich schönsten Computerturniere überhaupt. Frederic Friedet berichtet.

Das Vorspiel

Es sollte ein Turnier der Superlative werden. Alle Teilnehmer, Organisatoren, Journalisten und Gäste sollten im Fünf-Sterne-Hotel Porto Magno untergebracht werden, auf Kosten des Veranstalters. Als Kommentatoren wurden nicht irgendwelche lokalen Schachgrößen verpflichtet. Nein, internationale Großmeister wie Sokolov, Anderssen, Ljubojevic, Elhvest, ja sogar drei Exweltmeister - Karpov, Botvinnik, und Smyslov-sollten das Geschehen auf den Brettern erläutern. Die Möglichkeiten von Amador Cuesta, Schachcomputer-Importeur (Mephisto) aus Madrid, schienen unbegrenzt.

Doch eine Woche vor Turnierbeginn trafen die Hiobsbotschaften ein: Zunächst war der Hauptsponsor abgesprungen, ein anderer wurde aber flugs gefunden. Dann zog auch dieser seine Unterstützung zurück, so dass für die Weltmeisterschaft kein Geld vorhanden war. Cuesta teilte allen Teilnehmern und Gästen per Telex mit, dass die Weltmeisterschaft nicht stattfindet. Ein von Cuesta bestelltes und in Aguadulce weilendes Organisationskomitee kam zu einem ähnlichen Schluss: In diesem Jahr wird es keine WM geben.

Doch hatte man nicht mit der organisatorischen Kraft eines Mannes gerechnet, der in der Vergangenheit mehr als dreißig internationale Computerschachturniere veranstaltet hat. David Levy, Präsident des Internationalen Computerschach-Verbands (ICCA), telexte sofort alle Beteiligten an, die WM werde sehr wohl ausgetragen, und zwar wie geplant vom 24.9. bis 1.10.1988 in Aguadulce. Von London aus löste er innerhalb von 48 Stunden alle Probleme: Er fand einen Ersatzsponsor, beauftragte eine Mitarbeiterin von Herrn Cuesta, die Organisation vor Ort zu übernehmen, verlegte die WM in ein bescheideneres - wenngleich auch exzellentes - Hotel, und arrangierte sogar die Empfangs- und Schlusszeremonie sowie einen Ausflug für alle Teilnehmer zur berühmten Alhambra in Granada.

Indes gab es, noch wenige Tage vor der WM, einige weitere Hürden zu überwinden. Die beiden wichtigsten Teilnehmer, Fidelity Electronics und die Hegener + Glaser AG, stellten Forderungen auf, die jeweils von der Gegenseite kategorisch abgelehnt wurden. So bestand Fidelity auf der Durchführung einer „kommerziellen Gruppe", die von Cuesta und der ICCA nachträglich in das Regelwerk aufgenommen wurde. Hegener + Glaser wollte dagegen erst gar nicht zur Weltmeisterschaft anreisen, wenn diese Gruppe nicht zuvor gestrichen würde. Firmenchef Manfred Hegener: „Wir haben uns auf die Hersteller-Gruppe vorbereitet, wo insgesamt 32 Partien gespielt werden. In der kommerziellen Gruppe gibt es nur sechs Partien, dort kann alles passieren. Wir wollen nicht, dass die WM zu einer reinen Glücksache wird. "Ferner sei seine Firma erst „im letzten Augenblick" (am 15.9.1988) von der ICCA über die Einrichtung dieser Gruppe informiert worden. Freilich: In der Augustausgabe von CSS, S. 43, wurde über die Möglichkeit einer kommerziellen Gruppe bereits berichtet.

Drei Tage vor der WM wurde dann CSS-Herausgeber Dieter Steinwender von der ICCA beauftragt, einen „Mephisto Almeria" in Hamburg zu kaufen und nach Aguadulce zu bringen. Das geschah bei der Karstadt Filiale in der Mönckebergstraße (Kaufpreis: DM 4600). Ein ausführliches Protestschreiben von Hegener + Glaser wurde ins Turnierbulletin aufgenommen und die umstrittene Gruppe doch noch angesetzt.


Der erste Tag

Nach diesem schweren Anfang ging es dann am 24. September endlich mit drei Partien der Software-Gruppe los. Insgesamt sieben Programme hatten sich hier angemeldet, darunter ein „Fidelity Challenger" und ein „Mephisto Almeria Experimental". Zwischen diesen beiden Geräten und denjenigen aus der Hersteller-Gruppe besteht kaum ein Unterschied, so dass wir dort näher auf die Hard- und Software eingehen wollen. Zwei weitere Programme liefen mit Turbokits der Firma Schätzte + Bsteh: Rebell '88 von Ed Schröder, mit einem Mephisto Exclusive Sensorbrett, einem 48-KByte-Programm, 8K RAM, 18 MHz Taktfrequenz und 16.000 Eröffnungszügen, sowie "Y!88" (sprich "Why not 88" "Warum nicht 88") von Ulf Rathsman mit einem Conchess Sensorbrett, 128K ROM, 4K RAM, 19 MHz und 128.000 Eröffnungsstellungen.

Der Ungar Gyula Horvath hatte für sein Programm Pandix ein Original-IBM PS2-386-System (20 MHz), das von einem lokalen Computerhändler freundlicherweise zur Verfügung gestellt wurde. Pandix ist 150 KByte groß, benötigt 256K RAM und kennt 5500 Eröffnungsstellungen. Der Holländer Dap Hartmann brachte für sein Programm Dappet (600 KByte, 4 MB ROM, 12.000 Eröffnungsstellungen) einen „Laptop" mit: Einen Toshiba 3100 mit 80386-Prozessor (16 MHz), 40 MB Festplatte, Plasmabildschirm - alles kaum größer als eine Reiseschreibmaschine. Und schließlich gab es das Programm Chat des Deutschen Wolfgang Delmare, das auf einem 68020 Prozessor mit 24 MHz lief, 170 KByte lang war, und mit 4 MB RAM und 8000 Eröffnungszüge arbeitete.

Bilanz der ersten Runde: Das „Lokalderby" zwischen Mephisto Almeria und Rebel 88 wird vom größeren Gerät überzeugend gewonnen, Y!88 schlägt Dappet, Chat und Pandix erreichen ein Remis.


Der zweite Tag

In der Software-Gruppe gab es die erste spektakuläre Mattankündigung des Turniers: Das ungarische Programm Pandix holte unterdessen mit 1.e3?! e5 2.e4! den Gegner Y!88 aus dessen gewaltiger Eröffnungsbibliothek und hatte selbst bis zum 20. Zug gar nicht zu rechnen. Ergebnis: 1:0 für Pandix. Dafür konnten die Schweden am Nachmittag in der dritten Runde einen halben Punkt gegen Fidelity Challenger retten.

Die "Fidelity-Aquarien": Superhardware, von zwei Ventilatoren gekühlt, unter einem Mach III-Gehäuse

Zur gleichen Zeit begann die erste Runde der Hersteller-Gruppe, mit vier Mephistos gegen vier Fidelity-Maschinen. Bis zum Schluß des Turniers gab es nur sparsame Hinweise über das Innenleben dieser Geräte. Über das „unbegrenzte Gerät" Fidelity 1, das laut Reglement nicht geöffnet werden mußte, teilte der Hardware-Spezialist Ron Nelson folgende faszinierende Einzelheiten mit: „Es enthält Platinen, Widerstände, Kondensatoren, viele, viele Chips und mindestens einen Ventilator, der das Gerät im heißen spanischen Klima kühlen soll."

Während Fidelity 1 in einem großen schwarzen Holzkasten untergebracht war, konnte man durch das „Aquarium-Gehäuse" der anderen Maschinen einen Eindruck von deren Elektronik gewinnen. Allerdings nur bedingt, denn der Prozessor selbst war durch gewaltige Kühlrippen bedeckt. Dennoch haben mehrere Hardware-Experten durch Zählen der Beinchen festgestellt, dass dort 68030-Prozessoren der neuesten (und teuersten) Generation die Arbeit verrichteten. Auch an superschnellen dynamischen RAM-Speichern gab es keinen Mangel.

Mit solchen „DRAMs" waren auch die Mephisto-Maschinen reichlich ausgestattet - zwei Megabyte in allen Geräten, die an der WM teilnahmen. Solche gewaltigen Speichermengen werden für die Einrichtung von „Hash-Tables" verwendet, die besonders im Endspiel zu märchenhaften Suchtiefen führen können. Nicht selten haben diese Geräte 14 und mehr Halbzüge angezeigt, und in der Partie Mephisto 1 - Fidelity 1 aus der ersten Runde der Hersteller-Gruppe gab es eine weitere sehenswerte Mattankündigung: Insgesamt sah es aber gar nicht so rosig aus für die Mephistos, die an allen vier Brettern lange Zeit schlecht standen. Ossi Weiner, schachlicher Betreuer der Mephisto-Mannschaft, war empört: „Es müßte verboten werden, daß ein Hersteller plötzlich so viel stärker spielt!" Zum Schluß war die Punkteteilung 2:2 ein wenig schmeichelhaft für die Münchner. In der kommerziellen Gruppe, die ebenfalls am zweiten Tag begann, hatte man sich nach einer langen Diskussion geeinigt, dass die Partien zur Hälfte mit einer Bedenkzeit von 60 Zügen in 60 Minuten (von Mephisto bevorzugt) und zur Hälfte mit 60 Zügen in 120 Minuten (so wollte es Fidelity). Außerdem stimmte man zu, daß eine kommerzielle Version von Plymate (32 K ROM, 4 K RAM, 19 MHz Turbokit) mitspielen durfte, obwohl die Anmeldefrist nicht eingehalten wurde. Plymate verlor beide Partien gegen die übermächtige Konkurrenz, wie übrigens alle weiteren Runden in der kommerziellen Gruppe (bis auf eine Partie in der letzten Runde). So blieb es im wesentlichen ein Zweikampf zwischen Mephisto und Fidelity, die an diesem Tag sich mit einem 79-zügigen Unentschieden trennten. Kein langweiliges Computerremis, sondern ein hartumkämpftes Spiel mit guten Chancen für beide Seiten.


Der dritte Tag

In der zweiten Runde der Hersteller-Gruppe wurden die Punkte zwischen Mephisto und Fidelity wieder geteilt - bei atemberaubendem Schach. Wie zum Beispiel in der folgenden Partie, in der das Fidelity-Programm mit einem Panno-Angriff gegen Mephistos Caro-Kann eine offene taktische Stellung erreicht, die es besonders liebt:

Hier erwarteten viele Zuschauer (z.B. Levy, Weiner, IM Mike Valvo) 20.Lxc6 bxc6 21.Le5 f6 22.Sg5 Lc5. In der Partie Fidelity 2 - Mephisto 1 brachte Ossi Weiner eine "Neuerung" mit 12.0-0 (jede Nacht wurden im Mephisto-Lager solche Neuerungen ausgekocht und in den Eröffnungsspeicher eingelesen, was nach den Regeln durchaus erlaubt war). Fidelity übte Druck auf den weißen König aus und hätte mit einem Figurenopfer die Partie entscheiden können: 24.Lxh6! gxh6 25.Dxh6+ Kg8 26.c4, wonach der Tb3 nach g3 wechseln kann. Stattdessen war es Mephisto, der den Turm mit 24...c4 aussperrte und die Partie für sich entschied. In der Software-Gruppe gab es nur Schwarzsiege. Rebel schlug Pandix (mit schönem Mattangriff) und Y!88 besiegte Chat. Aber die Partie des Tages war die Begegnung zwischen Fidelity Challenger und Mephisto Almeria, die von 15 bis 22 Uhr dauerte. Das war besonders anzuregend für Kathe Spracklen, die schon seit 9 Uhr morgens am Brett saß und in den 13 Stunden nur zwei 10-minütige Pausen einlegen konnte. Computerschach-Turniere sind für Betreuer wahrlich kein Zuckerschlecken.

Das neue Mephisto Programm, das hat das Turnier insgesamt gezeigt, versteht mehr von blockierten Stellungen als jedes andere Programm der Welt (während Fidelity im offenen Schlagabtausch unübertroffen ist). Hier hat Almeria alle Figuren in Stellung gebracht und wartet jetzt mit einem positionellen Figurenopfer auf, das in dieser Form wohl einmalig ist: In der kommerziellen Gruppe wurde Plymate wie gewohnt von den „großen Jungs“ abgefertigt, und Mephisto setzte sich gegen Fidelity mit einem Qualitätsgewinn im 20. Zug durch. Aber trotz dieser Siege war es insgesamt ein schwarzer Tag für Mephisto. In der dritten Runde der Hersteller-Gruppe übernahm Fidelity mit 3:1 die Führung. Sehenswert, wie das amerikanische Programm in einer Verlustpartie plötzlich das Remis „ansagte“: Interessant auch ein Stellungsbild, das die taktische Gefährlichkeit des Fidelity-Programms verdeutlicht:


Der vierte Tag

Die Fidelity-Leute hatten bis weit nach Mitternacht den Vortagesieg gefeiert, während die Mephisto-Mannschaft im Hotelzimmer Eröffnungen kochte. Aber es hatte sich gelohnt: In der vierten Runde der hersteller-Gruppe standen bald drei Mephisto-Geräte eindeutig auf Gewinn. Es zeigte sich, dass Fidelity im Mittelspiel brandgefährlich spielte, dass aber das Mephisto-Programm, sofern es das überstand, im Endspiel deutliche Überlegenheit zeigte. Hier ein eindrucksvolles Beispiel: Insgesamt gewann Mephisto die Runde mit 3,5:0,5 und in der hersteller-Gruppe war alles wieder offen. Derweilen musste Dap Hartmann erkennen, dass man nicht über Nacht Programmfehler beseitigen kann, ohne dabei neue zu produzieren. Inder Partie gegen Pandix konnte Dappet plötzlich nicht mehr rochieren, und bei jedem unerwarteten Zug des Gegners stürzte das Programm ab. Mephisto Almeria gewann leicht gegen Chat und stand damit bereits als Sieger in der Software-Gruppe fest. In der Partie Rebel â€âCœ Challenger brauchte die Fidelity-Mannschaft gute Nerven. Am Nachmittag war es Fidelity, der den Gegner überraschte. Eröffnungsexperte Iouri Bondarenko ließ zwei Maschinen mit Weiß 1.e4 d6 2.d3!!?? spielen, womit die 60.000 Eröffnungszüge der Mephistos völlig ausgeschaltet wurden. In den beiden Partien stand Fidelity lange Zeit gut, verlor aber zum Schluss beide. Hier die eine, gespielt von beiden „Unbegrenzt“: Es war der wohl schwärzeste Tag der Firmengeschichte: Fidelity verlor 1 : 3, also 1,5 : 6,5 in der Tagesbilanz. In der kommerziellen Gruppe wurde Plymate jeweils geschlagen, Mephisto und Fidelity remisierten.

Weblinks


siehe auch