Die Geschichte der Firma Fidelity - Teil 1: Unterschied zwischen den Versionen

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Doch dazu mehr in [[Die Geschichte der Firma Fidelity - Teil 2|'''Teil 2:''' 1982 - 1984]], in der ich auf die Gerätepalette von '''[[Fidelity]]''' ab 1982 eingehen möchte. Daß sich selbst sehr starke, menschliche Schachspieler vor dem Elite in acht nehmen mußten, erfuhr der mehrfache Berliner Meister Harald Lieb 1982 bei einer Simultanpartie am eigenen Leib. Der Computer rechnete auf der Analysestufe und wurde unterbrochen, sobald der Meister ans Brett trat. (Die Partie sowie die Kommentare von '''H.P. Ketterling''' wurden aus der Europa-Rochade Nr. 219 vom Oktober 1982 entnommen)
Doch dazu mehr in [[Die Geschichte der Firma Fidelity - Teil 2|'''Teil 2:''' 1982 - 1984]], in der ich auf die Gerätepalette von '''[[Fidelity]]''' ab 1982 eingehen möchte. Daß sich selbst sehr starke, menschliche Schachspieler vor dem Elite in acht nehmen mußten, erfuhr der mehrfache Berliner Meister Harald Lieb 1982 bei einer Simultanpartie am eigenen Leib. Der Computer rechnete auf der Analysestufe und wurde unterbrochen, sobald der Meister ans Brett trat. (Die Partie sowie die Kommentare von '''H.P. Ketterling''' wurden aus der Europa-Rochade Nr. 219 vom Oktober 1982 entnommen)
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[Event "Simultanpartie"]
[Date "1982.10"]
[White "Lieb, H.."]
[Black "Sensory Champion Elite, Fidelity"]
[Result "0-1"]
[ECO "D78"]
[Annotator "H.P. Ketterling"]
[PlyCount "90"]


 
1. d4 Nf6 2. c4 g6 3. g3 d5 4. Bg2 Bg7 5. Nf3 O-O 6. O-O c6 7. Nc3 dxc4 {Dies
 
ist der erste berechnete Zug des Elite.} 8. a4 Bf5 9. Ne5 Ng4 10. Nf3 Qb6 11.
Weiß: H. Lieb
e4 Bd7 12. h3 Nf6 13. Ne5 Nh5 14. a5 Qb3 15. Qe2 Bxe5 16. dxe5 Rd8 17. Ra3 {
Schwarz: Elite (Stufe H)
Nachdem Weiß den Abtausch des Springers auf e5 vermieden und die gegnerischen
 
Figuren zurückgedrängt hat, etabliert er den Springer erneut auf e5. Elite
Eröffnung: Königsindisch, Gegenfianchetto
scheint langsam zusammengedrückt zu werden.} Qb4 18. g4 Ng7 19. Be3 Be6 20. f4
 
Na6 21. f5 gxf5 {Schwarz steht gedrückt, die Dame hat kaum Felder und der
1.d4 Sf6 2.c4 g6 3.g3 d5 4. Lg2 Lg7 5.Sf3 0-0 6. 0-0 c6 7. Sc3 dc4 Dies ist der erste berechnete Zug von Elite 8.a4 Lf5 9.Se5 Sg4 10. Sf3 Db6 11.e4 Ld7 12.h3 Sf6 13.Se5 Sh5 Nachdem Weiß den Abtausch des Springers auf e5 vermieden und die gegnerischen Figuren zurückgedrängt hat, etabliert er den Springer erneut auf e5. Elite scheint langsam zusammengedrückt zu werden. 14.a5 Db3 15.De2 Lxe5 16.dxe5 Td8 17.Ta3 Db4 18.g4 Sg7 19.Le3 Le6 20.f4 Sa6 21.f5 gxf5 Schwarz steht gedrückt, die Dame hat kaum Felder und der weiße Angriff beginnt zu rollen. 22.gxf5 Ld7 23.Khl Sc5 24.Tgl Sd3 25.Lfl Kh8 Hier hat der Computer wohl Verdacht geschöpft. Meister Lieb, der sonst rund drei Minuten für jede Runde brauchte, hat an dieser Stelle geschlagene 3 1/2 Minuten auf die Ausarbeitung der Fortsetzung verwendet 26.Lg5 Dc5 27.f6 Sf2+ Plötzlich nutzt der Computer die offene, weiße Königsstellung für taktische Störmanöver 28.Kh2 Dxe5+ 29.Tg3 exf6 Die Wucht des weißen Angriffes ist gebrochen. 30.Lh6 Sh5 31.Dxf2 Tg8 32.Se2 Sxg3 33.Sxg3 Le6 34.Lf4 Db5 35.Le3 Tg6 36.Ld4 Kg7 37. Sf5+ Lxf5 Schwarz hat sich zäh verteidigt und dabei 2 Leichtfiguren für einen Turm gegeben. Allerdings hat er dabei 3 Bauern kassiert. 38.exf5 Tg5 39.Tg3 h6 40.h4 Txg3 41.Dxg3+ Kh7 42.Lxf6 Tg8 43.Dc7 Dd5 Damit wird f7 gedeckt und gleichzeitig auf den weißen König geschielt 44.De5 11132! 45.De2? Ein Fehler, der Matt in zwei Zügen forciert 45. ...Dg3+ Lieb hat den Schnitzer natürlich selbst auch gleich erkannt und der sympatische Meister gab auch prompt süßsauer lächelnd auf. Die Überraschung war perfekt. Ein Microcomputer hatte den mehrfachen Berliner Meister kalt erwischt.
weiße Angriff beginnt zu rollen.} 22. gxf5 Bd7 23. Kh1 Nc5 24. Rg1 Nd3 25. Bf1
Kh8 {Hier hat der Computer wohl Verdacht geschöpft. Meister Lieb, der sonst
rund drei Minuten für jede Runde brauchte, hat an dieser Stelle geschlagene 3
1/2 Minuten auf die Ausarbeitung der Fortsetzung verwendet.} 26. Bg5 Qc5 27. f6
Nf2+ {Plötzlich nutzt der Computer die offene, weiße Königsstellung für
taktische Störmanöver.} 28. Kh2 Qxe5+ 29. Rg3 exf6 {Die Wucht des weißen
Angriffes ist gebrochen.} 30. Bh6 Nh5 31. Qxf2 Rg8 32. Ne2 Nxg3 33. Nxg3 Be6
34. Bf4 Qb5 35. Be3 Rg6 36. Bd4 Kg7 37. Nf5+ Bxf5 {Schwarz hat sich zäh
verteidigt und dabei 2 Leichtfiguren für einen Turm gegeben. Allerdings hat er
dabei 3 Bauern kassiert.} 38. exf5 Rg5 39. Rg3 h6 40. h4 Rxg3 41. Qxg3+ Kh7 42.
Bxf6 Rg8 43. Qc7 Qd5 {Damit wird f7 gedeckt und gleichzeitig auf den weißen
König geschielt} 44. Qe5 Qf3 45. Qe2 $4 {Ein Fehler, der Matt in zwei Zügen
forciert.} Qg3+ {Lieb hat den Schnitzer natürlich selbst auch gleich erkannt
und der sympatische Meister gab auch prompt süßsauer lächelnd auf. Die
Überraschung war perfekt. Ein Microcomputer hatte den mehrfachen Berliner
Meister kalt erwischt.} 0-1
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Version vom 20. Mai 2011, 13:43 Uhr

1977 - 1981

„Die Firma Fidelity Electronics wurde 1959 gegründet und war damals noch in Chicago, Illinois beheimatet (später: Miami/Florida). Am Anfang wurden Hörgeräte der Fa. Viennatone aus ÃâC“sterreich importiert sowie verschiedene medizinische Artikel produziert. 1968 nahm Sid Samole als Abteilungsleiter seine Tätigkeit bei Fidelity auf. 1970 wurde er durch den Kauf sämtlicher Anteile Alleininhaber der Firma. Wie es der Zufall so will, sah sich Samole 1976 zu Hause eine Folge der Fernsehserie "Raumschiff Enterprise" an, in der Mister Spock eine Schachpartie gegen den Bordcomputer austrug. Dieser Umstand faszinierte ihn so sehr, daß er die ganze Nacht darüber nachdachte, ob so ein Gerät auch für den Hausgebrauch hergestellt werden könnte. Am nächsten Morgen sprach er mit seiner Sekretärin darüber und diese erzählte ihm, daß ihr Lebensgefährte in seiner Freizeit an einem Schachprogramm arbeite. Der Mann wurde daraufhin natürlich sofort engagiert. Sein Name: Ronald Nelson. Dieser schrieb dann in der Folgezeit auch sämtliche Schachprogramme für die ersten Geräte. In den Folgejahren zeichnete sich Nelson dann als Hardware-Experte bei Fidelity aus. Im Januar 1977 war es endlich soweit. Der allererste Micro-Schachcomputer der Welt, der Chess Challenger 1, kam im Januar 1977 anläßlich einer Messe erstmals auf den US-Markt. Der Rest ist schon Geschichte..." Soviel in Kurzform aus einem Interview von Göran Grottling, dem Chefredakteur des schwedischen Computerschachmagazins "Ply" mit Sid Samole anläßlich der Schachcomputer-WM 1988 im spanischen Almeria (erschien als Nachdruck in "Modul 4/1988").

Bei meinem nachfolgenden Streifzug werde ich ausführlich auf die wichtigsten Programmdetails, die Ausstattung sowie den Funktionsumfang der Fidelity Gerätepalette aus den Anfängen des "Microschachcomputerzeitalters" eingehen. Was heute bei vielen Kleinstgeräten zur Normalausstattung gehört, war damals schon eine halbe Sensation. Immerhin sind nun schon über 30 Jahre seit dem Erscheinen des ersten Schachmicros vergangen und vielen Lesern ist die eine oder andere Eigenschaft über ein bestimmtes Gerät wahrscheinlich nicht mehr so geläufig. Auf Testpartien der Fidelity-Oldies aus den Jahren 1977 - 1980 habe ich bewußt verzichtet. Der Grund hierfür liegt einfach in der schachlich dargebotenen Qualität. Aus heutiger Sicht erscheint diese aufgrund der vorherrschenden "PC-Power" in Verbindung mit der immer noch stärker werdenden Software im Auge des verwöhnten Betrachters einfach als "grottenschlecht" und überwiegend langweilig. Wen es aber trotzdem interessiert, den möchte ich an dieser Stelle auf die einschlägige Schachliteratur aus dieser Zeit (z.B. Europa-Rochade, Schachmagazin 64, Schachecho etc.) verweisen.


Doch nun zum ersten Schachcomputer der Welt, dem Chess Challenger 1:

Verpackung des CC 1
Man beachte die vertauschten Koordinaten auf dem Tastenfeld
Prototyp des CC 1

Die technischen Daten des Gerätes aus Holz (Gehäusegröße 30,7 cm x 20,5 cm ) fielen recht bescheiden aus: Microprozessor 8080 AF mit 2 Mhz Takfrequenz, Programmgröße (ROM) ganze 2 KB (!) oder 2.316 Bits. Damit beherrschte er noch nicht alle Schachregeln, sogar irreguläre Züge akzeptierte er, und nur eine einzige Spielstufe war verfügbar. Er konnte nur mit Schwarz spielen und erreichte lediglich eine max. Rechentiefe von 1 Halbzug. Eine Tonausgabe war nicht vorhanden. Die durchschnittlichen Rechenzeiten für den Antwortzug beliefen sich jeweils auf nur ca. 5 bis 6 Sekunden (was sich bei Tests mit meinem eigenen CC 1 bestätigte). Die gesamte Oberfläche des gut verarbeiteten Gerätes war mit einer braun-hellbeigen Plastikfolie überzogen, auf der linken Seite befand sich ein 20,5 cm x 17,5 cm großes Schachbrett. Daneben ein Feld mit 12 ebenfalls folienverkleideten Drucktasten für Zugeingaben, eine vierstellige, rote LED-Anzeige (FROMITO) für Zugausgaben sowie 2 Leuchtdioden für die Anzeige "CHECK/1 LOSE" . Die Besonderheit bei diesem Exemplar war, daß der Hersteller die Bezeichnung der Felder + Linien verwechselte! Diese wurden nämlich vertauscht, d.h, statt horizontal A-H hieß es 1-8 statt 1-8 auf der vertikalen Linie hieß es A-H (siehe Foto). Die Zugeingabe bereitet somit selbst geübten Schachspielern leichtere Probleme. Hier eine kleine, irregulär geführte Partie mit dem "Schachspielzeug":


Weiß: Mensch Schwarz: CC 1

1.7a-5e (Springer von g1 nach e5?) 4g-4f (Bauer von d7 nach d6)

2.4a-6g (Dame d1 schlägt f7?) CC 1: I LOSE (Schachmatt!)

Lustig, nicht wahr?

Chess Challenger heißt auf deutsch „Schachherausforderer". Naja, eine Herausforderung war das aus schachlicher Sicht noch nicht, aber immerhin schon einmal ein Anfang.

Vom Chess Challenger 1 sollen nur etwa 1000 Stück hergestellt worden sein, die zum damals doch recht hohen Preis von 600 US-Dollar verkauft wurden. Das Gerät ist heute -trotz aller vorgenannter Unzulänglichkeiten- ein sehr begehrtes Sammlerstück. Er ist der "URAHN" aller Schach-Micros. In ganz Deutschland sind nur noch 5 Stück davon bekannt.

Mit dem verbesserten Nachfolgemodell, dem Chess Challenger 3,

Chess Challenger 3

fand der erste Microschachcomputer den Weg über den großen Teich nach Europa. In Deutschland wurde er erstmals im Herbst 1977 auf der Berliner Funkausstellung gezeigt. Der Verkaufspreis lag damals bei rund 698,-DM. Eigentümer des CC 1 konnten ihr Gerät gegen 75 US-Dollar auf den Stand des CC 3 umrüsten lassen. Bis auf die nunmehr richtigen Brettkoordinaten sowie der abgeänderten Beschriftung auf den Tastenfeldern unterscheidet er sich vom äußeren Erscheinungsbild nicht vom Chess Challenger 1. Im Inneren werkelte der gleiche Mikroprozessor wie im Vorläufermodell, die Programmgröße war mit 2332 Bits (CC 1: 2316 Bits) ebenfalls nahezu unverändert. Der Ausstattungsumfang hatte sich etwas vergrößert: 3 Spielstufen mit Rechenzeiten bis zu 30 Sekunden, selektive (!) Baumsuche bis zu 3 Halbzügen, irreguläre Züge wurden nicht mehr akzeptiert. Allerdings kannte er immer noch nicht sämtliche Schachregeln. Er verfügte weder über einen Zufallsgenerator noch über die geringsten Endspielkenntnisse. Partiewiederholungen kamen so lfd. vor. Ein "Minieröffnungsrepertoire" mit d2 d4 bzw. e2 e4 als Weißer bzw. d7 d5 und e7 e5 als Schwarzer war vorhanden. Problemstellungen ließen sich nur durch Verrücken der Figuren aus der Grundstellung heraus eingeben, ein Wechsel der Spielstufe während der Partie war nicht möglich. Der CC 3 ist für heutige Maßstäbe weder spielstark noch mit großem Ausstattungskomfort gesegnet, aber ebenfalls ein Liebhaberstück für Schachcomputersammler. Im Herbst 1978 erschien dann ein stark verbessertes Nachfolgemodell, der Fidelity Chess Challenger 10,

Chess Challenger 10

der in 3 verschiedenen Versionen (A, B und C) auf den Markt kam (UVP. DM 698,--). Hier kam erstmals der in diesen Jahren oft für Schachprogramme (u.a. später auch bei Novag) eingesetzte Z 80 A-Microprozessor von Zilog mit 4 Mhz Taktfrequenz zum Einsatz.

Beim Fidelity Chess Challenger 10 A und Fidelity Chess Challenger 10 B standen 10 Spielstufen von 5 Sekunden bis 24 Std. durchschnittlicher Rechenzeit zur Verfügung. Allerdings waren dies nur grobe Vorgaben, denn je nach Stellungstyp wurden die Rechenzeiten doch erheblich unter- bzw. überschritten. Bei extrem verwickelten Stellungen konnte bis zum Erreichen der max. Rechentiefe von 6 Halbzügen schon 1 Woche (!) und mehr vergehen. Ich habe es jedenfalls bei meinem eigenen Exemplar aus Zeitmangel -und auch um einen Überhitzungsschaden zu vermeiden- noch nicht ausprobiert. Zur Ausstattungs gehörte eine kleine Eröffnungsbibliothek mit insgesamt 80 Halbzügen (!), erstmals Signaltöne für Zugeingaben und Zugausgaben (nur CC 10 A+B), die Möglichkeit des beidseitigen Spieles mit Weiß + Schwarz, Problemeingabenmodus und Spielstärkeänderungen während der Partie. Die braunen 33,5 x 21,5 cm messenden Holzgehäuse der Fidelity Chess Challenger 10 A bzw. Fidelity Chess Challenger 10 Bwaren allseits gerundet, beim CC 10 C eckig und jeweils solide verarbeitet. Das Spielfeld aus Metall sowie die 16 (10 A + B) bzw. 12 Bedienungstasten (Fidelity Chess Challenger 10 A) zur Zugeingabe auf der rechten Seite waren mit einer Schutzfolie aus Plastik überzogen. Die Zugausgabe erfolgte wie beim CC 3 über 4 rote LED-Segmente. Zur Aufbewahrung wurde sogar ein brauner Kunstlederkoffer (10 A + B) bzw. schwarzer Plastikkoffer (Fidelity Chess Challenger 10 C) mitgeliefert. Der Fidelity Chess Challenger 10 A konnte während einer Partie selbst auf den höchsten Programmstufen nicht dazu bewegt werden, die Rochade auszuführen. Die Eröffnungsphase wurde somit nicht harmonisch abgeschlossen und er kam somit bereits oft im Mittelspiel in unnötige Bedrängnis. Diese Schwäche wurde im Frühjahr 1979 mit dem Fidelity Chess Challenger 10 B beseitigt, der nun zwanglos an den geeigneten Stellen in einer Partie rochierte. Gegen Ende der 2. Jahreshälfte 1979 erschien dann der Fidelity Chess Challenger 10 C , bei dem auch das Schachprogramm sowie die Abstufungen bei den Levels deutlich überarbeitet und verfeinert wurden. Ferner wurde die Stellungskorrektur sowie Problemeingabe verbessert. Trotz aller durchgeführten Verbesserungen nahm die Spielstärke bei allen 3 Varianten mit nachlassendem Material -vor allem bei Bauernendspielen- rapide ab.

Das Plastikzeitalter hielt Mitte 1979 mit dem Chess Challenger 7

Chess Challenger 7

erstmals Einzug bei Fidelity. Das Programm wurde gegenüber dem Fidelity Chess Challenger 10 B bei gleichgebliebenem Umfang weiter modifiziert, allerdings auf Kosten des äußeren Erscheinungsbildes, denn das Gehäuse im Challenger-Design der Vorgänger wurde nicht mehr aus Holz gefertigt. Dafür lag der mit 498,-- DM angesetzte Verkaufspreis 200,-- DM unter dem des CC 10. Das Eröffnungsbuch wurde unverändert übernommen, es standen aber nur noch 7 Spielstufen (allerdings ggü. dem Vorläufer gestrafft) von 5 Sekunden bis 24 Std. Durchschnittszeit zur Verfügung. Insgesamt gesehen spielte der CC 7 aggressiver und forscher als die Vorläufer, die selektive Suche ist noch enger geworden, Fesselungen und Drohungen -eine eklatante Schwäche der CC 10 - wurden nun schon gesondert überprüft. Unter den Programmverbesserungen litt leider das Endspielverhalten. Er konnte nicht einmal mehr mit 2 Türmen oder mit der Dame allein den Gegner mattsetzen! Aufgrund des günstigeren Preis- Leistungsverhältnisses gegenüber. den Vorläufern wurden von Fidelity damals immerhin rund 600.000 Stück weltweit von diesem Gerätetyp abgesetzt. „Hallo, ich bin der Chess Challenger von Fidelity, Ihr elektronischer Schachfreund. Wählen Sie Ihre Spielstärke " krächzt einem eine tiefe, blecherne und ziemlich synthetisch klingende Stimme entgegen, sobald der Chess Challenger VOICE eingeschaltet wurde.

Datei:CCV.jpg
Chess Challenger Voice

Falls der Benutzer dann nichts weiter unternahm, wiederholte der Computer alle 20 Sekunden seine "Begrüßungsrede" , was auf Dauer doch irgendwann ziemlich nervte. Dieses schwarze, im CC 10-Design und erstmals mit richtigen, allerdings etwas schwergängigen Tasten ausgestattete Holzgerät (33 x 21 cm) erschien im Oktober 1979 auf der Bildfläche zu einem Verkaufspreis von 998,-- DM. Die künstliche Stimme sagte bei jedem Zug an, welche Figur wohin zieht, ob dabei ein Stein geschlagen wurde und informierte auf Wunsch über die jeweilige Stellung sowie über die eingestellte Spielstufe, von denen 10 vorhanden waren. Ferner wurden Rochade, Schachgebote und En-Passant-Züge angesagt. Somit konnte damals erstmals sogar Blinden die Möglichkeit gegeben werden, gegen einen elektronischen Schachpartner zu spielen. Zusätzlich erfolgte neben der Sprachausgabe die Zugausgabe über ein rotes, 4stelliges alphanumerisches LED-Display. Die Speicherkapazität des Programmes wurde gegenüber den Vorläufern mit 24 KB Umfang deutlich vergrößert, wobei ein Teil davon für den Sprachchip verwendet wurde. Das eigentliche Schachprogramm lief auf einem Microprozessor Z 80 A mit 3,9 Mhz. Für damalige Verhältnisse stand ein Superlativ zur Verfügung: 46 fest gespeicherte und über A1 - F6 abrufbare Eröffnungsvarianten mit einer durchschnittlichen Tiefe von 14 Zügen, die längste Variante brachte es mit 23 Zügen sogar bis weit in das Mittelspiel (für heutige Verhältnisse schon ganz ansehlich!) Effektiv umfaßte das Repertoire rund 1.250 Halbzüge. Durch den erweiterten Programmumfang wurde das Endspielverhalten erstmals deutlich bei einem Schachmikro verbessert, was auch mit den nachfolgenden, heute teilweise erheiternden Hinweisen in der Bedienungsanleitung zum Ausdruck kommt:

"...Durch einen Zusatzspeicher ist der CC Voice in der Lage, bis zu 6 verschiedene Strategien zu verarbeiten. Einmal errechnete Werte können archiviert werden. Dieser Vorteil wirkt sich früheren Entwicklungen gegenüber sehr deutlich auf die Spielstärke vergleichbarer Rechenzeiten aus. Die unteren Programmstufen sind so gestaltet, daß auch für Anfänger kurzfristige Erfolgserlebnisse vorprogrammiert sind. Jedoch in den höheren Stufen kann das Elektronengehirn auf seinen eigenen Erfahrungsschatz zurückgreifen und seine Rechenzeit stärker für die in die Zukunft gerichtete Analysen verwenden. CC Voice ist nicht nur ein sprechender Computer, sondern er setzt heute Maßstäbe sinnvoller Nutzung futuristischer Technologie..."

Das klingt ja fast so, als ob es sich um einen Prototypen handelt, bei dem erstmals die "Hash-Table-Technologie" zum Einsatz kommt, und das schon zu Anfang der 80 er Jahre, naja. Jedenfalls wurde "The Voice" zum Marken- bzw. Erkennungszeichen für alle späteren Spitzengeräte von Fidelity.

Im Herbst 1980 wurde mit dem Chess Challenger 8 ein neues Gerätekonzept, nämlich die direkte Zugeingabe per Drucksensortasten auf dem Schachspielfeld eingeführt. Mit seiner Bedienungsfreundlichkeit übertraf er alle seine Vorläufermodelle. Das Gerät (Ausmaße 27 x 29 cm) war aus Kunststoff gefertigt und zum Preis von rund 498,-- DM erhältlich. Die Zugausgabe erfolgte mittels LEDLeuchten auf den 64 Schachfeldern. Eine eigene Zuganzeige war nicht vorhanden. Die übrigen Funktionen, wie z. B. Spielstufeneinstellung, Stellungseingabe und -überprüfung, Kontrolltoneinstellung, Anzeige für Patt + Matt etc. erfolgten in Kombination mit insgesamt 8 Folientasten (Rücksetzen = RE und Löschen = CL sowie 6 weiteren Tasten mit Figurensymbolen) die auf der rechten Seite angebracht waren. Bei dem Schachprogramm handelte es sich um eine überarbeitete CC 7 - Variante mit gleichem Eröffnungsbuch sowie 8 Spielstufen. Erstmals konnte zwischen Netz- und Batteriebetrieb gewählt werden.

An dieser Stelle sei angemerkt, daß ein großer Teil des späteren Verkaufserfolges von Fidelity auf dem nachfolgend genannten Gerätekonzept (respektloser formuliert "Badewannenprinzip") basierte: Sehr hohe Spielstärke bei einem unscheinbaren und teilweise auch häßlichen Design, jedoch kombiniert mit einer relativ unkomplizierten Bedienung sowie einem guten Preis- Leistungsverhältnis (z.B. Sensory 9, Excel 68.000, Fidelity Excel 68000 Mach II, III und IV).

Im Herbst 1980 kam der Nachfolger des CC-Voice, der Chess Challenger Sensory Voice

Chess Challenger Sensory Voice

auf den Markt (UVP. 998,-- DM, Ausmaße: 33 x 29 cm) Es handelte sich um das erste richtige Luxusmodell der Chess-Challenger-Reihe, bei der das bedienungstechnische Konzept des CC Sensory 8 in Verbindung mit einem verbesserten Programm und erweiterter Ausstattung übernommen wurde. Das braunbeige Drucksensorbrett mit einer vorne in der Mitte integrierten und erhobenen 4stelligen LED-Anzeige sowie 6 rechts daneben angebrachten, zusätzlichen Druckknöpfen ist mit einem Holzrahmen umgeben, was einen Hauch von Exclusivität verbreitet. Zum Ausstattungsumfang gehörten unter anderem:

= Die Lautstärke als auch die Anzahl und Art der Ansagen bei der Computerstimme konnten separat eingestellt werden.

= Erstmals stand eine integrierte Schachuhr mit Count-Down-Modus für Blitz- und Schnellpartien zur Verfügung.

= 9 Spielstufen u. 1 Analysestufe mit selektiver + erschöpfender Suche

= Anzeige des gerade erwogenen Zuges in bestimmten Stufen

= Abschaltbarer Zufallsgenerator

= Erweiterte Eröffnungsbibliothek mit rund 2.000 Halbzügen, bei der die 64 wichtigsten Varianten sogar abrufbar waren

= Speicherung von 64 Meisterpartien zwischen 1852 und 1979

= Als Zubehör konnte ein Theormodrucker zum Protokollieren der Partien verwendet werden


Theormodrucker

Zum etwa gleichen Zeitpunkt wie der Chess Challenger Sensory Voice kam in einer kleineren Auflage der Chess Challenger Grandmaster Voice zum Preis von ca. 1.500,-- DM heraus. Der Computerteil mit den 16 Bedienungstasten und der LED-Anzeige war rechts in ein sehr großes, furniertes Turnierbrett eingebettet, darüber und darunter befand sich jeweils ein Figurenkasten. Es waren keine Sensorfelder vorhanden. Die Zugeingabe erfolgte konventionell über die Tastatur. Aufgrund der beeindruckenden Ausmaße (71 x 58 cm) handelte es sich wohl um den größten, jemals gebauten Schachcomputer. Das kann ich auch aus meiner eigenen Erinnerung behaupten, da ich gegen das Gerät einmal als Schüler in einem Kaufhaus spielte. Das Schachprogramm war bis auf die Eröffnungsbibliothek (vom CC Voice) mit dem des Chess Challenger Sensory Voice identisch, Aufgrund der relativ geringen, hergestellten Stückzahl handelt es sich bei diesem Gerät um ein begehrtes Sammlerstück.


Wenn zwei sich streiten...


Der Schachcomputer SARGON 2.5

SARGON 2.5

von Applied Concepts war Anfang der 80er Jahre der stärkste Schachcomputer auf dem Markt. Für das Programm zeichnete sich das Ehepaar Dr. Dan und Dr. Kate Spracklen verantwortlich. Nachdem Rechtsstreitigkeiten zwischen Applied Concepts und deren Vertriebsfirma Chafitz ausgebrochen waren und die vereinbarten Tantiemen nicht mehr flossen, mußten sich die beiden ein anderweitiges Betätigungsfeld suchen. Anfang September 1980 wurde die 1. Nordamerikanische Microcomputer-Schachmeisterschaft in San Jose (USA) ausgetragen. Über den Sieger, das Experimentalprogram Fidelity Champion Sensory Challenger X (CSC) rankten sich viele Gerüchte. Fakt ist, daß die Spracklens bereits damals, allerdings als "inoffizielle" bzw "freie Mitarbeiter" für Fidelity, bei der Programmgestaltung des Siegergerätes mitgewirkt haben. Die später dann offiziell vollzogene, vertragliche Bindung der Spracklens an Fidelity sollte sich in der Zukunft für die Firma als absoluter Glücksgriff erweisen. Die zukünftigen Programme der Spracklens mußten aber aus urheberrechtlichen Gründen dann auf den Namen "SARGON" verzichten.

Im Herbst 1981 kam somit der erste "offiziell" vom Ehepaar Spracklen programmierte Chess Challenger Sensory Champion zum Preis von 998,-- DM auf den Markt. Es handelte sich um das erste, absolute Spitzenprogramm von Fidelity. Vom äußeren Erscheinungsbild und vom Ausstattungsumfang war er mit dem bisherigen Luxusgerät CC Sensory Voice identisch. Erstmals kam der in den Folgejahren allseits bekanntgewordene 8-Bit Prozessortyp 6502 (hier B) mit 2 Mhz Taktfrequenz zum Einsatz. Die Programmgröße lag bei 28 KB. Neu bei dieser Reihe war unter anderem das "Permanent Brain" (Nutzung der gegnerischen Bedenkzeit für eigene Analysen), ein- und ausschaltbare Kontrolltöne, Anzeige der Rechentiefe und des erwogenen Zuges sowie Zugrücknahme bis zu 39 Halbzügen. Das Eröffnungsbuch umfaßte damals immerhin schon 3.500 Halbzüge. Von der spielerischen Qualität her bedeutete dieser Rechner damals den Durchbruch zum Niveau eines unteren bis durchschnittlichen Klub spielers.

Den Wünschen von Reiseschachfans wurde ebenfalls im Herbst 1981 Rechnung getragen mit Veröffentlichung des Chess Challenger Sensory Mini.

CC Mini

Der Reisecomputer konnte sowohl mit Netzteil als auch Batterien betrieben werden. Das Gerät (22x13 cm) zum Preis von 175,-- DM verfügte über ein 2 KB-Programm mit 3 unterbrechbaren Spielstufen. Eine Eröffnungsbibiliothek war somit aus Platzgründen nicht vorhanden, von Unterverwandlungen und Endspielwissen ganz zu schweigen. Die Käuferzielgruppe lag bei Schacheinsteigern mit schmalem Geldbeutel und ohne allzu große Ambitionen. Die Zugeingabe erfolgte über ein kleines Sensorbrett, in das die mit kleinen Stiftchen versehenen Figuren gesteckt wurden. Aus Platzgründen wurden die Züge nur durch 2 Diodenzeilen (Reihen- und Linienangabe) ausgegeben. Die absoulte Krönung stellte der zum Jahresende 1981 herausgebrachte Chess Challenger Sensory Champion Elite dar (auch bezeichnet als "UR-ELITE"). Von diesem damaligen "Boliden" wurden weltweit nur 500 Stück hergestellt. Zum Verkauf in Deutschland gelangten 100 Stück. Er wird deshalb auch die "blaue Mauritius" unter den Schachcomputern genannt. Der anfangs horrende Verkaufspreis von 4.000,-- DM (!) fiel im Folgejahr zuerst auf 3.000,-- DM und dann auf 2.400,-- DM. Vom äußeren Design und Ausstattungsumfang war er mit dem Chess Challenger Sensory Champion identisch. Die Auslieferung erfolgte zusammen mit einem schwarzen Kunstlederkoffer. Die eingebaute Microelektronik hatte jedoch ihren Preis und war der damaligen Zeit weit voraus: Microprozessor 6502 C mit 4 Mhz Taktfrequenz (doppelt so schnell wie der Chess Challenger Sensory Champion!) sowie 24 KB Programmumfang. Im Inneren wurde weitgehend -bis auf eine abgeänderte Eröffnungsbibiliothek- das Programm des WM-Gewinners der experimentellen Klasse von Travemünde 1981 abgearbeitet (welches sogar mit Taktrate von 5 Mhz lief). Jeder Käufer erhielt damals eine Besitzurkunde sowie ein "Qualitätszertifikakt" , welches 25 Unterschriften

"Qualitätszertifikakt"

von den bei der Programmentwicklung und -herstellung beteiligten Personen trägt. Der stolze Eigentümer konnte sich auf Wunsch in der vorne am Gerät angeschraubten, polierten Messingplakette seinen Namen eingravieren lassen. Zum Ausstattungsumfang des bereits besprochenen Chess Challenger Sensory Champion kam beim Elite neu hinzu, daß man sich durch Druck auf die LV-Taste neben dem erwogenen Zug und der Rechentiefe nunmehr auch noch die materielle und positionelle Stellungsbewertung im 3 Sekunden-Rolliermodus anzeigen lassen konnte.

Der Beste seiner Zeit - CC Sensory Champion Elite

Die ersten 6 Elite (No. 001 - 006) besaßen diese Eigenschaft noch nicht. Diese hatten dafür noch die 64 Lehr- bzw. Meisterpartien abgespeichert bzw. das abrufbare Eröffnungsrepertoire enthalten, welche bei den nachfolgenden Geräten (No. 007 - 500) dann entfiel. Der Elite war vorwiegend für Spielstärkefanatiker mit dickem Geldbeutel konzipiert worden. Einen kleinen Wehrmutstropfen besaß er trotz seines überragenden Programmens sowie der umfangreichen Bedienungsmöglichkeiten doch: Ein standesgemäßes, luxuriöses und eleganteres Äußeres in Form eines turniergroßen Edelholzsensorbrettes.

Doch dazu mehr in Teil 2: 1982 - 1984, in der ich auf die Gerätepalette von Fidelity ab 1982 eingehen möchte. Daß sich selbst sehr starke, menschliche Schachspieler vor dem Elite in acht nehmen mußten, erfuhr der mehrfache Berliner Meister Harald Lieb 1982 bei einer Simultanpartie am eigenen Leib. Der Computer rechnete auf der Analysestufe und wurde unterbrochen, sobald der Meister ans Brett trat. (Die Partie sowie die Kommentare von H.P. Ketterling wurden aus der Europa-Rochade Nr. 219 vom Oktober 1982 entnommen)


Alwin Gruber