Mephisto Dallas 68020

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Mephisto Dallas 68020
Dallas 68020 Modul
Dallas 68020 Modul

Copyright Chess Computer UK by Mike Watters

Hersteller Hegener & Glaser
Markteinführung 1986
CElo 2094
Programmierer Lang, Richard
Prozessor 68020
Prozessortyp 32 Bit
Takt 14 MHz
RAM 64 KB
ROM 64 KB
Bibliothek ~ 4.000 Varianten, > 35.000 Halbzüge
Einführungspreis ca. 2250 € (4500 DM)
Rechentiefe 24 Halbzüge
BT-2450
BT-2630
Colditz
Verwandt Mephisto Dallas 68000
Zugeingabe Magnetsensoren
Zugausgabe Feld LEDs + Display
Display 4-stellige 7-Segment Anzeige
Stromversorgung Netz = HGN 5004A
Spielstufen 6 x Durchschnitt + Turnier + Programmierbar + Analyse + Mattsuche
Maße Modulset
Sonstiges
Weltmeister 1986

Der Mephisto Dallas war Richard Langs Weiterentwicklung des Mephisto Amsterdam, dem Gewinner der 5. WMCCC. Bei dem Dallas handelt es sich um ein selektives Schachprogramm nach der Shannon A/B-Strategie. Das Mephisto III-Programm verwirklichte 1983 als erstes in konsequenter Weise das selektive Konzept. Die volle Breite wird nur 3 Halbzüge durchgerechnet, daran schließen sich selektive Berechnungen an, für die sehr schmale und tiefe Suchbäume charakteristisch sind. Typisch sind die sehr aufwendigen Bewertungen, welche in den Endknoten stattfinden ("static search").

Das Mephisto Dallas Programm stellt einen besonders eigenwilligen Versuch dar, die Vorteile der vorgenannten Konzepte miteinander zu verbinden. Zunächst werden 3 bis 4 Halbzüge volle Breite gerechnet, daran anschließend 3 bis 4 Halbzüge mit abnehmend verringerter Breite, gefolgt von selektiven Berechnungen (z.B. Bauernstrukturen) erfolgt bereits an der Wurzel, ein geringer Teil in den Endknoten.

Die Besonderheiten des Dallas Programms

Die besonderen Stärken des Programms liegen im Positionsspiel, d.h. in der langfristigen strategischen Spielanlage. Hier sind zwei Schwerpunkte hervorzuheben, nämlich Mobilität und Bauernstrukturen.

Mobilität bedeutet, dass ungewöhnlich hohe Priorität auf die Beweglichkeit aller Leicht- und Schwerfiguren gelegt wird. Das bedeutet gleichzeitig sparsamen Umgang mit Bauernzügen, um die Wirkungslinien der eigenen Figuren nicht zu verstellen. Umgekehrt wird das Programm nach Möglichkeiten versuchen, di Aktivitäten des Gegners zu hemmen, seinen Bewegungsraum schrittweise einzuengen, und so die Initiative zu erlangen.

Vielleicht der wertvollste Eigenschaft des "Dallas" ist aber die Beherrschung aller relevanten zentralen Bauernstrukturen im Sinne einer echten Mustererkennung ("pattern recognition"). So kennt das Programm hunderte von Zentrums-Bauernstrukturen und kann aus diesen seine Spielpläne ableiten. Zu diesen Plänen gehören z.B. gute und schlechte Figurenpositionierungen und deren optimale Reihenfolge, Abtausch- und Damentauschprioritäten, Rochadeprioritäten, zielgerichtete Bauernzüge bzw. Bauernhebel, Angriffsvorbereitungen und vieles mehr.

Zusammenfassung der Verbesserungen

  • Eröffnung:

Erheblich vergrößerte Eröffnungsbibliothek mit nunmehr über 4.000 Varianten und ca. 35.000 Positionen. Erkennung van Zugumstellungen, sogar mit vertauschten Farben.

  • Mittelspiel:

Erweiterte Schachstrategien in Bezug auf Bauernstrukturen, Bauernschwächen, bis hin zu komplizierten Strategemen, wie z.B. Minoritätsangriffe am Damenflügel. Stark verbesserte Kombinationsfähigkeiten und taktische Schlagkraft. Neuartige Strategien für Königsangriffe, die sogar Opfermöglichkeiten mit einschließen. Durch den jetzt wesentlich aggressiveren Spielstil können Partien jetzt häufig schon im frühen Mittelspiel entschieden werden.

  • Endspiel:

Verbesserte Behandlung von vorgerückten Freibauern + verbesserte Königssicherheit

  • Blitzschach:

Verbesserte Spielstärke

Ein starkes Stück

Erste Erfahrungen mit dem Mikro-Weltmeister Mephisto Dallas

(Bernd Schneider - aus Computer Schach & Spiele / Heft 1 / Februar 1987)

Bei der 6. Mikrocomputer-WM in Dallas, Texas, wurde er Weltmeister, die H + G-Werbebroschüren sprechen von dramatischen Verbesserungen in allen Partiephasen. Ist das neue Programm wirklich so gut? Bernd Schneider hat die Weihnachtsfeiertage mit dem Mephisto Dallas verbracht.

Kurz vor Heiligabend kam er an, der frischgekürte Weltmeister. Ich erhielt von Hegener + Glaser gleich das Original-Gerät, das in Dallas mitgespielt hatte. Ein Blick ins Innere bestätigte die bekannten Angaben: Motorola 68020-Prozessor (32 Bit) und beachtliche 28 MHz! Solche Hardware-Power, die von zwei Ventilatoren in der Bodenplatte des „München"-Gehäuses gekühlt werden muss, bekommt man nicht alle Tage zu sehen. Aber wie würde sich die superschnelle Elektronik - gekoppelt mit den Programmverbesserungen von Richard Lang - auf das Spielverhalten auswirken?

Als erstes gab es zwei Blitzpartien (60 Züge in 5 Minuten) gegen die starken Blitzer von Novag: Forte und Expert. Beide bekamen das Fell über die Ohren gezogen. Wobei es dem Forte allerdings gelang, sich noch am Rande des Abgrundes in eine dreifache Stellungwiederholung zu flüchten. Unglaublich, wie der 32-Bitter die Lage überblickt: In scheinbar ausgeglichener Stellung sieht er sich im Mittelspiel (bei Materialgleichgewicht) mit fast zwei Bauerneinheiten in positionellem Vorteil.

Als nächster Turniergegner kam der Rebell dran, diesmal im Turniertempo (40 Züge in 2 Stunden):

Würde vielleicht der Leonardo Maestro dem Welt-meister trotzen können? Ich ließ die beiden auf der Turnierstufe (40Z/2h) die Partie Short-Penrose, Brighton 1977, ab Zug 17 weiterspielen, wobei Mephisto Dallas bei diesem „einseitigen Thematurnier" die schwarze Seite der Partie übernehmen musste. Nach den Zügen 1.e4 c5 2.Sf3 e6 3.c3 Sf6 4.Ld3 b6 5.0-0 La6 6.Lxa6 Sxa6 7.d4 cxd4 8.Sxd4 Le7 9.e5 Sd5 10.Dg4! g6 11.Lh6 Sc5 12.c4 f5 13.Df3 Sc7 14.Sc3 Dc8 15.b4 Sb7 16.a3 Sd8 spielten die Rechner weiter:

Zwischendrin ein paar Stellungstests: Bei Ketterlings Teststellung Nr. 31 (CSS 2/86, S.32) zeigt sich verblüffenderweise keine Verbesserung gegenüber dem Amsterdam, obwohl der 28-MHz-Rechner rund viermal schneller ist und diese Aufgabe von beiden Geräten nicht aufgrund positioneller Kriterien, sondern per Rechentiefe gelöst wird. Überraschung bei Stellung 32: In nur drei Minuten löst sie der Weltmeister - als erstes Gerät überhaupt unter zehn Minuten. Und die trojanischen Tricks fruchten überhaupt nichts mehr: Die vergifteten Opfergaben lehnt er nach wenigen Sekunden ab.

16 Bit gegen 32 Bit

Aber wie sieht das Kräfteverhältnis zwischen dem Dallas und dem Titelträger des vergangenen Jahres aus? Die Turnierpartie (40Z/2h) zwischen diesen beiden Programmen aus gleichem Hause wurde zu einer waschechten Überraschung: Mit einer hervorragenden positionellen Kombination im 27. Zug riss der Amsterdam (16 Bit, 12 MHz) die Initiative an sich und besiegte den Weltmeister (32 Bit, 28 MHz) überzeugend. So spielt eben das Leben!

Fazit

Das starke Stück, dessen kostbare Elektronik die doppelte Taktfrequenz gegenüber dem Seriengerät (das bisher nur 148-mal hergestellt wurde) auf-weist, vermag wohl so ziemlich jeden anderen Computer schärfstens zu distanzieren. Dazu benötigt er keine besonderen Künste im Endspiel: Der Weltmeister erzielt seine ersten positionellen Vor-teile zumeist schon kurz nach dem Verlassen der Eröffnungsbibliothek. Außer dem Amsterdam, der gewiss noch in dieselbe Klasse gehört, ist ihm wohl derzeit kein anderes Gerät gewachsen.

Erfahrungen

CSS-Leser Frank Jermann hat einige Wochen lang Erfahrungen mit dem Mephisto Dallas gesammelt. Hier seine Eindrücke: Als eigentlich ganz zufriedener Amsterdam-Besitzer war ich zuerst recht skeptisch, ob es Richard Lang gelungen war, das Amsterdam-Programm noch einmal deutlich zu verbessern. Ich ließ die Amsterdam-Module für DM 498,-bei H + G umprogrammieren. Zurück kamen zwei Dallas-Module, wobei sich außer der Aufschrift „Mephisto Dallas 68000" nichts geändert zu haben schien. Doch dieser Eindruck sollte sich nach dem Einschalten schnell ändern.

Bereits in der Eröffnung macht sich der erste Unterschied bemerkbar. War die Amsterdam-Bibliothek bereits sehr gut, so ist das neue Eröffnungsrepertoire an Variantenreichtum kaum noch durch einen Mikro zu überbieten. Allerdings macht sich die Erkennung von Zugumstellungen mit vertauschten Farben im praktischen Spiel kaum bemerkbar. Kommt der Dallas trotzdem mal früh aus seiner Bibliothek, so zeigt sich im Allgemeinen, dass er auch hier seinen Computer-Kollegen weit voraus ist. Deutliche Verbesserungen sind vor allem in der Behandlung von Bauernstrukturen erkennbar. In der Eröffnung wie im Mittelspiel ist das Programm aggressiver geworden und provoziert so bei seinem Gegner mehr Fehler als der Amsterdam. Im Endspiel scheint alles beim Alten geblieben zu sein, wobei Freibauern, entgegen den Aussagen der Werbung, immer noch häufig genug sträflich missachtet werden. Dadurch kommen vor allem in Turmendspielen unnötige Niederlagen zustande.

Positionell ist er also um einiges stärker geworden. Es stellt sich die Frage, ob dieses enorme positionelle Wissen nicht durch eine Verringerung der taktischen Schlagkraft erkauft worden ist. Doch auch hier eine Überraschung: Das Gegenteil ist der Fall! Im Colditz-Test erreicht der Dallas eine für ein stark selektives Programm beinahe unglaubliche Schlagkraft von ca. Elo 2000.