Mephisto MM V
Mephisto MM V | ||
---|---|---|
Hersteller | Hegener & Glaser | |
Markteinführung | 1990 | |
CElo | 2005 | |
Programmierer | Schröder, Ed | |
Prozessor | 65C02 | |
Prozessortyp | 8 Bit | |
Takt | 4,9152 MHz | |
RAM | 8 KB | |
ROM | 32 KB | |
Bibliothek | Werbung: 8.000 Halbzüge, ~500 Varianten. Real: 3.832 Halbzüge | |
Einführungspreis | 398 DM (200 €) | |
Rechentiefe | 16 Halbzüge | |
BT-2450 | 1893 | |
BT-2630 | - | |
Colditz | - | |
Verwandt | Mephisto Milano | |
Zugeingabe | Magnetsensoren oder Tastatur | |
Zugausgabe | 64 Feld-LEDs | |
Display | 4-stellige 7-Segment Anzeige | |
Stromversorgung | HGN 5001 | |
Spielstufen | 9 x Durchschnittszeit, Blitz, Analyse + Mattsuche | |
Maße | Modulset | |
Sonstiges | ||
optionales Eröffnungsmodul HG 550
Der Mephisto MM IV kann durch EPROM Wechsel auf Mephisto MM V upgedatet werden. Umbau auf 64kB möglich. | ||
Level Info | ||
Bedenkzeit | Level | |
30 Sek. / Zug | - | |
30 Min. / Partie | bl 7 | |
60 Sek. / Zug | 4 | |
60 Min. / Partie | bl 8 | |
Turnier | 6 | |
Analyse | 9 |
1990 erschien das Mephisto MM V-Programm auf dem Markt und ist bis heute eines der beliebtesten Module! Dies hat mehrere Gründe: Zum Einen ist es das letzte Modul von Hegener und Glaser, das auch im Mephisto Mobil betrieben werden kann und somit "westentaschentransportabel" ist. Zum Zweiten liegt es an seinem Spielstil. Aber das Programm selbst hat noch weitere unbestreitbare Qualitäten: Schmal ist das Eröffnungsrepertoire ausgefallen, für das ein Umfang von 8000 (Real ausgelesen: 3832) Halbzügen angegeben wird. Immerhin werden aber alle Zugumstellungen erkannt. Zum Ausgleich kann man zum HG 550 Eröffnungsmodul greifen, das den Umfang auf (Werbung ca. 20.000) 14592 Halbzüge erweitert, aber im Mobil - Einschub nicht betrieben werden kann.
Das Mittelspielverhalten des Programmes ließ bei der Einführung des MM V alle diejenigen erstarren, die den Vorgänger MM IV besaßen und dessen ausgeprägt positionelle Spielweise schätzten. Das MM V-Programm hingegen spielt ein verwickeltes, taktisch geprägtes Schach. Ungewöhnlich für ein Programm des Holländers Ed Schröder. Insgesamt spielt der MM V jedoch ein deutlich stärkeres Schach als sein Vorgänger und ist eines der stärksten 8-Bit-Programme, die je geschrieben wurden. Nur seine Brüder Polgar und Milano spielen in etwa auf einem vergleichbaren Level. Leider blieb für Endspielwissen auf dem nur 32 KB großen Programmchip kaum noch Platz, so dass das Programm in dieser Phase deutlich abfällt und sogar noch hinter seinem Vorgänger zurückbleibt (s.h. Endspielposition)
Die Ausstattung ist spartanisch, aber für das reine Schachspielen ausreichend: Immerhin gibt es eine rollende Info-Anzeige für Rechentiefe, Stellungsbewertung, Zeiten und Hauptvariante (bis zu fünf Halbzüge). Dazu einen Zugzähler und das gesamte notwendige Spektrum abdeckende Spielstufen. Natürlich ist aber auch am MM V die Zeit nicht spurlos vorbei gegangen, so dass der MM V erste Wahl nur noch für diejenigen sein kann, die ein starkes Programm für ihren Mobil suchen.
Wenn man sich für einen MM V entscheidet, sollte man noch wissen, dass stillschweigend eine zweite Version des MM V (V5.1) des Programmes in die laufende Serie eingeflossen ist. Die Programmversion wird nach Druck auf die MEM-Taste gefolgt von der INFO-Taste angezeigt. Der MM V ist mit dieser allerdings nicht deutlich stärker geworden und auch der Funktionsumfang hat sich nicht geändert.
Ein nettes kleines Gerät
Der neue Mephisto MM V im Vergleichstest von Thorsten Czub (aus Computer Schach & Spiele / Heft 9 / Oktober-November 1990)
Was ist das schlimmste Schicksal des engagierten Schachcomputerfreunds? Wohnungsnachbar von Thorsten Czub zu sein! Denn der fleißige CSS-Tester kann auch den stolzesten "Top-End"-Anwender zur Weißglut bringen, wenn er wieder einmal ein neues Wundergerät zu testen bekommt.
So könnte man jubeln. Hegener+Glaser präsentiert das neueste Stück deutscher Wertarbeit, den MM V. Da lag er also nun vor mir, äußerlich nur durch den anderen Schriftzug zu erkennen. Wollen wir doch mal sehen ob innen drin etwas anderes ist, als beim Vorgängermodul, dem MM IV:
Nein. Von der Hardware hat sich nichts geändert. Seit 1987 birgt die Platine des kleinen Moduls den 65C02-Prozessor, getaktet auf 5 Mhz, ein 32-KByte Programm-ROM und dem 8KByte Rechenspeicher. Das ist nicht viel Aufwand für soviel Wirkung und Wellengang, die der MM IV seit der Zeit seines Erscheinens verursacht hat. H+G hatte also neben einigen kleinen Modifikationen lediglich das 32K Byte Programm ausgetauscht.
Umrüstung
Schon jetzt wird eines klar: H+G baut neuerdings auf Umrüstung! Denn sicherlich werden viele MM IV-Besitzer auch in den Genuss des MM V's kommen wollen! Das ist neu! Auch wenn Hegener+Glaser viel von
Nachrüstbarkeit hielt und auch sprach, bislang war damit stets nur die Modularität gemeint, was soviel hieß wie: der Kunde hatte stets ein neues Modul zu kaufen.
Immerhin kostete das jeweils 498,- ! Nachrüsten, umbrennen, das war vielleicht bei den Spitzengeräten möglich, bei den Kleinen jedoch baute man bei H+G immer auf die Kauffreudigkeit des Deutschen. Oft waren die Käufer die Geprellten wenn im nächsten Jahr ein ganz anderes Modul herauskam und es hieß: neu kaufen, umrüsten unmöglich!
Mephisto II war nicht zu Mephisto III kompatibel, dieser nicht zum Blitz- & Problemlösemodul. Das B&P-Modul nichtmal zum MM II, dieser nicht zum Rebell, letzterer nicht zum MM IV. Und auch der Mephisto Polgar treibt eigene Normen. Ja, der Polgar läuft nichtmals mehr im sehr beliebten, weil praktischen Mephisto Mobil. Und auch die Großen von H+G waren nur bedingt aufrüstbar. Ab Amsterdam bis Mephisto Roma 68000 ging alles gut, dann kam jedoch die neue Hardware und alle Roma 32-Bit-Besitzer durften kräftig in die Tasche greifen.
Also Modularität ja, Nachrüstgarantie? Nein. Ob sich das nun ändert und man auch bei H+G demnächst nicht immer gleich 498,- ausgeben muss (oder mehr) sondern vielleicht nur 100,- für eine Umrüstung? Schön wäre es ja.
Doch nun genug der grauen Theorie. Ich nehme meinen Modular, schiebe den MM V dort hinein, wo vorher ein Mephisto III tickte, und: es funktioniert. Viel Veränderung zum MM IV ist auch hier nicht zu spüren. Die Bedienung des MM V ist gleich seinem Vorgänger. Sehr gut, das spart viel Zeit und Umdenken.
Da probiere ich doch gleich noch, ob der neue auch in meinem Mobil läuft. Sapperlott. Das kleine LC-Display blinkt. Alles prima!
Punktmatrix oder 7-Segment, das ist hier die Frage!
Spätestens seit dem Erscheinen des Mephisto Almerias und des Mephisto Polgars hat Hegener+Glaser das uralte aber bewährte LC-Display durch ein größeres, mit mehr Anzeigemöglichkeiten ausgestattetes
Punktmatrixdisplay ersetzt. Seitdem sprechen die Mephistos eine klare Sprache und nicht mehr in karg stilisierten englischen Kurzbegriffen, deren Schrift und Sinn nur der Eingeweihte versteht. Es gibt aber nicht nur Lob ob dieser Neuerung. Zwar sind die neuen Anzeigen größer und differenzierter in den einzelnen Darstellungen, so ist die Schrift doch schlechter (weil kleiner und kontrastärmer) zu lesen als die alten Anzeigen (Gerüchte behaupten, das bayerische Augenärzte die Mephisto-Punktmatrixanzeigen sogar zum Testen der Sehschärfe in ihrer Praxis einsetzen, als Ersatz für die großen Buchstabentafeln, die man dort sonst verwendete).
Beim Betrachten der Punktmatrix-LCDs ist die Einhaltung des optimalen Blickwinkels sehr wichtig und auch der Leseabstand ist geringer als der bisherige. Außerdem muss H+G beim Polgar oder Portorose (bzw. Almeria) nun stets ein Punktmatrixdisplay mitliefern, und der Kunde hat das mitzuzahlen, ohne dieses funktioniert das Gerät ja nicht. Dadurch wird auch der Einsatz im Mobil verhindert. Wegen dieser Widrigkeiten ist es verständlich und zu begrüßen, dass Hegener+Glaser nun beide Geräteserien für die modularen Bretter parallel weiterführt und nicht nur noch Punktmatrixgeräte.
Der MM V wird interessant sein für alle MM IV-Besitzer, für alle die (wie ein Schachcomputerhändler sagte) "Spielstärke pur" wollen.
Bedienung
Der MM V hat noch immer die üblichen Bedienfunktionen. Wahlweise einstellbare Turnier-, Blitz- und Problemstufen. Je 8 davon. (Aber aufgepasst: wie auch schon beim MM IV sind die Blitzstufen gesperrt / nicht einstellbar, wenn beim Einschalten kein Sensorbrett oder keine Figuren auf dem Brett sind! Das ist beim Mephisto Mobil natürlich stets der Fall. Es wäre ja auch unlogisch wenn man mit dem Mobil blitzen wollte. Ohne Figuren, nur über die Tastatur, schaffen wohl nur geübte Freaks das Eintippen binnen 5 oder 10 Minuten.)
Geblieben sind auch die gewohnten Anzeigen: Wahlweise auch der Rolliermodus, der hintereinander Rechenzeit, 2 Halbzüge Hauptvariante, Rechentiefe und Stellungsbewertung blinkt. Zusätzlich, die eingefrorene Information, wie bei Mephisto üblich, abzurufen über INFO und dann a1 / b2 / c3 und den Pfeiltasten. Durch Drücken von MEM und danach INF können Sie sich übrigens über Ihre Programmversion informieren. Sie wird dann im LCD angezeigt.
Ich habe die Version 5,0 ("MM5.0") getestet.
Spielstärke
Jetzt aber zur Spielstärke.
Schnell war ich im Flur und schellte bei meinem Nachbarn, auch ein Schachcomputerfreund. "Na, hast du ihn ?", frug dieser als er mich sah. Er war natürlich schon seit Tagen auf dieses freudige Ereignis eingestimmt.
"Na klar! Bring deinen Portorose mit!", rief ich ihm hinterher, als er in seine Wohnung flitzte. Mein Nachbar hatte seinen Golf in Zahlung gegeben und fuhr seitdem viel Fahrrad, "dem Umweltschutz zuliebe", sagte er jedenfalls jedem. Seine Frau und ich, wir wussten es jedoch besser. Mein Nachbar besaß einen Mephisto Portorose 68020 im München-Gehäuse. Und beides, Golf oder 32-Biter, das saß nicht drin.
Letzteren wuchtete er jetzt lässig auf meinen Kacheltisch. Mein Mobil, der daneben lag, sah eher bescheiden aus. Spötter konnten meinen, er sei nur das Netzgerät des Portorose. Das war aber, wie sich auch noch zeigte, weit gefehlt.
FÜNFUNDFÜNFZIG SEKUNDEN ???
Wir einigten uns auf ein paar schnell eingegebene Stellungen und mein Nachbar grinste, wusste er doch um die enorme Schlagkraft seines Gefährtes. "Nimm doch zuerst Fischer-Reshevsky !" und knallte mir eine alte CSS auf den Tisch. Diese Stellung stammte aus einem alten Artikel von Bernd Schneider und mir, über den MM IV. Können Sie sich noch daran erinnern ? - Jaja, der MM IV hatte für Fischers 10.Zug ganze 26 Minuten gebraucht. Das wusste mein Nachbar.
Fast mit Lichtgeschwindigkeit gab er die bekannte Zugfolge in seinen Porto 32.
Fischer-Reshevsky
(USA-Meisterschaft NY 1958/59)
1. e4 c5 2. Sf3 Sc6 3. d4 cxd4 4. Sxd4 g6 5. Le3 Sf6 6. Sc3 Lg7 7. Lc4 O-O 8. Lb3 Sa5? 9. e5! Se8
Und er lächelte fies, denn er schien auch zu wissen, dass sein Porto 32 den Schlüsselzug 10.Lxf7+!! ohne HASH-Tabellen bereits im 30.Ast des 4.Halbzuges, nach 3'42" findet.
Da gab er meinem 8-Bit Rechner natürlich keine Chance! Aber: mein MM V löste die Aufgabe bereits im 29.Ast des 5.Halbzuges nach 55"!! "Nun ja", grummelte er, "reiner Zufall!" Klar, Zufall. Eine seiner Lieblingsformulierungen, der "reine" Zufall.
SECHSUNDDREISSIG SEKUNDEN ???
Also, schlug er die letzte CSS auf und präsentierte mir die alte Karpow:Chandler-Stellung.
Karpow-Chandler, TV-World-Cup 1983 (siehe CSS 4/90 S.12 rechts):
Chandler verpasste es, im 28.Zug (der Diagrammstellung) die Opferkombination 28...Dxh2+!! anzubringen und zog leider Sxg3.
Mein Nachbar wusste natürlich, wie vertrackt diese Stellung war. Vor allem weil auch sein Porto 32 damit so seine Schwierigkeiten hatte. Na und meinem MM V traute er deswegen diese Stellung gar nicht zu. Nur die besten Brute-Force Rechner halten sich hier wacker.
Nun, ich hatte gerade die Stellung eingegeben, da spuckte mein MM V auch schon die Lösung aus, und es waren nur 36" vergangen!! Mein Nachbar wollte mir das gar nicht glauben! Er überprüfte alles noch einmal selbst, während sein Porto 32 noch immer 28...Dh5 erwog. Erst nach langer Zeit zog sein Porto 32 den Schlüsselzug. Schauen sie mal selbst nach! Die 36" meines MM V sind jedenfalls nicht schlecht, oder?
Wo reiht sich ihr Gerät ein ?
Cray Blitz 1" (Großrechner) Mach III Master in 19" (16 Biter !) MM V in 36" (8 Biter !!) Mephisto Atlanta in 37" +SEL Super Forte B 5 Mhz sel.7 in 2'50" sel.3 in 4'35" Fidelity Display 12 Mhz in 7'38" Super Forte C 5 Mhz sel.7 in 12'10" Super Forte A (sel. on) in 25'50" MM II in 35'50" Fidelity Display 3 Mhz in 35'58" Academy in 38'40" Super Forte C 5 Mhz sel.3 in 39'10" Super Forte (sel. off) in 40'43" Elite A/S in 54' Mach II C+ in 1h 04' Mephisto Portorose 32 Bit in 1h 04' (Lach!!) Super Constellation in 3h 58' Analyst B,D 8Mhz nicht in 13h Excel 68000 nicht in 1h Rebell 5.0 nicht in 2h 30'
SIEBZEHN SEKUNDEN ???
Mein Nachbar gab sich noch nicht geschlagen. Wieder bemühte er Fischer. Diesmal den 13-jährigen gegen Donald Byrne, NY 1956.
Nach den Zügen:
Donald Byrne - Fischer
1. Sf3 Sf6 2. c4 g6 3. Sc3 Lg7 4. d4 O-O 5. Lf4 d5 6. Db3 dxc4 7. Dxc4 c6 8. e4 Sbd7 9. Td1 Sb6 10. Dc5? Lg4 11. Lg5? Sa4! 12. Da3 Sxc3 13. bxc3 Sxe4! 14. Lxe7 Db6! 15. Lc4 Sxc3! 16. Lc5 Tfe8+ 17. Kf1
kam es zu folgender Stellung:
Fischer zog hier nun folgerichtig und genial:
17...Le6!!
Wie lange würden die heutigen Schachcomputer brauchen? Bevor ich noch dazu kam, die Stellung in meinen Mobil einzuhämmern, hatte mein Nachbar mit der schnellen Stellungseingabe über die 4 Cursortasten schon alles intus. Bereits nach 1'10" schrie er wild, ich war gerade dabei meine Stellungseingabe abzuschließen, "er hat es!!" Fast hätte er den ganzen Tisch umgeschmissen! Bravo, meinte ich auch, und drückte ENTer. Wir beide hingen über dem "mickrigen MOBIL-LCD". War eben kein Punktmatrixdisplay sondern nur ein vorsintflutliches 7-Segment-Display. Eigentlich kann man das aus mehreren Metern ablesen, aber mein Nachbar war es von seinem Porto gewohnt, bis auf 10cm Sichtweite heranzugehen.
Wir brauchten nicht lange in dieser typischen Punktmatrixdisplaynahkampfhaltung zu verweilen, denn nach nur 17" sprang mein MM V auf Läufer e6 um! Ich erklärte meinem verdutzten Nachbarn, dass bereits vor erscheinen des Mephisto Rebells mein Kollege N.H. Yazgac in einem großangelegten Test (CSS 4/86) folgende Rechenzeiten ermittelt hatte. Ob ihn das ablenkte? Wenn man da nun die 2 gerade ermittelten Zeiten hinzufügt sah das so aus:
Mephisto Atlanta 11" MM V 17" Novag Expert 29" Mephisto Portorose 32 1'10" Super Conny 2'23" Conchess Amsterdam 11'22" Mephisto III (8 Bit) 17'43" Mephisto Amsterdam 18'33" Avant Garde 19'14" Mark VI 19'32" Mark V 19'50" MM II 20'55" Excellence 30'
Hm. Wo ist ihr Gerät?
Meinem Nachbarn reichte es. Er sagte, er gäbe heute keine Stellung mehr in seinen Porto 32 ein. Das wäre sowieso nicht aussagekräftig. Er würde nur noch Partien spielen. Danach war mir jetzt aber noch gar nicht zumute. Diese enormen Lösezeiten hatten mich alarmiert. Konnte so etwas denn sein? Oder hatte Ed Schröder sich die klassischen Teststellungen vorgenommen und sein Programm darauf getrimmt? Um das auszuschließen nahm ich mir die letzte Computerschach und Spiele (CSS 4/90) zur Hand. Unter der beliebten Rubrik: "Aufgaben für Mensch und Computer" stand da auch eine Aufgabe (S.27 rechts unten, Morphy) mit Vergleichslösezeit des Portorose 32.
Die Stellung war ein Matt in 8, nur mit Schachgeboten.
Paul Morphy
1. Df7+ Kxf7
2. gxh8/S+ Ke8
3. Sg7+ Kd8
4. Sf7+ Kc7
5. Se8+ Kc6
6. Se5+ Kb5
7. Sc7+ Kxa5
8. Sc4++
1-0
Flugs war die Stellung in meinem MM V. Mein Nachbar schaute dem ganzen aus entsprechender Distanz zu. Bereits nach 1'43" kündigte mein kleiner MM V auf Analysestufe Lev.9 ein Matt in 8 an. Damit war er wieder einem gewissen Münchner Gerät mit 32 Registern "etwas" voraus !
MM V 1'43" Portorose 32 Bit 23' Super Forte C 5 Mhz 26'26" (sel.5,Infinite) Roma 32 Bit 4h 00'00"
nicht gelöst oder abgebrochen: Mephisto Atlanta: 18h30' Atlanta bei 14_1 angelangt; Versagen vermutl. wg. Null-Move-Verfahren 7h40' Mattsuchstufe "# in 8": Atlanta bei 7_6 angelangt gibt man jedoch den ersten Zug vor, 1. Df7 Kxf7, wird das Matt in 7 sofort gefunden
Zuallerletzt an diesem Abend setzten wir (eigentlich war ich es jetzt, der den Porto bediente. Mein Kollege hatte ja gesagt...) dann doch noch eine Stellung auf den Portorose 32 Bit und in den MM V. Ich hatte sie einmal in einem Artikel über den Leonardo Maestro B mit TurboKit verwendet.
In der Stellung geht es darum der Versuchung des Fraßes 1...Sxc2?? zu widerstehen, da sonst der 2.weiße Turm mittels f3 auf die h-Linie gelangen kännte und von dort das Spiel machte.
Schwarz muss deshalb statt des Bauernfraßes etwas anderes ziehen. Z.B. 1...Se6 oder noch besser 1...Tc8.
Gemessen wurde die Zeit, bis der Computer den Bauernraub verwarf.
Auch hier zeigt sich der Fortschritt des MM Vs im Vergleich mit seinen Konkurrenten und dem Vorgängermodul :
MM V 20" 13 mal schneller als MMIV Super Forte C 25" der SFC hält gut mit MM IV 4'28" der Vorgänger Portorose 32 Bit 1'58" aha! Analyst D 8 Mhz 6' Roma 16 Bit 6'23" Analyst B 8 Mhz 30'53 Maestro A 6 Mhz 1h 2'
So kann man nach einigen Stellungstest sagen: war der MM IV nicht gerade ein guter Lösecomputer für Stellungsfreunde, und hatte er noch echte taktische Probleme, so kann der MM V in vielen Stellungen nicht nur mit besseren Ergebnissen aufwarten, er ist sogar so gut, dass er den postulierten stärksten taktischen Rechner nach Deep Thought, den Portorose, das Fürchten lehren kann.
Hier noch einmal in Gegenüberstellung die Zusammenfassung der Ergebnisse der 5 Stellungen:
Porto 32Bit MM V 1. Fischer - Reshevsky 3'42" 55" 2. Karpow - Chandler 1h 4' 36" 3. Fischer - Byrne 1'10" 17" 4. Morphys Matt in 8 23' 1'43" 5. Sxc2 ?? verworfen nach 1'58" 20"
Nicht schlecht für einen 8 Bit-Prozessor ohne Hash Tables und mit nur 8 KByte Speicherplatz (der Porto 32Bit hat 128 mal soviel!), oder ?
Partien
MM V - Portorose 32Bit
In den nächsten Tagen verbrachten mein Nachbar und ich so manchen Tag im "gemütlichen Beisammensein" mit dem Partiespiel zwischen diesen 2 Geräten. Das ein oder andere Mal wurde es eine hitzige Angelegenheit deren Verlauf ich Ihnen auf gar keinen Fall vorenthalten möchte.
1.Turnierpartie
Mephisto Portorose 68020 - Mephisto MM V
1. b3 c6 2. Lb2 d5 3. Sf3 Sf6 4. e3 Lg4 5. Le2 e6 6. O-O Ld6 7. h3 Lh5 8. c4 O-O 9. Sc3 Sbd7
Nach dieser modernen Partieanlage duch den Weißen kam es zu einem ausgeglichen Spiel. Obwohl der MM V im Verlauf der Partie mit einem Turm gegen Springer und 3 Freibauern vorlieb nehmen musste, konnte er im Nachhinein mit einer überraschenden Pointe aufwarten. Weiß hatte gerade 72.Df5+ gespielt:
72. ... Kg8
73. h5 Td2
74. Dg4 Dh2+
75. Sg2 Td8
Weiß scheint sicher und Schwarz muss sich um lästige Schachs kümmern, da er sich ja schon besser fühlt als Unentschieden.
76. a4 Kh8 77. b4
Der Porto muss sich nun auch um die Beförderung seiner Bauern kümmern.
78. ... Dh1
Jetzt hat Porto eine Figur zum Schachgeben freibekommen. Nämlich den Sg2.
78. Sh4??
Hätte ich MM Vs Lehrer eingeschaltet, so hätte dieser nun mit lautstarken 4 Fragezeichen einen Fehler reklamiert, der dem Portorose peinlich genau erklärt, was er verkehrt gemacht hat (besser wäre nämlich Df3 gewesen) und auch, was ihn das z.Zt. kostet (laut MM V ganze 2,69 Bauern).
78. ... Td1 79. Sg6+ (Ein sogenanntes Racheschach!) Kh7 80. Se5??
Das hätte wieder 4 Fragezeichen gekostet, und die Partie. Aber - die wäre auch nach 80.Sf8+ verloren gewesen.
So aber...
...kündigt der MM V nach 38"
(Na Herr Weiner - schneller kann's keiner!)
ein Matt in 7 an. Na- raten Sie doch mal, wo der weiße König mattgesetzt wird. Wo?
80. ... Tf1+ M7!! 81. Ke3 Dg1+ 82. Ke4 Dd4+ 83. Kf5 Tf8+ 84. Ke6 Tf6+ 85. Ke7 Dd6+ 86. Ke8 Tf8++ 0-1
Sie müssen sich meinen Nachbarn vorstellen. Nach dem Tag davor, wo wir nur diese wenigen Stellungen eingaben, war er schon innerlich so ziemlich "gebrochen". Da hatte er nun seinen Golf gegen ein Fahrrad... Nun ja. Er saß vor diesem großen Holzbrett und wollte es nicht glauben. Und wieder einmal war bewiesen: nicht die Hardware entscheidet über die Güte eine Schachcomputers. Es immer der Geist der sich in oder hinter der Software versteckt.
Das sagte ich auch meinem Nachbarn. Er starrte den Mobil an. Hielt das schmächtige Gerät prüfend in der Hand. "Ja-" sagte er. Ein langgezogenes, erschöpftes, denn die Partie dauerte immerhin lange und war schmerzhaft. "Ja-" kam es wieder hervor - diesmal etwas gepresster. "Das ist schon ein nettes kleines Gerät !"
An diesen Abend drang das unruhige Schnarchen meines Nachbarn durch dünnen Wände unseres Mietshauses. Er schien am nächsten Tag unausgeschlafen, fahrig und hatte Ränder unter den Augen.
Aber die 2.Turnierpartie ging Remis aus- "nur Remis?" schaute er mich fragend an. Das war nicht gehässig gesagt. Eher verzweifelt und er meinte auch- sein Porto müsste doch auch mal gewinnen. "Vielleicht morgen!" antwortete ich. "Ja!" sagte er und ging eines schweren Schrittes von dannen.
Noch ein Schock: Theorie ist nicht heilig!
Am 4.Tage geschah es dann. Wir wissen längst, und so mancher Schachspieler der in seinem Leben wenig nach dem WARUM und mehr nach dem WIE gefragt hat, wird es noch bitter spüren müssen, die Theorie die wir Menschen uns im Laufe der Jahre so angelernt haben, sie muss nicht immer der Weisheit letzter Schluss sein. So kam es, was längst kommen musste:
3.Turnierpartie
Mephisto Portorose 68020 - Mephisto MM V
1. c4 e5 2. Sc3 Sf6 3. Sf3 Sc6 4. g3 Lb4 5. Sd5 e4 6. Sh4 Lc5 7. d3
Noch ist alles Theorie. Der Porto protzt aus seiner großen Bibliothek, sein großes Hauptprogramm ist vollgestopft mit Stellungen die seine menschlichen Schöpfer ihm eingegeben haben.
Natürlich kann er nichts dafür, wenn seine fehlerhaften (weil nur menschlichen) Väter ihm etwas eingeben, was noch nicht der Weisheit bester Schluss ist. Aber bitte, diskutieren wir:
7...exd3 8. Dxd3 Se5 9. Dc3?
Wirklich fragwürdig, dieser vom Porto gespielte THEORIEzug. Stellt man die Bibliothek ab, so spielt er auch selber das vielleicht bessere Db3. So aber, und wieder würde der Lehrer meines MM Vs Amok piepen: ein Fragezeichenzug: verliert 1,17! Nun, jeder Mensch sieht klar was nun so schön geht. Jeder Computer erst recht. Aber die Theorie, die Theorie des Portorose - sie verlässt ihn nun nach
9...Lxf2+
denn mit diesem Zug scheint die Theorie des Porto oder dessen theoretischen Genies, nicht gerechnet zu haben. Oh weh - hätte er doch nur im Spiel gegen einen Computer seine Theorie ausprobiert. Übrigens: Die einprogrammierte Theorie des Computers hätte 9...d6 erwartet und hat darauf 10.Lg2 c6 11.Se3 Db6 parat. Nun - ein paar Stellungen die umsonst gespeichert sind, oder?
Was sagen unsere Leser dazu ?
10. Kd1
Die Rochade ist futsch, der Bauer weg, was bleibt ist ein wenig Entwicklungsvorsprung.
10... d6 11. Lg2 Sxd5 12. cxd5 O-O
Jetzt hat Weiß eigentlich nichts. Nur eine schlechtere Stellung. Wenn der Porto jetzt wenigstens versuchen würde gekonnt (seinem Titel gerecht werdend) weiterzuspielen.
13. Tf1 Lb6 14. Ke1?! Lg4 15. h3 Lh5 16. Tf5 g6 17. Tf1
Der schwarze Läufer h5 ist zwar eingeengt, aber auch der Springer h4 ist hat so seine Schwierigkeiten. Da der Bauer g3 nicht vorrücken kann, ohne dass der Sh4 mit Schach fällt, ist der weißfeldrige Läufer h5 natürlich sicher. Ansonsten steht der Porto immer noch nicht gut. Schwarz spielt sicher und ohne seine Vorteile zu vergeben.
17... Te8 18. e4 c6 19. Db3 La5+ 20. Kf2 cxd5 21. Dxd5 Db6+ 22. Le3 Dxb2+ 23. Kg1 Lb6 24. Lxb6 Dxb6+ 25. Kh2 Dc6
Nun kann Weiß seine Drohungen am Königsflügel einlösen.
26. g4 Dxd5 27. exd5 g5 28. Sf5 Lg6 29. Sxd6 Te7 30. Sf5 Td7 31. Tae1 Te8 32. Kg3 h5 33. gxh5 Lxh5 34. d6 Kf8 35. h4 gxh4+ 36. Kxh4 Le2 Und nun? Noch immer hat Porto 1 Bauer weniger. 37. Tf2 Ld3 38. Tc1 Lxf5 39. Txf5 Txd6 40. Lxb7 Kg7 41. Tc7 Td4+ Da am Rand ist es eng, oder? 42. Kh3 Kg6 Ui ist das eng. 43. Tf2 Th8+ 44. Kg2 f5 Alles marschiert gegen den weißen König. 45. Lc8 f4 46. Lb7 Kf5 Während Weiß nur abwartet, Schwarz hat Züge. 47. Tfc2 Td3
48. Kg1?
Auch 48. Lc8+ bringt am Ende nicht mehr, schiebt es nur auf. Hier ist wahrscheinlich nichts mehr zu machen. Die weiße Stellung kann die schwarze Übermacht nicht mehr aufhalten.
48...Td1+ 49. Kg2 Tdh1 50. Kf2 T8h2+ 51. Lg2 Sg4+ 52. Kf3 Tf1+ Schön, nicht? 53. Ke2 Txg2+ 54. Kxf1 Se3+ 55. Ke1 Sxc2+ 56. Kd1 und 0:1
Enttäuschter Nachbar
Von da an hatte mein Nachbar keine Lust mehr. Nach 3 Partien stand es nun für ihn enttäuschende 2,5 : 0,5. Er hatte ein Matt in 7 binnen Sekunden und einen wahrscheinlichen Theoriefehler seines Lieblingscomputers erlebt. Seine Toleranz war geschwunden. Er nahm seinen Porto mit, und ließ sich nicht mehr bei mir blicken.
In diesen einsamen Tagen, ohne ihn, nur mit dem MM V allein, musste ich viele Bekannte besuchen. Einer von denen hatte einen Siemens AT, das ist so ein Industrierechner mit halbwegs IBM-Standard auf dem man seine Geschäftsunterlagen bearbeitet und so. Aber - mein Bekannter hatte auch PSION-CHESS für diesen seinen MS-DOS Rechner. Und da mein Mobil mich nie alleine lässt, hatte ich selbstverständlich den MM V dabei. Was lag also näher, als eine nette Turnierpartie:
1.Turnierpartie
Mephisto MM V - PSION CHESS (MS-DOS)
1. e4 c5 2. Sf3 d6 3. d4 cxd4 4. Sxd4 Sf6 5. Sc3 Sc6 6. Lg5 e6 7. Dd2 Le7 8. O-O-O d5 9. exd5 Sxd5
Schwarz spielt positionell nicht gerade sicher.
10. Lxe7 Scxe7 11. Lc4 Sxc3 12. Dxc3
Die offene d-Linie tut Not. Schwarz steht mies und müsste die Linie schließen oder mit einer Gegendrohung aufwarten oder die Dame in Sicherheit bringen.
12... Db6
PSION tut das letztere. Aber schon zu spät.
13. Lb5+ Kf8 14. The1 Der MM V fühlt sich 0,69.
Wie steht Schwarz nun da?
14... a6
15. Da3!! Einfach herrlich. Der MM V entwickelt sich nicht nur harmonisch, er spielt auch taktisch gewitzter denn je.
15... Dc7
Der Schwarze meint, damit wäre es getan. Aber sehen sie (mein Bekannter ging in eine nervöse Hockstellung):
16. Sf5!! + 1,30
Und schon 2 weiße Figuren hängen an schwarzen Bauern, und dürfen alle nicht genommen werden. Eigentlicher Spezialist für solche "hängenden Gärten" war der legendäre Super Conny. MM V wandelt hier auf dessen Spuren. Die Bewertung ist noch sehr bescheiden. In Wirklichkeit ist die Partie schon vorbei.
16... f6
17. Td7!! nach 10'16" mit + 9,99 !!
Uff. Hinsehen. Immer wieder hinsehen. Sowas nettes.
17... Df4+
Kennen Sie das noch? Unser altbewährtes Racheschach!
18. Kb1 6'25" und Kommentar: M6 !
Weiß zieht den König beiseite und kündigt ein Matt in 6 an (es ist zwar nur ein Matt in 5, aber wir wollen doch nicht so kleinlich sein. Dieser Effekt des "Übertreibens" kennt man von Schachcomputern)!!
18... Kf7 19. Txe7+ (der MM V korrigiert seine Mattansage auf ein Matt in 4 Zügen!
19... Kg6 20. Txg7+ Kxf5 21. Dd3+ De4 22. Dxe4++ 1-0
Ein anderes mal besuchte ich einen Bekannten mit einem Novag Super VIP. Wir hielten unsere kleinen Reisegeräte auf dem Schoß und saßen auf seinem Sofa während der Rest seiner Familie um uns hertanzte.
Mephisto MM V - Super-VIP
1. e4 e5 2. Sf3 f5 3. Sxe5 Df6
Das Lettische Gambit. Der Super VIP hat denselben Geschmack wie ich, denn das spiele ich auch mit Vorliebe. Allerdings spiele ich es etwas anders als er.
4. d4 d6 5. Sc4 fxe4 6. Se3
Das ist eine Idee von Nimzowitsch. Gut geht hier auch 6.Sc3. Der MM V hat nette Varianten einprogrammiert.
6... Se7
Das ist nicht üblich. Normal wäre nun c6 und anschließend d5 gewesen. Schwarz legt seine Bauernkette fest und Weiß stemmt den Bauern c4 dagegen, was er nach 6.Sc3 nicht so ohne weiteres gekonnt hätte. So aber...
7. Sc3 Lf5 8. Lc4
Eine Zeit lang spekulierte MM V den Läufer f5 mit seinem Springer zu eleminieren, entschloss sich dann jedoch für die Aufrechterhaltung der Spannung und weitere Entwicklung durch den weißfeldrigen Läufer nach c4.
8... c6
Schwarz hätte Gelegenheit gehabt den Läufer zu retten (Lg6), so aber lässt sich der MM V seinen Plan von vorhin nicht entgehen.
9. Sxf5 Dxf5 10. Le2!
Nach c6 mit der Idee d5 und einer fixen Bauernkette hat der MM V den Mut seine Figuren neu umzugruppieren. Der Läufer würde sich jetzt gut auf g4 machen und so die leere Diagonale h3-c8 bestreichen, so verkündet seine Hauptvariante.
10... De6 11. Lg4 Sf5 12. d5! De5 13. O-O
Hier steht Schwarz schon sehr schlecht.
13... Se7 14. f4! exf3ep 15. Dxf3 Sxd5?
Oh, dieser Bauer war natürlich vergiftet.
16. Df7+ Kd8 17. Sxd5 Dxd5 18. Dxb7 Dd4+
Ich brauche an dieser Stelle wohl nicht erwähnen, dass zu einer interessanten Partie auch ein Racheschach gehört? Ja - und diese Partie weist gleich 2 Stück hintereinander auf. "Zwei Stück?" werden sie jetzt denken. Aber wie? Weiß spielt nun Tf2 (oder Kh1), dann schlägt die schwarze Dame den Lg4 ...
Falsch gedacht.
Welcher andere Schachcomputer spielt (nach immerhin 15' Rechenzeit)
19. Le3 !!
lenkt so die schwarze Dame ab (Bedingung Nr.1)...
19... Dxe3+ 20. Kh1
geht mal kurz mit seinem König an die Seite,
20... h5
... und (Bedingung Nr.2) kündigt mit
21. Dc8+!!
nach nur 2'19" (!!!) ein Matt in 8 Zügen auf Turnierstufe an!
Na, wie gefällt Ihnen das ?!
21... Ke7 22. Tae1!
Dieser stille Zug zeigt macht es so schwer. Aber ohne diesen geht es nicht. Ich nehme an, der MM V hat das schon alles im 19.Zug gesehen, denn er kündigte etwas an, und die Anzeige spielte dann nach INFO+A1 verrückt. Wahrscheinlich kann der MM V wohl ein Matt finden, dass tiefer ist als seine max. Rechentiefe von 16 Halbzügen, das Ganze führt dann aber zu kuriosem Verhalten.
22... De5 23. Txe5+ dxe5 24. Dc7+ Ke8 25. Df7+ Kd8 26. Td1+ Ld6 27. Txd6+ Sd7 28. Dxd7++ 1-0
Mein Bekannter hatte so etwas überhaupt noch nicht erlebt. Er kannte weder den Fidelity Mach III noch den Novag Super Forte B oder Novag Super Expert C die so grandiose Mattankündigungen und Hasardpartien spielen.
Ergebnisse
Insgesamt spielte ich noch viele Partien. Auch konnte ich meinen Nachbarn wieder zum Weitermachen bewegen, er riss sich zusammen, und am Ende tat es auch gar nicht so weh, wie er befürchtet hatte.
Fast Remis gegen den Porto
Tatsächlich gelang seinem Porto 32 so manche Revanche-Partie (wenn diese auch bei weitem nicht so spektakulär und showdownartig waren), und am Ende des Turniers siegte der Portorose mit 6:4 Punkten bei 4 Remisen. Wegen der nur knappen Niederlage ist es ein erstaunliches Resultat. Es zeigte sich dabei, dass der MM V kein Taktikbulle war, wie man vielleicht nach so manchem Gefecht vermuten könnte, sondern ein sehr selektives, mit einem ausgezeichnet ausgetüfteltem Schlag-Schach-Algorithmus versehenes, Programm ist.
Der MM V gleicht eher einem Mephisto III oder Analyst D als einem Super Forte C, d.h. er verfügt über enorme selektive Spitzen. Anders als der Polgar, der wohl Schröders erste Versuche mit diesem Schlag-Schach-Algorithmus darstellt, hat der MM V kein Defizit an positionellem Spiel erlitten. Der Mephisto Polgar spielte taktisch sicher, weil auch schon bei geringer Rechentiefe die Schlagzüge enorm tief verfolgt wurden, jedoch außer seinem aggressiven Spiel, positionell sehr blind. In den Hauptvarianten des Polgars konnte man fast nur irrelevante Schlagzugfolgen wiederfinden, die oft jeder Realität entbehrten, was beim MM V nicht der Fall ist.
Also ähnelt der MM V in seiner ganzen Spielanlage mehr einem taktisch stärker gewordenen MM IV als dessen Nachfolgeprogrammen (Academy/Polgar etc.). Trotzdem ist er von der Ausstattung im Vergleich zum Polgar eben nur mäßig ausgerüstet. Auch zeigt sich, dass die alte Hardware des MM IVs, die den Programmierer in die Schranken von 32K-Byte ROM (Programmlänge) zwangen, auch zu Nachteilen für den MM V geführt haben. So beherrscht der MM V manche Bauernendspiele nicht mehr so gut, und überhaupt ist das Endspiel seine schwächste Seite. Aber seine Gegner müssen erst mal beweisen, dass sie ins Endspiel gelangen können.
Noch immer ist der MM V anfällig für taktische Angriffe, ist jedoch mittlerweile soviel besser dagegen gerüstet, dass ich da keine Probleme sehe, denn wenn der MM IV trotz seiner taktischen Anfälligkeiten so gut mitschwomm, was vermag dann der MM V zu leisten?!
Ich habe in diesem Artikel nur die Bonbons präsentiert. Ich wollte Ihnen die Leistungsfähigkeit des kleinen und preiswerten Moduls zeigen.
Ich bin mir bewusst, dass nun Erwartungen geweckt werden, die vielleicht schon in nächster Zeit durch gehässige Kurzpartien zerstört werden könnten, z.B.: "Ich Heinz X habe INGO 207 und schlug meinen MM V auf Turnierstufe in 15 Zügen mit folgender Partie (1.h4 e5 2.h5 ... ) " oder "In dieser Stellung spielt mein MM V den Zug x während mein MM IV richtig den Zug y spielt! Deswegen bin ich der anderen Meinung als Herr Czub, dass der MM V eher eine Verschlimmbesserung ist..."
Ich hätte Ihnen gerne noch mehr berichtet, aber dafür ist an dieser Stelle nicht genug Platz und auch nicht genug Zeit. Seien Sie also darauf vorbereitet: der MM V ist noch nicht DER PERFEKTE SCHACHCOMPUTER.
Aber wir sind wieder einen Schritt näher am Ziel. Der Platz im ROM konnte ED SCHRÖDER nicht ausreichen um aus dem MM IV durch eine bloße Softwareveränderung einen Weltmeister zu machen. Er konnte keine komplizierten und umfangreichen Bauernendspieltabellen unterbringen, wie das der Polgar hat und deswegen Bauernendspiele besser beherrscht. Der RAM-Speicher des MM Vs ist nicht ausreichend groß genug um HASH-Tabellen einzubauen, Ed Schröder musste auch hier improvisieren. Die Rechentiefe des Moduls hätte ruhig tiefer sein können, das hätte aber einen größeren Speicher erfordert, eben eine neue Hardware. So kommt es vor, dass der MM V trotz Analysestufe schon im 12. oder 9. Halbzug abbricht, weil sein Speicher wohl bereits voll ist und er nicht tiefer kann. Auch die hohe Selektivität hat mitunter seinen Preis. In einer Partie gegen den Super Forte C kam es zu einem richtigen Blop, d.h. er schien keine 2 Halbzüge Brute Force gerechnet zu haben, denn er verlor einzügig und einfach so eine Figur, und somit die Partie, will sagen: Zug, nicht erwarteter Gegenzug und dann, nach Ausführen desselben erkennt auch der MM V den Verlust.
Perspektiven
Während Richard Lang mit viel Hardwareaufwand die Weltmeisterschaften gewinnt und sein Programm im Laufe der Jahre
immer größer, und immer mehr zu einem Brute Force-Rechner machte, geht Ed Schröder den Weg in die andere Richtung. Er hat die selektive Spitze von 3 Halbzügen des MM IVs wahrscheinlich erweitert und trotzdem ist sein Programm nicht schwächer geworden sondern viel stärker.
Ed Schröder hat mal gesagt, ich habe es irgendwo gelesen, dass er ein Verfechter der 1-Ply-Methode ist, d.h. eines Schachprogramms, dass nur 1 Halbzug tief rechnet, sozusagen über statische Kriterien, die tiefe Baumsuche ersetzend, zum Ergebnis kommt.
Wollen wir hoffen, dass er sich nicht durch die immer schneller werdenden Möglichkeiten der Technik dazu verleiten lässt, seine Programme nur noch mehr Berechnungen durchführen zu lassen, sich also auf das Mehr an Quantität zu verlassen, statt zu versuchen, das Aussortieren und Eliminieren von unwesentlichen Zügen zu verfeinern, um am Ende dann einen Algorithmus zu präsentieren, ein Programm, das mit wenig erzeugten Stellungen, besser Schach spielt, als jene Großrechenanlagen, die mehr als eine Million Stellungen in der Sekunde bewerten, und eigentlich statt Schach zu spielen, Sandkörner am Strand zählen, nur dass die Körnchen in Wirklichkeit Schachzüge sind.
Ich schätze den MM V stärker ein, als den Mephisto Polgar (5 Mhz). Der Abstand zwischen dem 32-Bit Weltmeister und seinen 8-Bit Verfolgern ist erneut geschrumpft.
Kurzkritik:
Was mir gefiel:
- günstiges Preisleistungverhältnis
- große Spielstärke (mit Super-Forte C in einer Klasse und stärker als Mach III, Polgar und Roma II) bei gleich gebliebenem positionell raffiniertem Spiel.
- nachrüstbar in die MM IV-Module
- läuft in allen Geräten der modularen Serie, auch im Mobil
- im Gegensatz zum MM IV jetzt auch für so manche schnelle Lösezeit gut
Was mir nicht gefiel:
- im Endspiel schlechter als in der Eröffnung und im Mittelspiel. Wegen der alten Architektur zu wenig festes Wissen einprogrammiert.
- wegen der Nachrüstung nur spartanische Ausstattung(kein Partiespeicher, kein Interface zum PC, keine Hash Tables)
- ebenfalls wegen der alten Architektur, zu kleiner maximaler Rechenhorizont von max. 16 Hz.! Effektiv jedoch nur 10-12 Hz. (Speicherüberlauf). Deswegen für Fernschach und Langzeitanalysen nur bedingt einsetzbar.
Ich vermute, dass bei gleicher Hardware, Ed Schröder jetzt schon das stärkere Schachprogramm programmieren könnte, als Richard Lang. Wer wird nächster WM ? Richard Lang auf einem Motorola 68040 oder Ed Schröder auf einem RISC- System ?
Übrigens: Ich fragte ja, welcher andere Schachcomputer sowohl den 19.Zug Le3!! als auch im 21.Zug Dc8+ (mit Mattankündigung) in vertretbarer Zeit schafft. Einen Schachcomputer nenne ich mein Eigen, auch ein Mephisto, allerdings ein Veteran, den Mephisto III S 68000 (16 Bit), der das Matt nach 1'21" (MM V immerhin 2'19") findet. Allerdings kündigt er ein Matt in 7 an. Was es nun ist, ein Matt in 7 oder ein Matt in 8, das hoffe ich durch Sie bald zu erfahren.
Bis bald...
Thorsten Czub
Zu diesem Artikel ein paar Anmerkungen:
Diesen Text schrieb ich schon damals. Der Artikel erschien in der CSS 5/OKT-NOV 1990 und war die Titelstory. Dieter Steinwender hat aber leider das Ende stark gekürzt. Vor allem das ich die Frage aufwerfe, ob Ed Schröder nicht schon JETZT Richard Lang überholt hatte, und wer denn der neue WM wird, das hat Dieter alles damals "gekürzt". Ich bin sicher, weil dies H+G nicht gepasst hätte, und er im vorauseilenden Kadaver-Gehorsam entsprechend Burgfrieden halten wollte. Schade. So hat Ed damals nicht erfahren, das ich mir schon bei der Abfassung dieses Artikels gedacht habe, das er den Titel holt, sofern er nur eine stärkere Hardware bekäme. 4 CSS-Ausgaben später war meine Prophezeiung wahr geworden. In der CSS 3/Juni-Juli 1991 berichtete die CSS schon im Titel mit einem jubelnden Jan Louwman über Ed Schröders Sieg bei der 11.Schachweltmeisterschaft für Mikrocomputer in Madrid (Günter Niggemann berichtet im Editorial der CSS über die WM. Und auch einmal wieder über unrühmliches und regelwidriges Verhalten des Turnierleiters.). Er hatte sich selber bei Tasc schnellere Hardware (die ChessMachine) "besorgt" (bei H+G wäre er ja ewig zweite Geige per Stallorder gewesen) und den Titel geholt. Es waren diese unberechtigten Kürzungen an wesentlichen Aussagen meiner Artikel , von Menschen die kein Gespür und keine Selbsteinschätzung für Computerschach haben, die mich am Ende die CSS verlassen ließen. All die Mühe, die ganze Arbeit um ein Gerät ordentlich zu rezensieren, und dann streicht und editiert die Redaktion nach belieben die Texte zurecht wie die katholische Kirche ihre Heilige Schrift kanonisiert hat oder der Karl May Verlag "seinen May" verbricht. Das waren die berühmten Perlen... Da war es dann genug. Und die Tropfen im Fass, die es zum Überlaufen brachten. Ich habe dann nicht mehr für Leser geschrieben, sondern meine Anmerkungen lieber den Programmierern direkt gesagt. Die haben einem keine Maulsperre umgehängt, sondern die wollten immer die Wahrheit hören. Seitdem habe ich viel mehr Spaß am Computerschach. Weil man mit Menschen zu tun hat, die Ahnung haben. Um die Entwicklung, die das Medium "Computerschachzeitung" in der Bedeutung für die Meinungsmache eingenommen hat, tut es mir allerdings sehr leid. Es geht doch mehr um Abzocke als um Erkenntnis.
06.08.2002
Gegen den MMV spielen - ohne Schachcomputer!
Die Emulation M.E.S.S. und freundliche ROM-Freigabe von Ed Schröder ermöglichen es heute, auch ohne den schönen Schachcomputer Partien gegen das MM V-Programm zu spielen, auch gegen eine "getunte" Version mit höherer Taktfrequenz! Einfach auf der Homepage von Ed die Datei herunterladen, installieren und die Herausforderung annehmen: [1]
YouTube Video by Vince Gum