Mephisto Wundermaschine

aus Schachcomputer.info Wiki, der freien Schachcomputer-Wissensdatenbank
Die druckbare Version wird nicht mehr unterstützt und kann Darstellungsfehler aufweisen. Bitte aktualisiere deine Browser-Lesezeichen und verwende stattdessen die Standard-Druckfunktion des Browsers.
Mephisto Wundermaschine

C Steve Blincoe

Hersteller Hegener & Glaser
Markteinführung 1993
CElo 2350
Programmierer Lang, Richard
Prozessor 80486
Prozessortyp 32 Bit
Takt 66 MHz (Prototyp 33 MHz)
RAM 4 MB
ROM Mephisto Genius 2
Bibliothek > 100.000 Halbzüge
Einführungspreis ca. 15.000 DM (ca. 7.500 €)
Rechentiefe
BT-2450
BT-2630
Colditz
Verwandt Mephisto Genius 2 / Genius 5
Zugeingabe Magnetsensoren
Zugausgabe 64 Feld-LEDs
Display S/W LCD Bildschirm
Stromversorgung Netz 220 V
Spielstufen alle denkbaren
Maße 50 x 50 x 9,5 cm / Brettgröße 40 cm / Feldgröße 5 cm / Königshöhe 92 cm
Sonstiges
- PC Technik in einem höheren Mephisto München Brett

Die Mephisto Wundermaschine, welche mit nur 10 Geräten in einer sehr geringen Stückzahl produziert wurde, ist eigentlich nichts anderes als PC-Technik, verbaut in ein höheres Mephisto München Brett. Das Betriebssystem war MS-DOS und als Schachprogramm fungierte ein um die Brettansteuerung erweiterter Mephisto Genius 2.0 des Engländers Richard Lang. Man sieht auf den Bildern am Einschub vorne links das Floppy Laufwerk. Die ersten Geräte waren sehr temperaturanfällig, was nicht weiter verwundert, da der Platz bzw. die Wärmeentwicklung im München Brett, trotz des seitlichen Lüfters enorm gewesen sein muss.

Die Brettansteuerung für die Wundermaschine enthielt nur das Mephisto Genius 2 Programm als Disketten Version. Allerdings existieren noch "2 Unikate" mit einer höheren Taktung bzw. stärkerem Prozessor. Diese "Wundermaschinen" beinhalten Pentium III Prozessoren, sind mit 866 MHz getaktet und enthalten als Engine eine Mephisto Genius 5 Spezialversion, welche um besagte Brettansteuerung erweitert wurde.

Dieser Gewinner der WMCCC München aus dem Jahr 1993 ist förmlich das Sinnbild für den Niedergang des "wahren" Schachcomputers.

Mephistos Wunderkiste

Frederic Friedel stellt einen völlig neuartigen Schachcomputer vor (Bericht aus Computerschach und Spiele / Heft 5 / 1993)

Das bestgehütete Geheimnis des Jahres auf dem Schachcomputer-Sektor wird jetzt gelüftet. Der Münchner Hersteller Hegener+Glaser baut zurzeit an einem neuen Top-End-Schachcomputer, der alles bisher Dagewesene in den Schatten stellt. Aber die aufregende Entwicklung - der Traum so mancher Schachcomputer-Freaks - hat seinen Preis. Nur sehr gut betuchte Kunden werden vorerst an dieser Schachrevolution partizipieren können.

Stellen Sie sich vor, liebe Leser. Sie bekämen von einem großen Schachcomputer-Hersteller den Auftrag, einen ganz neuen Schachcomputer zu entwickeln. Die Firma will, so erfahren Sie, das modernste und leistungsfähigste Gerät der Welt bauen. Es soll superstark sein und eine bahnbrechende Funktionalität aufweisen, mit Features und Ausstattung, wie man sie in diesem Bereich noch nicht gesehen hat. Und stellen Sie sich vor, der Chef des Unternehmens sagt uns. Geld spiele dabei überhaupt keine Rolle. Das Gerät darf soviel kosten, wie wir es für nötig erachten. Wie gehen wir dann vor? Zunächst braucht man ein Brett, natürlich aus Holz, turniergroß und mit kräftig leuchtenden LEDs in jedem Feld. Wie der Zufall es will, gibt es ein solches Brett schon: Es heißt Mephisto München und stammt aus dem Hause Hegener+Glaser, das rein zufällig auch der Auftraggeber der besagten Unternehmung "Traumcomputer ist. 50 x 50 cm betragen die Außenmaße, die Höhe ca. 9,5 cm. Das ist ein wenig klobig, aber wir wollen ja auch eine Menge hineinpacken. Das Brett ist in Nussbaum/Ahorn-Intarsie gefertigt und hat in jedem Feld einen Reed-Kontakt, der die Anwesenheit einer Schachfigur - aber nicht ihre Art - erkennt. Die Entwicklungsabteilung muss eine neue, größere Schublade einbauen - über die volle Breite des Geräts und mit einer Auszugstiefe von 25 cm. Von außen sieht das alles aber ganz kompakt und aufgeräumt aus.

Richard muss ran

Die nächste Frage lautet: Welches Programm sollen wir verwenden? Natürlich muss der Rechner extrem spielstark sein, bei Menschen- und Computerturnieren sämtliche Lorbeeren ernten. Es trifft sich daher gut, dass man zufällig einen Mann unter Vertrag hat, der als einer der erfolgreichsten Schachcomputerprogrammierer aller Zeiten gilt. Richard Lang heißt er und hat in der Vergangenheit mit eintöniger Regelmäßigkeit Jahr für Jahr die Mikro-WMs für Mephisto gewonnen. Aber halt, ist das nicht Schnee von gestern, träumen wir da nicht von längst vergangener Glorie? Just in letzter Zeit wurde ja Richard von seinen Kollegen überholt. Wo früher in den einschlägigen Ratinglisten Lyons und Vancouvers in bunter Vielfalt die Spitze beherrschten, finden wir heute Chess Machines mit diversen Programmen von holländischen Autoren. Ed Schröder gewann sogar die letzte offene Computerschach-WM in Madrid, und der junge Johan de Koning ist seit einer Weile König der Schwedischen Liste. Und natürlich gibt es noch das neue SPARC-Programm der Spracklens, das nach dreijähriger Entwicklungszeit sich anschickt, die Vorherrschaft der Mächtigen zu brechen. Das mag ja alles sein. Aber, so unsere Überlegung, es gibt einen glasklaren Grund, weshalb Richard nicht mehr an der Spitze regiert: Er kämpft mit überalterter Hardware. Unsere Maschine muss unbedingt eine bessere Elektronik erhalten. Welchen Prozessor wollen wir also einsetzen, damit Richards Algorithmen auf Höchstgeschwindigkeit kommen? Wir konsultieren Experten in aller Welt, lesen Datenblätter über die exotischsten Chips, prüfen und verwerfen die edelsten, die es zurzeit auf dem Markt gibt. ARM-2 oder SPARC. ALPHA oder MIPS, alle sind zu teuer, zu komplex oder (manchmal noch) zu langsam. Und dann kommt plötzlich jemand auf eine fantastische Idee: Warum nicht einen Prozessor verwenden, den es an jeder Straßenecke zu kaufen gibt, der billig und unkompliziert ist und trotzdem den RISC-Kollegen von der Leistung her mindestens ebenbürtig? Es ist nicht einmal erforderlich, dass Richard sich für mehrere Jahre in sein Schachlabor zurückzieht und das Programm auf einen neuen Befehlssatz umschreibt. Nein, die Arbeit hat er bereits geleistet, seine Schachstrategien laufen bereits auf dem besagten Prozessor.

Der Prozessor von nebenan

Sie haben es erraten: Die Wunderkiste bekommt einen ganz normalen 486er von Intel verpasst, genau so einen, wie er bei etlichen von uns im PC arbeitet. Natürlich hat der Mephisto die schnellste Version, mit 66 MHz und mehr (es gibt da einige Tricks...). Und ein modifiziertes Chess-Genius-Programm kann sich so richtig über die vielen Tausende von Stellungen freuen, die es mit dieser Turbo-Hardware pro Sekunde zu untersuchen vermag. So, damit hätten wir bereits einen interessanten neuen Schachcomputer für das diesjährige Weihnachtsgeschäft, spielstark und schön, mit sehr guter Funktionalität. Aber Hand aufs Herz: Reißt Sie das vom Hocker? Hätten wir von CSS, im Jahre da die Firma Tasc den R30 für alle Top-End-Freaks auf den Markt brachte, diese Geheimentwicklung von Hegener+Glaser als Wundermaschine auf der Titelseite der Zeitschrift präsentiert? Nein, es kommt noch einiges hinzu (wie gesagt: die Entwicklungsabteilung darf sich austoben). Wir überlegen nochmal scharf: Das Display ist häufig ein Schwachpunkt bei den heutigen Schachcomputern. Schlimmstenfalls hat man eine vierstellige LED- oder LCD-Anzeige, wo so gut wie keine In-formationen abzubilden sind. Hie und da gibt es auch 16-stellige Anzeigen, oder gar zweimal 16, und das noch in Punktmatrix. Einige, wie der Renaissance, versuchen, das ganze Schachbrett mit einer Multisegment-Anzeige auf wenigen Quadratzentimetern abzubilden. Das Non-Plus-Ultra ist die Bedienungskonsole vom Tasc R30, die - Sie können es in der CSS 2/93, S. 11 nachlesen - ein "geradezu riesiges 13 x 3,5 cm Display" besitzt. Kann man das noch übertreffen?

Jawohl, sagt der Ingenieur. Wie wäre es mit einem kompletten LCD-Flachbildmonitor (der zufällig im Display-Bereich von H+G gebaut wird). Die genauen Spezifikationen: 20 x 15 cm Bildfläche (also mehr als sechsmal so groß wie das Display von Tasc), Double-Super-Twist LCD, monochrom mit 32 Graustufen, Auflösung 640 x 480 Bildpunkte für CGA, EGA oder VGA-Grafikdarstellung, flimmer- und strahlungsfrei, Leistungsaufnahme unter sieben Watt. Das Ding kostet ein Schweinegeld, aber, wie gesagt, wir brauchen nicht auf solche Kleinigkeiten zu achten Hauptsache wir haben das beste und modernste, das, was das Herz des Technik-Fans in Verzückung versetzt.

Mit Bildschirm und Trackball

Und so kommt es denn auch. Zieht man die große Schublade des neuen Mephisto heraus, erscheint der große Bildschirm, auf dem man spielend ein ganzes Schachbrett abbilden kann. Als ich vor einem Monat - nach Abgabe strenger Geheimhaltungsversprechen - die Mephisto-Entwicklungswerkstatt besuchte und einen Prototypen des neuen Gerätes zu sehen bekam, lief gerade das unmodifizierte Genius-Programm darauf. Mit Hilfe eines kleinen Trackballs rechts vom Display konnte ich den Mauscursor bewegen, eine Figur anklicken und zum Zielfeld ziehen (natürlich konnte man auch die richtigen Figuren auf dem Brett ziehen, die Anzeige folgte brav). Auch die Genius-Menüs klappten wie gehabt herunter, wenn man mit der Maus drauffuhr. Doch wie kommt das Programm in das Gerät? Normalerweise ist bei Brettcomputern alles fest verdrahtet, jede Anweisung dauerhaft auf EPROMS gebrannt. Will man eine neue Programmversion einsetzen, oder die Bibliothek erweitern, muss man die Chips austauschen. Auch hier bietet die Wunderkiste aus München ein absolutes Novum. Als erster Schachcomputer der Welt besitzt er - das haben scharfäugige Leser in den Abbildungen schon längst erkannt - ein eingebautes Diskettenlaufwerk. Dieses liest 1,44 MB 3,5-Zoll Disketten, ganz anstandslos, wie ich feststellen konnte. Ich zog nämlich ein Schachprogramm der Konkurrenz aus der Tasche und konnte dieses ohne Probleme in das Gerät laden. Danach hatte ich das eigenartige Vergnügen, Fritz in einem Mephisto laufen zu sehen. Natürlich war das Brett dabei ohne Funktion, aber im Prinzip könnten auch andere Firmen und Autoren ihre Programme für diesen Schachcomputer umstricken. Es ist zu hoffen, dass H+G ihnen die Aufgabe erleichtert, indem sie alle Steuerungsanweisungen für das Brett freizügig veröffentlichen.

Windows im Schachcomputer?

Es geht noch weiter: Der Mephisto PC-Schachcomputer - so muss man ihn wohl nennen - verfügt über Schnittstellen für eine Tastatur, einen externen VGA-Monitor und einen Drucker. Unser Titelbild zeigt, wie eine solche Gesamtkonfiguration aussieht. Man kann ihn also theoretisch auch als ganz normalen PC verwenden. Ich habe es nicht versucht, aber ich wette, dass man darauf sogar Windows installieren könnte. Ach ja: wer das tun will, sollte unbedingt die optionale Festplatte mit 110 oder 220 MB gleich mitbestellen. Ich mache keinen Spaß, bei diesem Schachcomputer ist tatsächlich der Einbau einer Festplatte vorgesehen. Und es macht auch einen gewissen Sinn. Man kann damit Partien speichern und laden, genau wie bei PC-Programmen, man kann auch beliebig große, erweiter- und modifizierbare Eröffnungsbibliotheken einsetzen, sogar Endspieldatenbanken auf die Platte spielen. Die Möglichkeiten sind unbegrenzt, sofern die Mephisto-Ingenieure die notwendige Steuerungssoftware zur Verfügung stellen.

Wo liegt der Hund begraben?

Damit, liebe Leser, sind wir am Ende unserer Reise in die Wunderwelt der allerneuesten Schachcomputer-Technik angelangt. Sicherlich brennt Ihnen, genauso wie mir, als ich das alles zu sehen bekam, noch eine ziemlich wichtige Frage auf der Seele: Was soll das Ding denn kosten? Hier liegt nun der Hund begraben. Ich wünschte, ich könnte Ihnen sagen, dass der neue Mephisto sensationell preisgünstig wäre, dass es ihn demnächst für drei-, vier- oder fünftausend Mark zu kaufen geben würde. Aber leider wird es so nicht kommen. Eine verbindliche Auskunft über den genauen Preis war bis zum Redaktionsschluss nicht zu erhalten. Man war in der Firma noch fest dabei, die Sache zu diskutieren. Offenbar fällt die Entscheidung schwer, was sich aus den folgenden Überlegungen ergibt. Hegener+Glaser plant zunächst eine Kleinauflage von ca. fünfzehn Geräten. Die Entwicklung hat, wollen wir mal annehmen, einige hunderttausend Mark verschlungen, und auch die Herstellung in der geringen Stückzahl ist verhältnismäßig teuer. Jetzt hat man zwei Möglichkeiten zur Wahl: Man kann versuchen, mit den fünfzehn Geräten die Herstellungs- und auch noch einen Teil der Entwicklungskosten einzuspielen. Dann wird es extrem teuer für den Kunden, DM 20.000 oder mehr. Nur ganz wenige Personen - schachbesessene Ärzte oder Industriekapitäne, Leute, die große Daimler fahren und schwere Eichenmöbel im Wohnzimmer stehen haben - werden den Kauf überhaupt erwägen können. Beschließt man bei H+G aber, den Rechner wesentlich günstiger abzugeben, ihn quasi in der Erstauflage zu subventionieren, dann macht man unter dem Strich zwar ein Minus, aber es besteht die Möglichkeit, dass man alle Geräte zügig an den Mann bringt und dann eine zweite Serie in Auftrag geben kann. Ich nehme an, dass der Preis für die Wunderkiste, wenn sie Ende des Jahres in den Anzeigen auftaucht, etwa 15.000 DM betragen wird. Das liegt noch immer weit jenseits der Summen, die ein Normalsterblicher für sein Hobby auszugeben bereit ist (Zweitwagen ja, Schachcomputer nein). Was also tun? Der engagierte, aber nur durchschnittlich betuchte Mephisto-Fan wird sich wohl mit dem Sparmodul, das auf Seite 56 beschrieben ist, begnügen müssen. Es ist dreimal langsamer, hat kein VGA-Display, kein Diskettenlaufwerk und keine Festplatte. Dafür kostet es (mit München-Brett) fünfmal weniger. Der Traumcomputer von Mephisto bleibt währenddessen für den Schachcomputer-Freund das, was er ohnehin ist: ein schöner Traum.

Partiebeispiele

Als Partiebeispiele dienen zwei Turniere von Steve Blincoe aus dem Jahr 2011, die im Hiarcs-Forum gespielt und vorgestellt wurden.


  • Schnellschach-Turnier (Bedenkzeit: 1 min pro Zug) / Rapid Chess (1 min. per move)
Geräte 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 Pkt.
Mephisto Wundermaschine (PIII 866 MHz / Genius 5) ½ ½ 1 1 ½ 1 ½ 1 1 1 8.0
Phoenix Chess Resurrection Fruit 05 ½ ½ 0 0 ½ 0 ½ 0 0 0 2.0


Game(s) in PGN




  • Schnellschach-Turnier (Bedenkzeit: 1 min pro Zug) / Rapid Chess (1 min. per move)
Geräte 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 Pkt.
Mephisto Wundermaschine (PIII 866 MHz / Genius 5) 0 1 0 1 ½ 0 0 ½ 1 ½ 4.5
Phoenix Chess Resurrection II Rybka 1 0 1 0 ½ 1 1 ½ 0 ½ 5.5


Game(s) in PGN

Bilder

  • "Wundermaschine"
    "Wundermaschine"
  • Netzteil-, Tastatur-Anschluss
    Netzteil-, Tastatur-Anschluss
  • Boot Screen
    Boot Screen