SciSys Turbostar 432 KSO

aus Schachcomputer.info Wiki, der freien Schachcomputer-Wissensdatenbank
Die druckbare Version wird nicht mehr unterstützt und kann Darstellungsfehler aufweisen. Bitte aktualisiere deine Browser-Lesezeichen und verwende stattdessen die Standard-Druckfunktion des Browsers.
SciSys Turbostar 432 KSO (art. no. 305)

C Picture by
Nick Milicev (spacious_mind)

Hersteller SciSys
Markteinführung 1985
CElo 1770
Programmierer Kaplan, Julio
Prozessor 6502
Prozessortyp 8 Bit
Takt 4 MHz
RAM 8 KB
ROM 32 KB
Bibliothek 8.000 Halbzüge / 36.000 (KSO)
Einführungspreis 698 DM (350 €)
Rechentiefe
BT-2450
BT-2630
Colditz 1711
Verwandt SciSys Superstar 36K
Zugeingabe Drucksensoren
Zugausgabe 16 Rand LEDs
Display ---
Stromversorgung Batterie = 6 x Baby, Netz = z.B. HGN 5001
Spielstufen 31
Maße 37 x 24,5 x 3,5 cm; Spielfeld = 20 x 20 cm
Sonstiges
programmierbare Spielstufe
Level Info
Bedenkzeit Level
30 Sek. / Zug A3
30 Min. / Partie C4
60 Sek. / Zug A4
60 Min. / Partie C6
Turnier B3
Analyse B8

Technisch identisch zum SciSys Turbostar 432, allerdings bereits mit dem KSO (Kasparov Selected Openings) Eröffnungsmodul versehen

Der Geheimtipp: Turbostar 432

Schachcomputer auf Kasparows Spuren (aus Computer Schach & Spiele / Heft 1 / Februar 1985)

Während sich vier Schach-Mikrocomputer den Titel des Weltmeisters 1984 teilen und der Super Constellation auch ohne Beteiligung an der WM von sich reden macht, ist kaum bemerkt ein neuer spielstarker Computer auf den Markt gekommen. Dirk Frickenschmidt hat ihn untersucht.

Der Turbostar 432 von SciSys, Nachfolger des nicht schlechten, aber neben den neuen Spitzencomputern auch nicht voll überzeugenden Superstar, präsentiert sich äußerlich wie sein Vorgänger: nur ein frisch-frecher roter Farb-Akzent lockert jetzt die gedämpft graue Gehäusefarbe ein wenig auf. Bedienungstasten und -funktionen entsprechen ebenfalls denen des Vorgängers. Die ohnehin breit gefächerten Spielstufen wurden allerdings um einige neue, sowie zusätzlich programmierbare Zeitkontrollen erweitert. Die Taktfrequenz des Mikroprozessors liegt jetzt mit 4 MHz doppelt so hoch wie beim Vorgänger; der Programmspeicher ist von 24 auf 32 Kilobyte gewachsen. (Auf diese beiden Werte bezieht sich übrigens die Zahl 432 im Gerätenamen). Der Preis entspricht ungefähr dem des Super Constellation, liegt also bei etwa DM 700,-. Vom Aussehen und von den technischen Daten her macht das Ganze auf den ersten Blick einfach den Eindruck einer überarbeiteten Version des Superstar.

Selektiver Kombinations-Künstler?

Bereits das Ergebnis im Colditz-Test (in diesem Heft) ließ allerdings aufhorchen. Nachdem die CSS-Redaktion von SciSys ausdrücklich die Bestätigung erhielt, dass der Turbostar mit einem selektiven Programm arbeitet, war bestimmt nicht damit zu rechnen, dass er die taktische Schlagfertigkeit des vorjährigen "Budapest"-Elite erreichen und seinen eigenen Vorgänger Superstar kombinatorisch um Längen hinter sich lassen würde! 1621 Punkte sind das bisher bei weitem beste Resultat eines selektiven Programms im Colditz-Test. Es ist gleichzeitig das erste Programm, das neben seinen selektiven Fähigkeiten auch die ganze Bandbreite taktischer Möglichkeiten ebenso gut wie ein erstklassiges Typ-A-Programm überblickt. Was das im konkreten Fall bedeutet, soll an einer Testpartie gegen den neuen Elite "Glasgow" verdeutlicht werden.

Ein "fliegender Holländer"

Der neue Elite antwortet auf 1.d4 nicht selten mit 1...f5. In der sogenannten Holländischen Verteidigung versucht der Nachziehende gleich zu Beginn, den Punkt e4 unter Kontrolle zu bekommen und eher Gegenspiel als direkten Ausgleich zu erreichen. Spieler wie Morphy, Aljechin, Botwinnik und Larsen haben diese Verteidigung mit Erfolg für Angriffe auf den gegnerischen Königsflügel und schwer überschaubare taktische Verwicklungen eingesetzt. Eine solche Partieanlage kommt den Fähigkeiten des Fidelity-Gerätes natürlich entgegen. Der Turbostar verließ allerdings schnell die Eröffnungs-Bibliothek und nach beiderseitigen Aufbau-Fehlern kam es zu einem recht ungewöhnlichen "Holländer".

Turbostar " Elite:
1.d4 f5 2.g3 Sf6 3.Lg2* g6* 4.Lg5 e6 5.Lxf6 Dxf6 6.Sf3 Lg7 7.0-0 Sc6 8.e3 d5 9.c4 dxc4 10.Sbd2 0-0 11.Sxc4 De7 12.Db3 Tb8 13.a3 b6 14.Tac1 Lb7 15.Da4


In dieser Stellung führte der Elite mit 15...b5! einen harten taktischen Schlag, der den Weißen zunächst gründlich daran hinderte, sich den Schwächen im schwarzen Lager in aller Ruhe zu widmen. Die weiße Dame muss nehmen: 16.Dxb5 Sxd4! Nun wird das Kombinationsmotiv deutlich: die weiße Dame steht nach Läuferabzug in der offenen Linie des schwarzen Turmes. In dieser verwirrenden Stellung verlor der Turbostar aber keineswegs den Überblick. Nach 17.Sxd4 Lxg2 brachte er nicht die Dame in Sicherheit, sondern griff seinerseits mit 18.Sc6 die schwarze Dame an: 18...Lxc6 19.Dxc6 Lxb2. Nun sieht es doch so aus, als ob Weiß mit einem Bauern weniger die Auseinandersetzung fortsetzen muss. Aber mit einer feinen positionellen Kombination bewies der Turbostar die größere Dynamik des weißen Aufbaus:


20.Tcd1! Der Blick auf die siebte Reihe signalisiert, dass es nicht nur um Bauern geht. Also: 20...Tf7. Nun aber ist die achte Reihe schwach, 21.Tbl! fesselt den Läufer und greift ihn gleichzeitig an. Der wird mit 21...Df6 gedeckt, aber nun entstehen nach 22.Tfd1! neue Einbruchs-Drohungen auf der siebten und achten Reihe. 22...T7f8 23.Sxb2 Txb2 24.Dxc7 Txb1 25.Txb1 Tf7 26.Dd6 Kg7 27.Tb5! Te7 28.Tb8! Nachdem der Elite den gewonnenen Bauern bereits zurückgeben musste, beginnen die aktiven weißen Schwerfiguren, auf die schwarze Königsstellung zu drücken: 28...Df7 29.De5 + Kh6 (erzwungen). Nun hat die weiße Dame zwar keinen Einbruch über das Feld d8 vollzogen, aber dafür macht sie den schwarzen König zum ruhelosen "fliegenden Holländer". 30.Tb4 g5 31.h4 gxh4 32.Txh4 + Kg6 33.e4 Td7 34.Kg2 Td3 35.a4 Td1 36.a5 Tb1 37.g4! Tb3 38.Th5! Td3. Die scheinbar feste schwarze Königsstellung wird beharrlich aufgemeißelt. Gegenspiel ist nicht möglich, weil die schwarzen Figuren nie die Verteidigung des eigenen Königs aus den Augen verlieren dürfen. Jetzt wird nach gründlicher Vorbereitung das Spiel entscheidend gegen den schwarzen König geöffnet:


39.gxf5+ exf5 40.Txf5 h5. Es stellte sich nur noch die Frage "Dame oder König?" 41.Txf7 Kxf7 42.Dxh5+ und Schwarz kann aufgeben.

Partie zum Nachspielen:

Erstaunlich gut im Endspiel

Im Gegensatz zu seinem Vorgänger Superstar zeigt sich der neue Turbostar gerade im Endspiel von seiner besten Seite. Er findet sich auf Turnierstufe nicht nur mit verschiedenen Arten von Nah- und Fernopposition zurecht, sondern beherrscht auch die in Bauernendspielen wichtige Theorie der "entsprechenden Felder" besser als jeder andere Schach-Mikro, wenn auch nicht so perfekt wie ein menschlicher Endspiel-Kenner. Zwar setzt er nicht wie der Super Constellation mit Springer und Läufer matt, aber dafür bekam dieser in einem bemerkenswerten Turmendspiel die feinere Endspiel-Technik des neuen Gerätes zu spüren. Dabei beherrscht gerade der Super-Conny Turmendspiele in der Regel auch nicht schlecht. Bei dieser Partie liefen der neue Elite und der Mephisto Exclusive S mit, um von Zug zu Zug deren Stellungsbewertungen zu vergleichen. Dabei fiel auf, dass beide beim Übergang ins Endspiel die schwarze Stellung etwas besser bewerteten, dann allmählich die weiße, um schließlich nach der entscheidenden weißen Umgruppierung übereinstimmend eine weitgehend ausgeglichene Stellung anzugeben. Die Geräte erkannten anscheinend den entscheidenden Vorteil der weißen Stellung erst, als der Turbostar ihn bereits unaufhaltsam verwirklicht hatte:

Turbostar - Super Constellation:
1.d4 d5 2.c4 e6 3.Sc3 c5 4.cxd5 exd5 5.Sf3 Sc6 6.g3 Sf6 7.Lg2 Le7 8.0-0 0-0 9.dxc5 Lxc5* 10.Lg5 d4 11.Lxf6 Dxf6 12.Sd5 Dd8 13.Sd2 Le6 14.Dc2?! Lxd5 15.Dxc5 Lxg2 16.Kxg2 Te8


Der schnelle Übergang ins Endspiel scheint eher Schwarz als Weiß zu nützen. Der schwarze Bauer auf d4 ist nicht schwach, sondern engt die weiße Stellung ein und erzwingt die Verteidigung des zunächst viel schwächeren weißen Bauern auf e2: 17.Dc4 Tac8 18.Tacl! Dd7 19.Sf3 De7 20.Tel De4 21.a3 h6 22.Dd3! Dxd3 23.exd3 f6. Nach dem Damentausch ist der schwarze Druck auf der e-Linie abgeschüttelt und es ist eine ziemlich ausgeglichene Stellung entstanden. Aber nach 23...f6 (um dem weißen Springer das Feld e5 zu nehmen) und Turmtausch auf e8 muss der Super-Conny den Aktionen des Turbostar immer um ein Tempo hinterherhinken. Er verteidigt sich zwar aktiv, bringt seinen Turm auf die zweite Reihe und antwortet auf jede Drohung mit einer Gegendrohung, aber der Turbostar nutzt seine Stellungsvorteile so geschickt, dass ein harter Kampf um jedes Tempo mit trickreichen Zwischenzügen entbrennt: 24.Txe8 + Txe8 25.Tc4 Te2 26.b4 a6! 27.Sxd4 Sxd4 28.Txd4 Tat 29.Td7 b5 30.Kf3! Txa3 31.Ke3 Ta4 32.Ta7! Kf8 33.h4 g5 34.h5 g4 35.d4 Txb4 36.Txa6 Kf7 37.Ta7 + Ke6 38.Th7 Tb3 + 39.Kf4 Tf3 + 40.Kxg4 Txf2 41.Txh6 Td2 42.Kh3 Txd4 43.g4 Ke5 44.Tg6 b4. Der Super-Conny setzt auf einen schnellen Durchmarsch seines Freibauern und damit auf das falsche Pferd, da dieser Bauer nicht schnell genug wirkungsvoll von hinten unterstützt werden kann. Dieser Fehler reicht dem Turbostar sofort zum Gewinn, aber auch sonst wäre die schwarze Verteidigung schwierig geworden.

45.Tg8 b3? 46.Tb8 Td3 + 47.Kh4 f5 48.h6 fxg4 49.Kxg4 Td4 + 50.Kg5 Td7


Jetzt schirmt der durch Schachgebote zu seinem Bauern getriebene König diesen gegen eine Annäherung des gegnerischen Königs ab und die Partie wird schnell entschieden: 51.Txb3 Tc7 52.Th3 Th7 53.Kg6 Tc7 54.h7 Tc6 + 55.Kg5 Tc8 56.h8D + Txh8 57.Txh8 Ke4 und der Super Constellation gab gleichzeitig auf.

Partie zum Nachspielen:

Seine Spezialität: 1.d4!

In einer Reihe über große Könner der 1.d4 Eröffnung (1984 in Schach Magazin 64 unter der Über-schrift "Acht Oskars für 1. d4" veröffentlicht) nannte der englische Eröffnungs-Theoretiker GM Raymond Keene eine subjektive Hitliste solcher Spieler. Auf den ersten drei Plätzen waren Kasparow, Aljechin und Botwinnik zu finden.

Wollte man unter modernen Schach-Mikros eine entsprechende Auswahl treffen, so würde man kaum eine, geschweige denn acht Auszeichnungen vergeben können. Gehen wir einmal die neueren Spitzenmodelle durch: "Z.B. spielt Mephisto gern ein offenes zentrumsbetontes Spiel, während geschlossene Systeme zwar auch zufriedenstellend behandelt werden, Mephisto aber nicht seine ganze Palette an Können vorweisen kann." So heißt es in der Bedienungsanleitung zum neuen Mephisto Exclusive S. Der Super Constellation spielt zwar in Königsbauern-Eröffnungen wunderschöne Angriffe inklusive Qualitätsopfer und Mattangriff, aber ich habe noch nie ein beeindruckendes Damengambit von ihm gesehen. Der Elite ist zwar relativ vielseitig, legt es aber auch in Damenbauer-Eröffnungen auf taktische Verwicklungen an, sobald er die Eröffnungsbibliothek verlässt.

Man könnte beliebig weitere Geräte in diese Charakteristik einreihen. Was aber sollen Leute wie ich machen, die aus irgendwelchen Gründen 1.d4 bevorzugen, die 1.e4 zwar akzeptabel, aber nicht umwerfend finden. Was macht man mit einem Schachcomputer, wenn man Bobby Fischer zwar bewundert, aber eher vom Stil Aljechins und Kasparows fasziniert ist? Elektronische Trainingspartner für Spanisch oder Sizilianisch stehen nicht allzu starken Clubspielern inzwischen reichlich zur Verfügung, aber wie sieht es z.B. mit Damenindisch aus? Langer Rede kurzer Sinn: mit dem Turbostar können Liebhaber von 1.d4 nach den bisherigen Test-Eindrücken neue Hoffnung schöpfen - obwohl das Gerät auch ebenso oft und kaum schlechter 1.e4 spielt.

Was ich meine, soll eine Turnierpartie gegen den Mephisto Exclusive S (16-bit) belegen, die bereits nach 25 Zügen beendet war:

Turbostar-Mephisto Exclusive S: 1.d4 d5 2.c4 dxc4 3.Sf3 a6 4.e3 b5. Diese alte Verteidigung im angenommenen Damengambit gehört zu den Eröffnungs-Spezialitäten der neuen Mephistos - damit hatte ja auch ein Mephisto Exclusive den ungarischen IM Horvath in einer Simultanpartie vernichtend geschlagen (siehe CSS 3/84, S. 25). Der Bauer c4 wird zunächst gehalten, um den eigenen Damenflügel schnell zu entwickeln und die weiße Entwicklung zu behindern. Weiß muss entschlossen vorgehen und entweder mit e4 einen Zentrumsangriff unter Bauernopfer einleiten oder die schwarze Bauernkette am Damenflügel umgehend entwerten: 5.a4 Lb7 6.b3 e6 7.bxc4 bxc4 8.Lxc4 Sd7 9.0-0 Sgf6* 10.Sc3 c5. Erst jetzt verlässt der Mephisto die gut ausgetüftelte Eröffnungsbibliothek. 11.Tb1 Dc7 12.La3 Ld6 13.dxc5 Sxc5 14.Lxc5 Lxc5 15.De2 Ld6.

Nun zielen die Diagonalen der schwarzen Läufer mächtig auf den weißen Königsflügel. Wie soll Weiß sich gegen diesen Druck behaupten? 16.e4. Unterbricht eine der Diagonalen und verstärkt den weißen Einfluss auf das Zentrum. 16...0-0 17.Tfd1 Tfd5 18.Tb3! h6? 19.Tdb1 Tdb8. Auf den ersten Blick sieht es so aus, als sei die weiße Drohung auf der b-Linie neutralisiert. Aber jetzt krönte der Turbostar das eingeleitete Manöver mit einem Zug, der an Aljechins ausgefuchste Kombinationen in scheinbar ausgeglichenen Stellungen erinnert:


20.e5!! Wie bei Aljechin kommt der eigentliche Schlag der Kombination nicht am Anfang, sondern am Schluss: 20... Lxf3. Dieser Zug scheint das Gleichgewicht aufrecht zu erhalten. 21.exd6 Lxe2 22.dxc7 Txb3. Der Bauer e5 schielte also schon bei Beginn der Kombination auf den Punkt b8. Dort steht jetzt zwar kein schwarzer Turm mehr als Zielobjekt, aber nun zeigt sich eine viel schlimmere Schwäche dieses Punktes: 23.Txb3. Die Drohung Tb8 mit Verwandlung des c-Bauern in eine Dame verbietet dem Schwarzen, auf c4 zuzugreifen. Aber auch ein Notwehr-Zug hilft jetzt nicht mehr weiter:. 23...Tc8 24.Tb8 Kh7 25.Txc8 Lg4 und der Mephisto gab gleichzeitig auf (Bewertung -9.99). Eine solche Kurzpartie gegen einen bestimmt nicht leicht zu schlagenden amtierenden Weltmeister ist schon eine Leistung. Vor allem ist aber die Tatsache erstaunlich, dass der Turbostar so konsequentes Angriffsschach nach 1.d4 spielte und seinen Gegner innerhalb von 25 Zügen in einer Eröffnung überspielte, die dieser bis zum 10. Zug "kannte"!

Partie zum Nachspielen:

Kasparow lässt grüßen!

Schon im Zusammenhang mit dem Superstar hatte die Firma SciSys das Erscheinen eines 8k-Moduls mit speziell von Garry Kasparow bevorzugten Eröffnungen angekündigt. Diese Ankündigung wurde nun für den Turbostar mit Blick auf das nächste Jahr wiederholt. Wie die CSS-Redaktion inzwischen erfuhr, geht die Zusammenarbeit zwischen SciSys und Kasparow über eine bloße Benutzung seiner Eröffnungs-Systeme hinaus: Er berät und unterstützt Julio Kaplans Team bei dem gesamten Projekt.

Nun wundert es auch nicht mehr, daß der Turbostar bereits ohne Erweiterungs-Modul beispielsweise in Damenindisch mit den Zügen 1.d4 Sf6 2.c4 e6 3.Sf3 b6 4.a3 die sogenannte Petrosian Variante wählt und in der Folge über eine Fülle von guten und teilweise erst seit kurzem üblichen Fortsetzungen verfügt: Gerade mit dieser Eröffnung hat Garry Kasparow schon viele schöne Siege verbuchen können. Andere Systeme, wie die Abtausch-Variante im Damengambit, fehlen noch völlig, wohl weil sie dem neuen Modul vorbehalten sind. Alles in allem war es sicher keine schlechte Idee von SciSys, die Ära Kasparow " auch wenn manche wegen der Schach-WM noch daran zweifeln " auch im Computerschach einzuläuten.

Einige Eröffnungs-Schwächen

Durch die guten Endspiel-Fähigkeiten macht das Spielverhalten des Geräts einen sehr abgerundeten Eindruck. Seine größte Schwäche liegt nicht mehr wie beim Vorgänger im Endspiel, sondern in manchen Eröffnungen. Wenn der Turbostar z.B. mit Schwarz im offenen Spanisch nach Verlassen der Eröffnungsbibliothek riskant g6?! spielt, dann aber den Läufer gar nicht nach g7 entwickelt, so kann das natürlich peinliche Folgen im weiteren Spielverlauf haben. Oder wenn er mit 1.Sf3 eröffnet, aber nach 1...d5 2.g3 Sc6 bereits "aus der Eröffnung fliegt" und im achten Zug seinen g2-Läufer gegen den schwarzen Springer auf c6 tauscht, dann sind die Löcher um den weißen König natürlich schwer zu schützen. Diese Beispiele lassen sich um viele ähnliche erweitern. Mit dieser Eröffnungs-Schwäche kann man auch auf der Turnierstufe mühelos Kurzpartien wie die folgende produzieren: D. Frickenschmidt"Turbostar: 1.d4 d5 2.c4 e6 3.Sc3 Sf6 4.Lg5 Le7 5.e3 0-0* 6.Tcl h6 (schon ist er draußen!) 7.Lh4 g5? 8.Lg3 Ld7 9.h4 c6? 10.hxg5 hxg5 11.e4 Sxe4?? 12.Dh5 Kg7 13.Dh6+ Kg8 14.Dh7 matt. Vielleicht bringt das angekündigte Modul eine wesentliche Verstärkung in diesem Punkt. Der Turbostar ist jedenfalls dringend darauf angewiesen, um nicht in manchen Eröffnungen in eine verlorene Stellung zu geraten, die sich auch durch seine vom Mittelspiel bis ins Endspiel reichende erstaunlich gute Spieltechnik nicht mehr retten läßt. Wie gesagt, das gilt für manche, bei weitem nicht für alle Eröffnungsvarianten.

Neuer WM-Kandidat?

Bei der nächsten Mikro-WM könnte also das erste Mal ein Gerät mit erstklassigen d4-Partien von sich reden machen und die entscheidenden Punkte womöglich durch kombinationsstarkes Positionsspiel und sehenswerte Endspiele sammeln. Bis dahin werden aber wohl auch die Konkurrenten ihre Programme weiterentwickeln, so daß man schon gespannt sein darf. Jedenfalls kann man den Turbostar ohne Übertreibung als eine der vielversprechendsten Neuentwicklungen der letzten Zeit bezeichnen. Mit dem Vorgänger hat er kaum mehr als einen Teil des Namens gemeinsam, und die gesamte jetzige Konkurrenz braucht er sicher nicht zu scheuen.

Ein Turbo auf der Überholspur

Dirk Frickenschmidt stellt das neue Kasparow-Modul vor (aus Computer Schach & Spiele / Heft 5 / Oktober-November 1985)


Für alle Besitzer eines Superstar oder Turbostar hat die Firma SciSys einen echten Leckerbissen herausgebracht. Das 8 Kilobyte große Erweiterungs-Modul enthält eine umfangreiche und dazu brandaktuelle Eröffnungs-Bibliothek mit vielen von Garry Kasparow gespielten oder empfohlenen Zugfolgen.

Das sogenannte KSO-Modul (KSO steht für "Kasparov Selected Openings") wird in den Superstar einfach eingesteckt. Etwas komplizierter ist es beim Turbostar. Hier muss man die entsprechende Erweiterung in einem SciSys Service Center (Electronics International, Augustinusstr.7-11, 5020 Frechen 4) durchführen lassen. Der Preis soll sich nach Auskunft der Firma um ca. 100 DM für das Modul (ohne Einbau) und ca. 120 DM für die Einbauversion bewegen, so dass man seinen Schach-Mikro ohne allzu kostspielige Investitionen erheblich aufwerten kann.

Umfangreiche Gesamt-Bibliothek

Das Modul verdoppelt den Umfang der bereits in den Geräten enthaltenen Eröffnungen um weitere ca. 8000 Halbzüge auf insgesamt ca. 15.000. Damit erreicht die Bibliothek eine Größenordnung, wie man sie sonst nur vom Super Constellation oder von mit dem CB16-Modul erweiterten Fidelity-Geräten kennt. Alle gängigen Eröffnungen kann man mit Weiß und Schwarz gegen das Gerät spielen, ohne unfreiwillig in seltenen Nebenvarianten zu landen oder nach frühem Verlassen der Bibliothek ganz andere (z.T. fragwürdige) Fortsetzungen als gegen menschliche Spieler zu erleben. Das Repertoire des KSO unterscheidet sich von anderen Bibliotheken noch dadurch positiv, daß "geschlossene" Spielweisen (nach 1.d4, 1.c4 oder zum Teil auch 1.Sf3) hier genauso zahlreich und aktuell vertreten sind wie (halb-)offene (nach 1.e4). Auch seltene Gambitvarianten sind jetzt gründlicher berücksichtigt. Der Turbostar ohne Modul musste zum Beispiel nach 1.e4 e5 244 exd4 3.c3 (Mittelgambit oder Nordisches Gambit) mit Schwarz passen und kam durch Annahme des Opfers den weißen Absichten entgegen. Jetzt dagegen geht es auch in so einem relativ selten gespielten System mit bewährten Theoriezügen munter weiter: 3...d5 (der Gegenschlag im Zentrum leitet über zu Positionen des Göring-Gambits, statt den Bauern zu halten) 4.exd5 Dxd5 5.Sf3 Sc6 6.cxd4 Lg4 7.Le2 Lb4 + 8.Sc3 Lxf3 9.Lxf3 Dc4, und nun "kennt" das KSO-Modul die Fortsetzungen 10.Lxc6 bis zum 13.Zug, 10.Le3 bis zum 18.Zug und 10.Db3 bis zum 19.Zug (Remis nach 3-maliger Stellungswiederholung wie in Marshall"Capablanca, Lake Hopatcong 1926). Dieses kleine Beispiel macht bereits deutlich, mit wie viel Sorgfalt die Leute von SciSys das Modul entwickelt haben und wie umfangreich das Repertoire jetzt geworden ist.

KSO erkennt Zugumstellungen

Mephisto-Schachcomputer gleichen den Nachteil des gegenüber anderen Spitzengeräten kleineren Eröffnungs-Repertoires ja bekanntlich sowohl in der IIIer-Serie als auch in der B&P-Version zum Teil durch den Vorteil der Stellungs-Wiedererkennung aus. So können diese Geräte erneut auf die bereits verlassene Bibliothek zurückgreifen, sobald sich eine dem Gerät bekannte Stellung nach einer vertauschten Zugfolge ergibt. Die Effektivität auch eines etwas kleineren Repertoires wird durch das Erkennen von Zugumstellungen natürlich erheblich gesteigert, weil eine solche Bibliothek ja effektiv viel mehr Zugfolgen einschließt, als die bereits vorgegebenen.

Doch nun kommt der Knüller: Julio Kaplan, der Autor der SciSys-Programme, war offensichtlich in der Lage, beides zu verbinden. Er entwickelte eine Wiedererkennung von Zugumstellungen, wie von den Mephistos bekannt, schaffte das aber für den wesentlich größeren Bibliotheks-Umfang, wie man ihn von den oben genannten Fidelity- und Novag-Geräten kennt. Trotzdem zögert der Turbostar in einer beliebigen Eröffnungs-Stellung nur etwa eine Sekunde länger als ohne KSO-Modul, um eventuelle Zugumstellungen innerhalb der um-fangreichen Bibliothek auszumachen. Mit Modul wird er also zu demjenigen unter den Spitzengeräten, das die zur Zeit mit Abstand größte Eröffnungs-Bibliothek mit Wiedererkennung von Zugumstellungen enthält (ca. 36 000 Halbzüge effektiv).

Aktuelle Eröffnungen

In einer ersten Probierpartie mit dem neuen KSO-Modul entstand nach 1.e4 c5 2.Sf3 e6 3.d4 cxd4 4.Sxd4 Sf6 5.Sc3 d6 eine Grundstellung des sizilianischen Scheveninger Systems, das eine der Lieblingswaffen Kasparows gegen 1.e4 ist. Also erlaubte ich mir den Spaß, wie Karpow in der ersten WM-Partie 1984 mit dem scharfen Keres-Angriff 6.g4!? fortzusetzen. Der Turbostar antwortete bis zum 15. Zug wie aus der Pistole geschossen: 6...h6 7.h4!? Sc6 8.Tg1 h5 9.gxh5 Sxh5 10.Lg5 Sf6!? (Kasparows Neuerung) 11.Dd2 Db6 12.Sb3 Ld7 13.0-0-0 a6 14.f4. Erst in dieser zum eigenen Weiterspielen wirklich spannenden Stellung muss der Turbostar seinen ersten Zug berechnen. Es macht natürlich viel mehr Spaß, mit aktuellen Zügen aus der letzen Schach-WM konfrontiert zu werden, als mit langweiligen Computer-Selbst-schutzvarianten, wie man sie auf dem einen oder anderen Schach-Mikro schon gesehen haben soll. Das Kasparow-Modul ist in dieser Hinsicht vor-bildlich. Neben der geschilderten Eröffnung ist noch wesentlich mehr Material aus der WM 84/85 enthalten. Aber die Aktualität des Moduls ist durchaus nicht auf WM-Material beschränkt. Die folgenden Züge stammen aus einer Partie Geller"Kasparow, Mos-kau 1982: 1.e4 c5 2.Sf3 e6 3.d4 cxd4 4.Sxd4 Sf6 5.Sc3 d6 6.Le2 Le7 7.0-0 0-0 8.f4 Sc6 9.Le3 e5 10.fxe5 dxe5 11.Sf5 Lxf5 12.Txf5 Da5 13.Kh1 Tad8 14.Df1. Hätte Julio Kaplans Team es sich leicht gemacht und diese Partie einfach übernommen, so müsste jetzt wie bei Kasparow damals 14...Db4 folgen. Kasparow fand aber später das stärkere 14...Sd4, und diese Neuerung spielt auch das KSO.

Folgende Eröffnungen wurden im neuen Modul besonders berücksichtigt: Sizilianisch, Russisch, offenes Spanisch und Caro Cann, Benoni und Sla-wisch mit Schwarz; Damengambit, Damenindisch (Petrosjan-System) und Katalanisch mit Weiß. Die Tartakower-Variante des abgelehnten Damengambits zum Beispiel lässt sich mit Hilfe des Turbostar nun wahrscheinlich besser studieren und trainieren als mit vielen Eröffnungsbüchern.

Schneller und stärker

Neben dem großen Umfang und der Erkennung von Zugumstellungen bietet das KSO-Modul noch einen weiteren Vorteil. Julio Kaplan hat den Turbostar mit Hilfe einiger Programmänderungen auch ein wenig schneller gemacht, so dass zum Unterhaltungs-und Lernwert des Moduls eine deutlich erkennbare Spielstärke-Steigerung hinzu-kommt. Der Kasparow-Turbostar spielt nicht nur vielfarbiger, sondern auch schlagfertiger als das Grundgerät. Vom Superconny ist man ja tolle Königsangriffe gewohnt. Aber plötzlich zu sehen, wie der Turbostar im offenen Spanisch mit Schwarz die superscharfe Dilworth-Variante spielt (Schwarz gibt Läufer und Springer gegen Turm und Bauer mit Königsangriff), das ist schon eine Überraschung.

Erfolg beim US Open

Wie vorher bereits andere Firmen, so erprobt auch SciSys seine Geräte zunehmend in offiziellen Turnieren. Beim diesjährigen US-Open spielten zwei Geräte mit: Ein auf 6 MHz laufender Turbostar ohne KSO und ein ganz normales Seriengerät mit KSO. Runde 1 am 4. August, Brett 30: Das Seriengerät stößt gleich zu Beginn des Turniers auf Jerry Hanken, einen amerikanischen Spieler (und Schachfunktionär) mit 2253 Elo. Insgesamt hat der Serien-Turbostar mit KSO beim US-Open 6,5 von 12 möglichen Punkten erreicht. Die Elo-Auswertung ergab 2151 Punkte, zehn mehr als der von Mephisto B + P erreichte Höchststand beim Computer-Open in Mobile (vgl. CSS 4/85 S.19). Mit dieser Leistung hat das SciSys-Gerät die Konkurrenz im internationalen Elo-Rennen überholt und sich vorerst an die Spitze gesetzt.


Partiebeispiel

Weblinks