Vorlage:Mephisto MM II Novag Expert
Zwei, die aus dem Schatten kamen
NOVAG Expert und Mephisto Exclusive MM II (aus Computer Schach & Spiele / Heft 2 / April-Mai 1986)
Mit dem Super Constellation, dessen Ruhm noch immer allerorten besungen wird, hatte der fernöstliche Hersteller NOVAG einst ein tolles Eisen im Feuer. Die Münchner Firma Hegener & Glaser trumpfte im vergangenen Herbst (1985) mit ihrem 16-Bit-Programm in Amsterdam auf, das trotz des hohen Preises ein Verkaufserfolg wurde. Vergleichsweise ein Schattendasein fristen dagegen zwei Schachcomputer aus dem zweiten Glied der Produktpaletten beider Firmen: NOVAG's "Expert" und das Modul "MM II" von Hegener & Glaser. Bernd Schneider untersuchte, wie es um diese Geräte bestellt ist.
Immerhin kann sich das MM-II-Programm, das mit dem Conchess "Plymate" identisch ist, wenigstens noch mit dem Lorbeer behängen, auf der WM in Amsterdam Zweiter geworden zu sein. Für den Expert wenig Trost: Bei der WM reichte es nur für den letzten Tabellenplatz. Dabei war das gleiche Gerät noch auf der letztjährigen Spielwarenmesse als "Blitzmonster" hoch gelobt worden.
Hinzu kommen weitere Nachteile: Die Fachwelt hatte von NOVAG schon lange ein Gerät mit einem Anzeigeelement (Display) erwartet, doch der Expert weist immer noch keines auf. Zwar bietet er Anzeigemöglichkeiten im üblichen Umfang über den anschließbaren NOVAG-Thermodrucker. Nur, das Gerät, das ohnehin mit ca. DM 1.500,-Verkaufspreis weit über dem Niveau der Konkurrenz aus München liegt, wird durch den Drucker noch einmal um rund DM 300,- teurer. Dies sind sicher Handicaps, die es dem Expert schwer machen, mit dem Mephisto Exclusive MM II mitzuhalten - zumindest, wenn man alles völlig nüchtern betrachtet.
Schachcomputer werden jedoch mit Sicherheit nicht nur nach rein "vernünftigen" Motiven gekauft. (Wer vernünftig sein will, dem genügt meist das billigste 16-K-Modell.) Wie sonst könnten die Hersteller ständig neue Geräte im Holzgehäuse und für mindestens DM 1.000,- produzieren? Offensichtlich gibt es da einen besonderen Kundenkreis.
Im Falle unserer beiden "Kontrahenten" haben sich die Hersteller jedenfalls klar für den "Luxus" entschieden. Beide kommen im Holzgehäuse daher. Das Programm MM II gibt es zwar auch als "Modular" im Kunststoffgehäuse, aber wir wollen unseren Vergleich auf die 200 Mark teurere Exclusive-Ausführung konzentrieren. Sowohl dem Mephisto als auch dem Expert muss man zugestehen, dass sie äußerlich sehr schön sind. Dunkles Holz, ein wenig barocke Ausführung der (knapp 5 cm hohen) Brettseiten, saubere handwerkliche Ausführung. Die Spielfelder beider Geräte sind 32 x 32 cm groß, bezüglich der Gesamtgröße überragt der Expert (40 x 47,5 cm) jedoch den Mephisto (40 x 40 cm) - eine Folge des bei letzterem seitlich angesetzten Tastenfeldes. Beim Mephisto verschwindet dieses nach altbekannter Art in einer Schublade innerhalb des Gerätes. Welcher Variante man den Vorzug geben will, ist sicher Geschmacksache.
Die Technik
Wer schwere Geräte bevorzugt (falls dies je eine Rolle beim Kauf eines Computers gespielt hat), der muss den 3,5kg Mephisto dem 3kg NOVAG Gerät vorziehen. Ansonsten aber findet er fast nur noch Gemeinsames, nämlich gut ansprechende Magnetkontakte in den Feldern (die des Expert verdienen sogar das Prädikat "hervorragend"), gute Tastaturen und sehr schöne Holzfiguren. Dabei wirken die etwas großzügiger bemessenen Figuren des Expert (Königshöhe 8 cm, Mephisto: 7 cm) optisch gelungener. Die Spielfeldeinfassung des Expert ist nur als schwarze Linie ausgeführt, was das Gerät als ganzes dunkler und "gediegener" erscheinen lässt.
Im Herzen des Expert schlägt ein echter 65CO2-Prozessor. Mit welcher Frequenz, verriet der Quarz daneben nicht, offiziell werden jedoch 4 MHz angegeben. Der 6502 des Mephisto tut's et-was langsamer mit nur 3,7 MHz, was übrigens in der Rechengeschwindigkeit ziemlich genau auf die Conchess-S-Modelle hinausläuft. Diese arbeiten zwar mit nur 3,2 MHz, haben dafür aber nicht die geschwindigkeitsmindernden Anzeigemöglichkeiten des MM II. Als da sind (nach Drücken von "INFO"): Stellungsbewertung in strengen Sprüngen von 0,11 Einheiten, Vier-Zeiten-Uhr, Suchtiefe in Halbzügen, Zugzähler und Hauptvariante mit fünf Zügen.
Vor dieser Fülle von Anzeigemöglichkeiten muss der Expert zunächst passen. Er zeigt lediglich ala Superconny die Suchtiefe über die Leuchtdioden am Brettrand an. Auch Matts werden auf diese Weise angekündigt. Schließt man jedoch den Drucker an, wird die Sache ebenso komfortabel wie bei der Konkurrenz. Auf dem sechs Zentimeter breiten Papierstreifen - und damit auch nach der Partie noch verfügbar - stehen alle Daten zur Verfügung: Zugzähler, Zugzeiten und Stellungsbewertung, letztere übrigens für beide Seiten getrennt aufgeführt.
In der Akustik gemahnen beide Geräte an ihre Verwandtschaft. Der Expert piept Superconny like, der Mephisto Modular II tönt wie die Conchess-Modelle. Gegenüber dem legendären Superconny hat der Expert noch ein paar Features hinzugewonnen: Wie beim Elite blinken jetzt zwei LEDs wechselweise, während das Gerät "denkt", ferner kann der Benutzer eine Gambit- oder Turnierbibliothek anwählen - eine wirklich erfreuliche Anpassungsmöglichkeit an die jeweilige Laune des Benutzers -, und er kann den Computer im Autoplay laufen lassen. Dann muss er allerdings, falls er die Partie "live" verfolgen will, mit dem Setzen der Figuren auf den untersten Spielstufen recht fix sein, denn der Expert wartet nicht auf die Zugausführung, sondern macht munter weiter. Ein letztes, besonders herausragendes, Charakteristikum des Expert ist seine Fähigkeit, über die Tastenkombination SET LEVEL/RESTORE zu einer einmal aufgesetzten Stellung "zurückzuspringen". Nützlich bei Stellungsanalysen!
Das muss man beim Mephisto wirklich beanstanden: Nach einer Partie ist es nicht möglich, per Tastendruck zum Partieanfang zu springen. Wer etwas nachspielen will - etwa, um ein interessantes Spiel aufzuschreiben -, muss vorher alle Züge rückwärtsspielen.
Mephisto: Logische Bedienung...
Dass der Expert einen "Puffer" von zwanzig Partien zum Zwecke der Vermeidung langweilender Wiederholungen besitzt, verkündet zwar der NOVAG-Prospekt, in der Bedienungsanleitung jedoch findet sich kein Hinweis darauf. Der interne Speicher des Gerätes kann übrigens bei Störungen über einen Schalter an der Unterseite des Gehäuses jederzeit gelöscht werden. Derlei Annehmlichkeiten kann der Mephisto nicht bieten. Dafür wartet er mit dem bekannten 16-Tasten-Feld auf, dessen Bedienung man schnell begreift und die durch ihre Logik besticht. Zug zurücknehmen: MEM zweimal drücken. Wieder vorspielen: Dieselbe Taste noch einmal drücken. Über LEV wählt man Spielstufen und Sonderfunktionen (Ton aus, Brett drehen) an, LEV/MEM liefert den Monitor-Modus. Das interne Brett leert man mit POS/ENT und für ganz neue Spiele müssen zwei RES-(Reset)-Tasten gleichzeitig bedient werden, um versehentliches Löschen zu vermeiden. Figuren werden so eingeben: POS drücken, dazu Figurensymbol und Figur einfach aufstellen. In dieser Hinsicht ist der Mephisto dem Expert deutlich überlegen, denn beim NOVAG-Gerät gestalten sich Stellungseingaben wesentlich diffiziler.
...dank Display
Die Bedienung des Mephisto ist logischer und klarer als die des Expert, man begeht wesentlich weniger Fehler. Außerdem hilft einem in allen Phasen des Spieles oder der Analyse das vielgerühmte Display. Doch auch hier schafft der Printer des Expert einen Ausgleich: Er kann die gesamte Figurenaufstellung zu jedem Zeitpunkt einer Partie ausdrucken. Während der Mephisto konservativ bleibt, bietet der Expert einige reizvolle, zusätzliche Funktionen: Will man einen irrigen Zug zurücknehmen, so kann dies im Gegensatz zum Mephisto während der Rechenphase des Gerätes geschehen. HINT (Zugvorschlag bzw. erster Zug der Hauptvariante) liefert stets eine Antwort, auch sofort nach dem Aufsetzen einer Stellung. Schaltet man den "Sound" ab (er kann beim Expert in der Tat ein wenig nerven), werden dennoch beendete Rechenphasen akustisch angezeigt: Gut!
Die Spielstufen kann man neuerdings (im Gegensatz zum Superconny und seinen Vorläufern) auch durch aufgesetzte Figuren wie bei den Fidelity-Geräten anwählen. Lässt man Partien ausdrucken, fehlt hingegen die vollständige Notation, die noch beim Super-Constellation über FORMSIZE geschaltet werden konnte.
Beide Geräte zeigen Zugalternativen an: Beim Mephisto aktivieren zwei Tasten den Zufallsgenerator, während der Expert über NEXT BEST eben diesen zeigt. Die Anleitungsbücher beider Geräte verdienen die Note "Gut", allerdings fängt man bei Hegener & Glaser so ziemlich bei Adam und Eva an, während sich NOVAG mit Flussdiagramm-Darstellungen eindeutig an den Experten wendet (doch nicht da-her der Name: Ein "Expert" ist im Angelsächsischen ein Spieler mit mehr als 2200 Elo).
Wermutstropfen
In die Freude über den Drucker als brauchbare und teilweise überlegene Alternative zum Display mischte sich im Testverlauf ein Wermutstropfen: Das Netzgerät des Druckers (24 Volt) gab unverhofft den Geist auf. Eine Nachfrage beim NOVAG-Importeur, der Fa. Zens in Nürnberg, ergab, dass diese Netzgeräte irreparabel kaputt gehen können, wenn man zuerst den Gerätestecker an-stelle des Netzsteckers herauszieht (!). Wenn so etwas im Jahre 1986 überhaupt noch vorkommt, sollte der Betriebsanleitung des Druckers wenigstens ein Hinweis beigefügt sein. Doch genau dies ist nicht der Fall.
Die Spielstärke
Doch nun zum Kapitel Spielstärke. Die besagten "Verwandten", der Mephisto Amsterdam und der Super Constellation, gelten als ziemliche Asse, ersterer besonders in positioneller Hinsicht, letzterer als guter Blitzer.
In der Tat liegt auch beim Expert hier eine enorme Stärke. Einem erstem Eindruck zufolge hat das neue 64-K-Programm positionell an Verständnis gewonnen, ohne taktisch wesentlich schwächer geworden zu sein (siehe Colditz-Test). Die Vergrößerung des ROM-Inhaltes gegenüber dem Superconny um 8 KByte wird zum Teil durch die auf 22000 (Conny: 20000) Halbzüge vergrößerte Eröffnungsbibliothek sowie die hinzugekommenen Features erklärlich. Alles in allem dürfte es sich also um ein (positionell) leicht verbessertes Superconny-Programm handeln. Tatsächlich zeigen sich zwischen Expert und Super Constellation sowohl im Colditz- als auch im "Scheidl"-Test (vgl. CSS 1/86, S.30) große Profilähnlichkeiten, die diese Annahme stützen. Erfreulicherweise ist Connys attraktivste Eigenschaft, das (Qualitäts-)Opfer vielerorten, erhalten geblieben. Das erstaunliche Qualitätsopfer 17.Se3! aus CSS 6/84 ("Safe-Knacker") spielt auch der Expert, und zwar nach wenigen Sekunden.
Gerüchte, die besagen, dass der Expert im direkten Vergleich mit dem Super Constellation schlechter abschneide, können wir aufgrund noch Zuwenig gespielter Partien nicht bestätigen - allerdings auch nicht widerlegen. Mit Sicherheit jedoch ist er gerade im 5-Minuten-Blitz ein gewaltiger Gegner. Dies beweisen nicht zuletzt seine Partien gegen den MM II (siehe Partiebeispiele).
Die taktische Keule
Von geringerem Positionsverständnis als der Expert (oder gar der Mephisto Amsterdam) ist der Mephisto MM II. Seine Stärke liegt eindeutig im taktischen Bereich, wo er allenfalls von den schnellen Conchess-Versionen zu übertreffen ist. Gesunde Spielanlagen sind nicht sein Fall, aber wehe, er sieht innerhalb seines (teilweise selektiv vergrößerten) Horizontes einen Materialvorteil oder gar ein Matt! Dann folgt unausweichlich die taktische Keule, dass die Augen tränen. Dennoch tut er sich gerade bei kurzen Antwortzeiten schwer gegen den Expert. Es gibt eben nicht immer etwas zum Herumprügeln, und in der Zwischenzeit sollte man auch mal nach der Ordnung in der Stellung sehen. Das wiederum kann der Expert besser.
Am Ende dieses Testvergleiches steht natürlich die Gretchenfrage, welches der beiden Geräte vorzuziehen sei. Wir wollen dieser Frage nicht mit unverbindlichen Formulierungen ("jedem das Seine...") aus dem Wege gehen, sondern klipp und klar antworten: Der Mephisto bietet, vergleicht man nur die Grundgeräte, mehr als der Expert und das für weitaus weniger Geld. Zudem ist er ausbaufähig auf kommende Programme (falls Programmierer Ulf Rathsman doch eines Tages das positionelle Spiel entdeckt). Bezieht man dagegen den Drucker ein, liegt der Expert mit seinen Extra-Features vorn. Dann allerdings wird der Preisunterschied schon gravierend.
Was uns gefiel | Was uns nicht gefiel | |
---|---|---|
MM II | Sehr schönes Gerät Logische Bedienung Display Starker Taktiker |
Kann nicht zum |
Expert | Sehr schönes Gerät Gutes Positionsverständnis Gute Sensoren |
Preis Viele Features erst mit Drucker möglich Töne etwas nervend |
Partiebeispiele