VEB Mikroelektronik Erfurt

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VEB Mikroelektronik "Karl Marx" Erfurt,
vor 1983 als VEB Funkwerk Erfurt bezeichnet, war ein Volkseigener Betrieb (VEB) zur Herstellung von Mikroelektronik und Halbleiterbauelementen mit Sitz in Erfurt, damals DDR, und Leiter des gleichnamigen Kombinats VEB Kombinat Mikroelektronik "Karl Marx" Erfurt, das unter dem Warenzeichen Rundfunk- und Fernmelde-Technik (RFT) produzierte. Das Funkwerk Erfurt ging während der Sozialisierung in der DDR 1948 aus einem ehemaligen Telefunken-Betrieb hervor. Unter dem einheitlichen Namen RFT firmierten in den 1980er Jahren das Kombinat Rundfunk- und Fernsehtechnik, das Kombinat Nachrichtenelektronik und der VEB Industrievertrieb Rundfunk und Fernsehen, mit seinem Handelsbetrieb, den Werkstätten und dem Antennenbau. Aber auch einzelne Betriebe der Kombinate Robotron Dresden, Meßelektronik Dresden, Mikroelektronik Erfurt und des Kombinates Geräte- und Reglerwerk Teltow gehörten zum Warenzeichenverband. RFT war die Einheitsmarke, unter der von der Elektronenröhre, über Transistor, Mikrochip, Kondensator, Antennenanlage bis hin zum kompletten Kurzwellensender im 250-Kilowatt-Bereich alles vertrieben wurde, was die DDR-Nachrichtentechnik zu bieten hatte. Nach der Wende 1990 wurde es sukzessive zu den X-FAB Silicon Foundries weiterentwickelt.

Existenz: 1981 - 1989

Schachcomputer

Schachcomputer in der DDR

Die Entwicklung von Schachcomputern in der DDR verlief in mehreren Stufen vom Prototyp bis zur Serienreife.

Hintergrund

Im VEB Mikroelektronik „Karl Marx“ des Kombinats Mikroelektronik Erfurt („VEB Funkwerk Erfurt“) wurde untersucht, wie der entstandene Rückstand zum westlichen Niveau der Konsumgüter verringert werden kann.

Das Kombinat hatte zwei wesentliche Produktlinien:

  • elektronische Bauelemente
  • elektronische Messgeräte

Die Entwicklung und Produktion von Schachcomputern erfolgte in den Betriebsteilen des Messgerätewerkes. Spezialisten des Bauelementewerkes wurden zunächst beauftragt, mit den im Werk produzierten mikroelektronischen Bauelementen vergleichbare Produkte zu applizieren – darunter auch Schachcomputer. Die Schachcomputer waren seinerzeit auf dem westlichen Markt bereits als Massenproduktion vorhanden, in den sozialistischen Ländern jedoch nur vereinzelt.

Die Mikroelektronik, dann auch die Konsumgüterindustrie mit mikroelektronischen Bauelementen, waren wirtschaftlich gesehen Zuschuss-Segmente der Volkswirtschaft der DDR. In einem Artikel des ICGA-Journals ist dargestellt, wie für die DDR-Schachcomputer-Entwicklung und -Produktion Anleihen bei Hard- und Software im Westen gemacht wurden. [1]

SC 1

Der Schachcomputer SC 1, von dem etwa ein Dutzend gebaut wurden, war eine Kleinstserie zur Demonstration der Leistungsfähigkeit mikroelektronischer Bauelemente aus der Produktion der DDR.

Das Gehäuse bestand aus einem Holzrahmen, das Schachbrett war ein Aluminiumblech, auf dem die Schachfelder aufgedruckt waren. Das Design war ganz offensichtlich an die Modelle Chess Challenger 3 bzw. Chess Challenger 10 von Fidelity Electronics angelehnt. Die Eingabe der Schachzüge wurde mittels einer Tastatur analog zu der eines Taschenrechners realisiert. Die Ausgabe der Schachzüge erfolgte über eine 4-stellige 7 Segment-LED-Anzeige.

Das Programm des Prototyps war noch keine Eigenentwicklung.

Der SC 1 fand bei den für die Aufnahme einer Serienproduktion Zuständigen sofort eine rege Zustimmung und führte zu dem Auftrag, diesen Schachcomputer sofort bis zur Serienreife weiterzuentwickeln. Dabei ergaben sich folgende Schwerpunkte für die Entwicklungstätigkeit:

  • kostengünstige Fertigung
  • Verwendung von Bauelementen aus der eigenen Produktion
  • preiswertes Gehäuse
  • leistungsstarkes Programm.

Das Gehäuse des SC 1 mit Holzrahmen und die Montage mit vielen Schrauben wäre für eine Serienfertigung sehr kostenintensiv gewesen. Außerdem hatte das Funkwerk keine Fertigungskapazität für Holzerzeugnisse.

SC 2

Um kostengünstig produzieren zu können, wurde entschieden, ein Kunststoffgehäuse zu konstruieren. Das erforderliche Werkzeug sollte schnell und billig entstehen, was zu der Entscheidung führte, ein Gehäuse aus Polyurethan einzusetzen. Dieses konnte einfach gefertigt werden. Nachteilig war die dicke Materialstärke, wodurch auch keine hohen gestalterischen Ansprüche erfüllt werden konnten. Dafür war die Lösung schnell umgesetzt und es entstand der SC2.

Da man sich zum damaligen Zeitpunkt nicht in der Lage sah, ein eigenes Programm zu erstellen, kam im SC2 das amerikanische Fidelity Chess Challenger 10 C Programm von Ron Nelson zum Einsatz, das man einfach aus dem "Westen" übernahm. Das damals bereits 4 Jahre alte Programm erreichte eine Elo-Spielstärke von ~1200 mit einer kleinen Eröffnungsbibliothek von 76 Halbzügen.

Vom SC 2 wurden in den Jahren 1981 bis 1983 einige hundert Exemplare, vorwiegend im Inland, verkauft. Die Vorstellung des SC 2 auf Messen und die Marktforschung ergaben keine guten Exportmöglichkeiten in das westliche Ausland, was jedoch eine wichtige Aufgabe für die Produzenten von Konsumgütern in der DDR war. Für die Inlandnachfrage war der SC 2 wiederum zu teuer.

Man setzte den Export in westliche Länder als Devisenbeschaffung als ausdrückliches Ziel. Daraufhin wurde der Schachcomputer für den Export in westliche Länder weiterentwickelt.

Wegen der Sättigung der westlichen Märkte mit Billigprodukten an Schachcomputern wurde als Zielgruppe speziell der gehobene Bedarf definiert. Dies erforderte insbesondere ein niveauvolles Gehäuse und anspruchsvollere Schachprogramme.

Chess-Master

Das Erfurter Entwicklungsteam anno 1983: Programmierer Rüdiger Worbs (hinten links), Projektleiter Holger Faltermeier (Mitte) und Schachberater IM Dieter Stein (rechts)

Im Funkwerk wurde daraufhin im Jahr 1985 eine spezielle Abteilung für die Entwicklung der Schachcomputer und anderer Konsumgüter gegründet. Für diese Abteilung wurden zwei ausgezeichnete Schachspieler mit Programmierfähigkeit gewonnen. Für die Gehäusegestaltung der Schachcomputer und weiterer Konsumgüter wurden die Konstrukteure und Entwickler eingesetzt und zwei Designer eingestellt. Das Design des Chess-Master wurde von Bernd Stegmann, Dankmar Leffler, Rudolf Lorenz entworfen und am 20. Januar 1984 durch VEB Mikroelektronik "Karl Marx" Erfurt als Geschmacksmuster angemeldet [2]

Insgesamt haben bis zu 28 Ingenieure und Facharbeiter des VEB Mikroelektronik "Karl Marx" Erfurt Konsumgüter, primär Schachcomputer, entwickelt. Damit wurden Ressourcen für eine selbständige Produktlinie gebildet, denen auch eine eigene Fertigungsstätte unweit von Erfurt in Plaue zugeordnet wurde. Die meisten Produkte auf dem westlichen Markt waren Massenfertigung und in Plastgehäusen untergebracht. Beim gehobenen Bedarf ging man bei der Zielgruppe auch von aktiven Schachspielern als potentielle Kunden aus, die sicher ein Schachbrett aus Holz bevorzugen würden. Die Normgröße der Schachbretter wurde also unter diesem Aspekt als wichtig angesehen und realisiert: Der Chess-Master war genauso groß wie ein Standardbrett bei Schachturnieren, im Gegensatz zu bisherigen Schachcomputern, die aus Kostengründen meist kleiner gefertigt worden waren.

Als weitere Zieleigenschaft wurde die Eingabe direkt durch die Figuren auf das jeweilige Schachfeld angesehen. Für die Eingabe über die Schachfigur wurde ein magnetisches Wirkprinzip gewählt. Alle Schachfiguren wurden unten aufgebohrt und bekamen kleine, runde Magnete eingeklebt. Ein technisch zu lösendes Problem war nun, das Magnetfeld durch das 12 mm dicke Schachbrett auf die Leiterplatte zu den dort befindlichen Sensoren (Hall-Sensoren) zu bekommen. Diese Wirkung konnte nur erzielt werden, indem in das Schachfeld für jedes einzelne Feld ein Stahlstift eingelassen wurde. Danach kamen mit einer präzisen Technologie die dünnen Furniere beidseitig auf die hölzerne Trägerplatte. Die Erfinder erhielten für diese Lösung Patente. Die Anzeige der berechneten Schachzüge erfolgte wiederum mit LEDs auf den betreffenden Schachfeldern.

Das Gehäuse dieses Schachcomputers war also eine anspruchsvolle Holzkonstruktion mit in feinwerktechnischer Präzision eingearbeiteten Stahlstiften. Als Produzent hierfür wurde eine Möbel-Produktionsgenossenschaft (PGH) gewonnen, die mit der geforderten Präzisionsarbeit eine außergewöhnliche Herausforderung gemeistert hat. Entstanden ist ein hochwertiger, auch ins westliche Ausland verkaufter Schachcomputer: der Chess Master mit neuem Programm, Holzgehäuse, magnetischer Eingabe und Ausgabe mit LED-Anzeigen.

Im Gegensatz zu den früheren Modellen SC 1 und SC 2 kam beim Chess-Master ein eigens entwickeltes Programm von Rüdiger Worbs und Dieter Schultze zum Einsatz, das jedoch nur eine geschätzte Spielstärke von ELO 1100 erreichte. Der Mikroprozessor des Chess-Master war ein UB880 D mit 8 Bit und einer Taktfrequenz von 2,5, später 4 MHz. Allerdings hält sich das Gerücht, dass im Chess-Master ein Programm werkelt, welches Anleihen des Chafitz ARB Sargon 2.5 enthält.

Der Chess-Master wurde später mit Bauelementen mit höherer Arbeitsgeschwindigkeit unter gleicher Bezeichnung weiterentwickelt, wobei die übrigen Eigenschaften erhalten blieben. Er wurde 1984 auf Messen vorgestellt und anschließend zu Tausenden ins westliche und östliche Ausland sowie im Inland verkauft. Der Verkaufspreis in der DDR betrug 1580 Mark (Mark der DDR). Bei der 3.Schachcomputerweltmeisterschaft in Budapest belegte er den 16 von 18 Plätzen, erreichte aber unter den kommerziell verfügbaren Systemen den zweiten Platz.

Dieser Schachcomputer stand mit seinem Namen Pate für das DDR-Computerspiel Video Chess-Master.

Chess-Master Diamond

Für die Weiterentwicklung des CM wurde für die Entwickler vorgegeben, zusätzliche Programme schnell für Kunden zugänglich zu machen. Die gewählte technische Lösung hierfür waren von außen einschiebbare, auswechselbare Kassetten. Zum optionalen Lieferumfang gehörte je ein Eröffnungs- und Endspielmodul, die unterhalb der Tastatur eingesteckt werden konnten.

Wichtigstes äußeres Unterscheidungsmerkmal in Bezug auf den CM war ein zusätzliches Kommunikationsfeld rechts oben (siehe Abbildung), das als vierstellige LED-Anzeige ausgeführt war. Das Schachprogramm konnte hier unter Verwendung von 16-Segment-Anzeigen aktuelle Informationen zum Spielstand und zur Bedienung ausgeben. Es stammte wiederum von Rüdiger Worbs (diesmal im Verbund mit Wolfgang Pähtz), erreichte jedoch nur eine ELO von ~1200 – zu einem Zeitpunkt, als westliche Schachcomputer bereits ein unvergleichlich höheres Niveau von ELO 2000 boten.

In Hinblick auf den Verkauf ins westliche Ausland wurde der Name des CM klangvoll ergänzt: Chess-Master Diamond.

Dem Export geschuldet ist auch die sehr attraktive Gestaltung der Verpackung und der Bedienungsanleitung des Schachcomputers, damals vorgenommen von einem auf dem westlichen Markt erfahrenen Designer.

Chess-Master (1984) und Chess-Master Diamond (1987) wurden im In- und (westlichen) Ausland verkauft. Allerdings "verleumdeten" beide Geräte ihre DDR Herkunft und wurden unter dem Firmennamen "Radiophon Gmbh" vertrieben. Der Chess-Master Diamond kostet im "Westen" (BRD) 589 DM. Die Herstellung des Chess-Master kostete über 1.000 DDR-Mark, beim Verkauf in den Westen bekam die DDR aber nur etwa 120 DM.

Chess-Master Schachtisch

Wurde mit dem Chess-Master schon erfolgreich der gehobene Bedarf gedeckt, ging die Zielrichtung für die Weiterentwicklung an einen speziellen, solventen Kundenkreis, der auch die repräsentative Wirkung des Schachspiels schätzte. Die Konstrukteure entwickelten einen Schachtisch, in dem die komplette Elektronik integriert war. Dies war eine Weltneuheit, die dann nach kurzer Bewertung des Marktes auch sofort umgesetzt wurde.

Als Elektronik wurde die des Chess-Master verwendet. Der Tisch selbst war eine spezielle Konstruktion unter Berücksichtigung der konkreten Anforderungen. Damit die Funktion als Tisch gesichert werden konnte, waren die Bedienelemente seitlich einschiebbar gehalten, so dass im eingeschobenen Zustand ein normaler Schachtisch sichtbar war. Das Tischbein war hohl, um darin das Netzkabel unterbringen zu können. Unter der Tischplatte nahmen Aluminiumprofile die Kräfte der Tischplatte auf und übertrugen diese auf das Tischbein.

Für den Transport wurden das Tischbein und die Füße abgeschraubt, so dass eine relativ transportfreundliche Größe entstand (das gleiche Prinzip, das auch bei IKEA-Möbeln angewandt wird). Als Umverpackung wurde eine Holzkiste verwendet, die auch die Stoßsicherheit des Schachcomputertisches beim Transport gewährleistete.

Vom Schachtisch wurden einige Dutzend produziert und zumeist in westliche Länder exportiert.

Weitere Pläne

Mit der Massenproduktion von mikroelektronischen Bauelementen wurden diese auch preisgünstiger, so dass die Produktion von Schachcomputern zu erschwinglichen Preisen ins Auge gefasst werden konnte. Für dieses Anliegen wurden Designer tätig. Für einen völlig neuen Schachcomputer wurde ein erstes Gestaltungsmuster, noch ohne jegliche elektrische Funktion, hergestellt. Die Umsetzung dieses Erzeugnisses wurde mit dem Niedergang der DDR nicht mehr realisiert.

SLC1

SLC1 (Schach- und Lerncomputer 1) ist ein Schachcomputerbausatz, der 1989 erschien.

Einzelnachweise

  1. Ingo Althöfer: Computer Chess and Chess Computers in East Germany; ICGA-Journal, Jahrgang 42, Heft 2-3, 2020, S. 152–164 (englisch)
  2. (GS/RN: 15191AKZ/AN: U 3521 Urheberschein) Quelle: Register DDR-Designs - AfEP, PATON

Seite „Schachcomputer in der DDR“. In: Wikipedia – Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 2. Dezember 2022, 09:06 UTC. URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Schachcomputer_in_der_DDR&oldid=228489765 (Abgerufen: 4. Februar 2023, 17:40 UTC) + Zusätzliche Ergänzungen bzw. Korrekturen (Chessguru (Diskussion))


Staatsgeschenk für Fidel Castro

Deutsch-Deutsche Geschichte(n) - von Karsten Bauermeister (aus Computer Schach & Spiele / Heft 5 / Oktober-November 1999)

Schach genoß in der DDR einen völlig anderen Stellenwert als in der Bundesrepublik. Auf dem deutschen Gebiet hinter dem eisernen Vorgang spielten im Verhältnis wesenlich mehr Leute Schach als im kapitalistischen Westen. So verwundert es nicht, dass man sich in der DDR irgendwann auch mit der Entwicklung eines Schachcomputers beschäftigte.

SC 1

Alles nur geklaut

So lautete der Titel eines Liedes der Gruppe "Die Prinzen" Mitte der 90er Jahre. Ähnlich könnte auch der Arbeitstitel der ersten Schachcomputer des VEB Funkwerk Erfurt im VEB Kombinat Mikroelektronik "Karl-Marx" (laut Anleitung zum SC 1 ein "Volkseigener Außenhandelsbetrieb der Deutschen Demokratischen Republik") gelautet haben. Für den SC 1 hatte man nämlich einfach ungefragt das Programm eines Fidelity-Schachcomputers übernommen, ironischerweise ein Produkt aus dem Land des Klassenfeindes USA. Dieser Schachcomputer wurde Anfang der 80er Jahre gebaut und nur innerhalb der Grenzen der DDR verkauft. Dementsprechend unerschwinglich war er denn auch für die meisten Bürger des Ostens. So verwundert es nicht, dass die produzierte Stückzahl verschwindend gering blieb. Die Zahl von 20 Stück, die mir einmal genannt wurde, ist allerdings nicht verbürgt.

Das Gerät hatte einen häßlichen Holzrahmen mit einer grünlichen Brettoberfläche, 15 blauen und weißen Tasten sowie zwei zweistelligen Displays. Irgendwie wirkt das heute mehr wie ein Prototyp, doch damals mag es der ganze Stolz so manchen DDR-Bürgers gewesen sein. Erwähnrnswert ist noch, daß der Adapter mit einer fliegenden Sicherung ausgerüstet war. Ein Extra, welches ich mir bei so manchem hochgelobten Westprodukt wünscht hätte!

Zweite Auflage

SC 2

Die unfertige Ausführung ließ den Kombinatsleiter aber wohl nicht ruhen, jedenfalls wurde das Gerät zum SC 2 weiterentwickelt und im Frühjahr 1981 auf der Leipziger Messe vorgestellt. Der Computer wies immer noch das leicht überarbeitete Chess Challenger 10-Programm von 9 KByte Umfang auf, was aber niemanden störte. Das Gehäuse bestand nun aus einem ca. 10 cm hohen Bakelit-Rahmen, der allein so viel wiegt wie ein Mephisto Exclusive-Gehäuse heute. Die Tasten wurden vergrößert und anders angeordnet, ebenso wie die grüne LED-Anzeige. Nur die Figuren blieben dieselben. Die hausbeackene Ausführung bremste die Werbestrategen des Kombinats jedoch nicht im geringsten in ihren Aussagen. In den schönsten sozialistischen Satzprügungen priesen sie das in homöopathischen Dosen auch im Westen angebotene Gerät im Prospekt und mehr noch auf einem Beipackzettel in Löschpapierqualität: "Sie brauchen nicht auf eine Partie zu verzichten, wenn kein Partner zur Verfügung steht, der Ihrem spielerischem Niveau entspricht. Mit dem Schachcomputer SC 2 bieten wir Ihnen ein elektronisches Erzeugnis, das sich durch seine vielfältioen Fähigkeiten wahlweise als angenehmer Spielpartner oder ernstzunehmender Gegner präsentiert." Und weiter: "Der Schachcomputer SC 2 findet seine Freunde nicht nur bei Einzelpersonen, sondern auch in Sportgemeinschaften, Ferienheimen, Feierabendheimen. medizinischen Einrichtungen, wie Kurheimen, Sanatorien und Krankenhäusern sowie in Betrieben und Institutionen mit Bereitschaftsdiensten."

Chess-Master

Die moderne Generation

1983 konnten die Teilnehmer der Mikro-WM in Budapest dann die nächste Entwicklungsstufe des DDR Schachcomputers, nunmehr Chess-Master genannt, bestaunen. Dieses Gerät besaß ein Magnetsensorbrett mit so starken Magneten in den Figuren, dass diese sogar automatisch zentriert wurden. In CSS 4/85 frotzelte der Rezensent, dass die Figuren auf einer beliebigen senkrecht montierten Metallfläche als Kleiderhaken dienen könnten. Bemerkenswert war noch die Stellungseingabe, auf die man sichtlich stolz hinwies: Sämtliche Felder des Brettes waren im Eingabemodus nämlich einem Figurentyp zugeordnet. Figuren, die hinzugefügt werden sollten, mußten kurz ein entsprechendes Feld bestreichen und wurden auf diese Weise identifiziert. Die ganze Stellungseingabe kam daher praktisch ohne Tastendruck aus. Gar nicht gemäß Fünfjahresplan wurde das Gerät übrigens in der Folge einmal technisch "upgedated". Statt der 2,5 MHz der Anfangszeit arbeitete der "Genosse" danach mit 4 MHz das 10 KByte große Programm ab.

Diamant des Ostens

Chess-Master Diamond

Einige Jahre später - es mag 1988 gewesen sein - modifizierte man in Erfurt dann den Chess-Master, und es entstand der Chess-Master Diamond der eine ganze Reihe von innovativen Funktionen aufwies: Die Bedienung war menügesteuert, der Benutzer konnte sich zum Beispiel eine Liste sämtlicher möglichen Züge anzeigen lassen und einzelne Züge von der Suche ausschließen. Die Rochaderechte waren getrennt einzugehen, und die Notation konnte sogar in Fernschachnotation oder im Udemann-Codesystem ausgegeben werden!? Am interessantesten war jedoch das integrierte Modulsystem mit zwei mitgelieferten Steckkarten. Einerseits war da das Eröffnungsmodul mit etwa 800 Varianten, zum zweiten gab es ein "Ending-Moul" mit einigen einfachen Strategien im Bereich der Opposition und der Turmendspiele. Genutzt hat es alles nichts - obwohl das komfortable Gerät für nur 448.- DM angeboten wurde, reichte die Spielstärke (geschätzte 1600 Elo) einfach nicht, um dem Computer zum Durchbruch zu verhelfen.


König der Schachcomputer

Chess-Master Schachtisch - Foto Author: Erdmann Schleinitz

Doch das eigentliche Schmuckstück unter den Schachcomputern war der Chess-Master Schachtisch! Von diesem Gerät wurden nur ca. 10 Exemplare hergestellt und überwiegend als Staatsgeschenke ausgegeben.

So soll beispielsweise Kubas Staatschef "Revolutionsführer Fidel Castro" von Erich Honecker ein Exemplar in sozialistischer Bruderliebe überreicht bekommen haben. Dieser dürfte sich gefreut haben. Neben dem wunderschönen hölzernen Tisch gab es handgeschnitzte Figuren und eben das technische Innenleben und das Programm des alten Chess-Master (nicht das des Diamond). Allerdings ist diese nette Geschichte nicht offiziell belegt.

Mit Sicherheit ist dieser Chess-Master Schachtisch - einen eigenen Namen hat man ihm leider nicht verliehen - einer der seltensten und aufsehenerregendsten Computer, die je gebaut wurden.

Der Rest der Geschichte ist bekannt: Nach dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik wurden sämtliche ehemaligen volkseigenen Betriebe zunächst durch die Treuhand verwaltet und schlußendlich nicht selten stillgelegt. Auch das ehemalige VEB Mikroelektronik "Karl Marx" ging diesen Weg, was das Ende des Chess-Master und seiner Geschwister bedeutete.

Quelle: C Computer Schach & Spiele / Heft 5 / Oktober-November 1999 / Seiten 32-33 / Autor: Karsten Bauermeister