Mephisto Lyon 68030

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Mephisto Lyon 68030 (Turniermaschine)
Hersteller Hegener & Glaser
Markteinführung 1990
CElo 2297
Programmierer Lang, Richard
Prozessor 68030
Prozessortyp 32 Bit
Takt 36 MHz ("Verkaufsversion") bzw. 50 bis 66 Mhz ("WM-Version")
RAM 2048 KB ("Verkaufsversion") bzw. 8.192 KB ("WM-Version")
ROM 128 KB
Bibliothek ~13.000 Varianten / >100.000 Halbzüge
Einführungspreis 15.000 DM (7.670 €) in der "Verkaufsversion" bzw. 25.000 DM (12.782 €) in der "WM-Version"
Rechentiefe 34 Halbzüge
BT-2450 2163
BT-2630
Colditz
Verwandt Mephisto Lyon
Zugeingabe Magnetsensoren
Zugausgabe 64 Feld-LEDs
Display 2 x 16-stellige Punktmatrix
Stromversorgung Netz HGN 5015 (12V~)
Spielstufen (fast) alle denkbaren
Maße 50 x 50 x 9,5 cm / Brettgröße 40 cm / Feldgröße 5 cm / Königshöhe 92 cm
Sonstiges
Schublade, Lüfter, Weltmeister 1990 + kampflos in der Herstellergruppe, genaue Typen Bezeichnung Mephisto Turniermaschine Lyon

Die Mephisto-Turniermaschinen (nachfolgend als TM bezeichnet) waren Spezialanfertigungen und wurden anlässlich der Schachmicro-WM's der WMCCC zwischen 1989 und 1992 vorwiegend von der Hobby Computer Centrale München verkauft. Das Holzgehäuse basierte auf dem bewährten ESB-Brett. Diese Spezialgeräte unterschieden sich merklich von den 32-Bit "Serienmodulen" (Motorola 68020 mit 12 Mhz und 1 MB RAM), welche gegenüber den TM deutlich langsamer rechneten. Schätzungsweise wurden von den TM in der "Verkaufsversion" (Portorose - Vancouver 68030 mit 36 Mhz) von 1989 bis 1992 zwischen 25 und 50 Geräte an zahlungskräftige Kunden verkauft. Für die entsprechende Kühlung sorgten zwei im Gerät eingebaute Ventilatoren.

Bei den Weltmeisterschaften 1989 bis 1992 traten wiederum speziell getunte WM-Geräte an. Die TM in der "WM-Version" unterschieden sich von den TM in der "Verkaufsversion" durch handverlesene 68030 CPU's, einem Schnellwechsler für die EPROMS und die fehlende Abdeckung/Blende auf der Tastatur und dem Display. Offiziell gab es die 68030 CPU bis maximal 50 Mhz. Die Hardware wurde dann von den Mephisto-Ingenieuren in einem Auswahlprozess aufeinander abgestimmt und angepasst. Ab 1991 wurden zusätzlich die CPU's übertaktet. Bei jedem Gerät handelte es sich somit um ein "Unikat". Für die entsprechende Kühlung sorgten drei eingebäute Ventilatoren. Um die Hash-Tables bei Turnierbedingungen optimal auszunutzen -insbesondere in langwierigen Endspielen- war der Arbeitsspeicher bei den "WM-Versionen" mit 8 MB RAM viermal (!) so groß und deutlich schneller als bei den TM in der "Verkaufsversion". Frühere Recherchen bei der Hobby Computer Centrale ergaben, dass von der TM in der "WM-Version" vermutlich insgesamt nur 6 bis 7 Stück in Handarbeit hergestellt wurden, und zwar

  • wahrscheinlich 2-3 Geräte mit 50 Mhz Taktfrequenz -> spielten mit dieser Hardware bei den WM in Portoroz 1989 und Lyon 1990
  • wahrscheinlich 2 Geräte mit 60 bis 62 Mhz Taktfreqzenz -> spielten mit dieser Hardware bei der WM in Vancouver 1991
  • wahrscheinlich 2 Geräte mit 66 Mhz Taktfrequenz -> spielten mit dieser Hardware bei der "offenen WM" in Madrid 1992


Fazit: Die TM stellten Ende der 80er/Anfang der 90er Jahre die "Krönung" im konventionellen Schachcomputerbau dar. Seinerzeit wurde das maximal technisch machbare mit diesen "Monstern" realisiert, angefangen von den eingebauten Lüftern, welche ein unnachahmliches "Säuseln" und einen eigenständigen Geruch im Raum verbreiteten bis zur imposanten Außenerscheinung. Gleichzeitig markierten diese Boliden das Ende der Brettcomputer-Ära. Die TM üben insofern auch heute noch auf viele Schachcomputerliebhaber einen besonderen und unnachahmlichen Reiz aus und sind insofern begehrte Sammlerstücke.


Spielwiese der Tester

Mephisto Lyon: Der Veränderbare (Quelle: "Das österreichische Schachcomputer-Magazin MODUL" - Ausgabe 4/1990 von Andreas Mader)

Das Glück des Tüchtigen war den Mephisto-Leuten auch in Lyon (10. WMCCC) hold. Das neue Weltmeister-Programm ist - wie auch schon in den letzten Jahren - gerade noch vor Weihnachten erhältlich und durch einfaches Austauschen zweier EPROMs in den Portorose einzubauen. Diesmal hat sich das Team um Richard Lang besonders viel einfallen lassen, um dem fleißigen Tester die Winternächte kurzweilig zu gestalten. Deshalb soll in diesem Bericht nur von den Neuerungen des Programms die Rede sein, alle schon vom Portorose bekannten Möglichkeiten sind auch jetzt noch vorhanden!

Beim "Durchblättern" des Hauptmenüs fällt als erstes die neue Option Anzeige auf, die aber nichts anderes darstellt, als das aus "FUNK" ausgelagerte Informationsmenü, bei dem man wie gehabt zwischen normaler, rollierender oder selbst programmierbarer Anzeige wählen kann. Dafür findet man im Menü der Sonderfunktionen eine Menge Neuerungen. So ist Mephisto jetzt noch internationaler geworden, denn bei der Sprache lässt sich nicht nur Deutsch oder Englisch einstellen, auch Italienisch oder Französisch stehen jetzt zur Auswahl.

Die Eröffnungsbibliothek kann man entweder in ihrer vollen Pracht von über 100.000 Zügen oder 13.000 Varianten genießen (BIBLOTH ZUFALL), ganz ausschalten (BIBLOTH AUS), oder aber eine (angeblich) speziell auf den Spielstil von Mephisto Lyon ausgerichtete Turnierbibliothek wählen (BIBLOTH TURN). Was also bei anderen Herstellern bereits seit Jahren gang und gäbe ist, hat sich letztendlich auch beim Abonnement-Weltmeister durchgesetzt. Beispielsweise kommt das vom Portorose hin-länglich bekannte und recht exotische 1.e3 dann nicht mehr vor, auf der anderen Seite antwortet Mephisto auf 1.e4 auch nicht mehr mit 1...e5, was offenbar nach dem Willen des Eröffnungs-Gurus nicht dem Stil des Weltmeisters liegt. Sehr wohl als Antwort in Frage kommt aber auf 1.e4 zum Beispiel 1...d6 oder 1...c6 oder gar 1...e6, obwohl die französische Verteidigung zu Recht als für Computer schwierig zu spielen gilt. Damit steht die Realität übrigens im Widerspruch zu einem in der "Europa-Rochade" erschienenen PR-Artikel von (Richard Lang und) Ossi Weiner, in dem behauptet wird, Französisch werde mit Schwarz vermieden. Die harte Turnierpraxis wird zeigen, ob diese Wahl richtig war!

Auch bei der programmierbaren Bibliothek hat sich einiges geändert. Konnte man früher nur stur Züge eingeben, die bei eingeschalteter PROG.BIB auf jeden Fall gespielt wurden, so kann man jetzt tatsächlich "Löcher" in der normalen Bibliothek stopfen, ohne immer gleich durch die gesamte Hauptvariante zwangsbeglückt zu werden. Setzt man hinter die programmierten Eröffnungszüge ein "-", dann speichert der Computer dies als "passive Variante", die vom Rechner nicht zwangsläufig aktiv gespielt, aber auch nicht total unterdrückt wird. Als Beispiel: Die beinahe fatale Eröffnungsbehandlung des Lyon bei der WM gegen Echec 1.9 lässt sich Zug für Zug reproduzieren. Gibt man jetzt sämtliche Züge bis zum 11.Zug passiv ein und legt dann als 12. weißen Zug Lb5+ aktiv fest, dann gehört der fatale Bauernfraß auf b7 ein für alle Mal der Vergangenheit an. Trotzdem wird aber der erste Zug d4 (mit dem die Variante beginnt) mit gleicher Wahrscheinlichkeit wie bisher ausgewählt.

Im Unterschied zum "Löcher stopfen" der Bibliothek, bei dem man Eröffnungszüge dort hineinprogrammiert, wo bisher kein einziger Zug war, ist das "Ergänzen" (etwa in der Form: "Spiele zusätzlich zu 1.e4, d4, c4 und Sf3 noch 1.h4 mit gleicher Wahrscheinlichkeit") nicht oder nur umständlich möglich, vor allem bei Verzweigungen, die erst später auftreten. Hier tritt nämlich genau derselbe Effekt auf wie beim Portorose: Es wird bei eingeschalteter PROG.BIB nur der aktiv programmierte Zug gespielt, und sonst keiner (In unserem Beispiel würde Mephisto nur mit 1.h4 eröffnen). Mein Wunsch ans Programmierteam: Vielleicht ein "Z" wie "Zusätzlich" dort eingeben lassen, wo man mit "-" einen Zug auch passiv machen kann!

Noch eine Neuheit bei der PROG.BIB: Bei mehreren aktiv eingegebenen Zügen wird der erste mit 50% Wahrscheinlichkeit gespielt, der zweite mit 25%, der dritte mit 12.5% usw., Alternativzüge haben also jeweils die halbe Wahrscheinlichkeit des Vorgängerzuges. Da sich das nicht auf 100 Prozent ausgeht, erhält die aller letzte Alternative die Restwahrscheinlichkeit zugewiesen. Man kann auch die Reihenfolge der Züge verändern, um ihre Häufigkeit zu beeinflussen. Damit es nicht zu einfach wird, kann man die Wahrscheinlichkeit einzelner Züge auch noch um die Hälfte erhöhen, indem man diesen Zug mit "I" kennzeichnet. Bei vielen Alternativen und einigen "!" kommt man dann zu tollen Rechenexempeln, wobei ich diese Option für mehr oder weniger entbehrlich halte. Es ist nämlich nicht möglich, allen Alternativen dieselbe Wahrscheinlichkeit zuzuordnen, was ja bekanntlich hin und wieder auch ganz sinnvoll sein soll...

Genug der Bibliotheken, auch sonst hat der Lyon mit interessanten Möglichkeiten aufzuwarten. Blättern wir im FUNKT-Menü weiter, so stoßen wir nach einigen bekannten Punkten auf die Zeile mit den abschaltbaren Bauern-Strukturen. Die Bedienungsanleitung klärt uns auf: "Die Bauernstrukturen sind das Kernstück des positionellen Wissens des Lyon-Programms. Sie beinhalten Informationen, wie bei gegebenen Bauernkonstellationen in der Eröffnung und im Mittelspiel die Figuren optimal positioniert werden. Durch das Ausschalten dieser Funktionen vermindern Sie die Spielstärke, in einzelnen taktisch geprägten Stellungen kann jedoch eine unbefangenere Spielweise die Folge sein.“

Diagramm 1


Was wollen uns diese Zeilen sagen? In Diagramm 1 sehen Sie eine Stellung, die nach zwei Zügen beiderseits in einer Testpartie Mephisto Lyon gegen sich selbst mit ausgeschalteter Eröffnungsbibliothek auf Stufe TIEFE 06 erreicht wurde. (Anhand dieser Partie sollte errechnet werden, um wieviel der 68020 im Durchschnitt schneller ist als der 68000-Rechner - es ist (nur) etwa der Faktor 1.7.) Hier wartet der Lyon mit einem Zug auf, den es wohl bisher bei keinem Computer (errechnet, und nicht aus der Bibliothek!) zu sehen gab: 3.c2-c3! Meine Vermutung, dass hier wohl die Bauernstruktur-Bewertung voll zugeschlagen hat, bewahrheitete sich: Nach Ausschalten dieser Funktion ist der normale Entwicklungszug 3.Sg1-f3 angesagt. Zu Testzwecken recht nett, ist mir der Sinn des Ganzen im praktischen Spiel noch nicht völlig klar geworden, aber vielleicht hat der p.t. Leser einige gute Ideen.

Auf den ersten Blick ebenfalls recht entbehrlich scheint es, die Bewertungen für die Bauern und für die Offiziere verändern zu können. Die Bauern haben normalerweise eine Bewertung von einer Einheit, mit der sie materialmäßig in der Stellungsbewertung zu Buche schlagen. Beim Lyon ist es möglich, diesen Wert bis 0.5 zu verringern oder aber bis 1.5 zu erhöhen (von 50% bis 150% in Zehnerschritten, also 11 Möglichkeiten der Einstellung). Analoges kann man auch mit den Offizieren machen, allerdings nicht getrennt für Dame, Turm, Läufer und Springer, sondern nur gemeinsam für alle. Warum man hier auf halbem Weg stehen geblieben ist und nicht gleich alle Figuren unabhängig voneinander "verstellbar" gemacht hat, kann nur vermutet werden; vielleicht möchte man sich noch Möglichkeiten für den Nachfolger wahrscheinlich Mephisto Vancouver - offenlassen. Experimentiert man einige Zeit mit dieser Funktion, dann merkt man, dass es gar nicht so abwegig scheint, mit den Werten herumzujonglieren. Durch die verschiedenen Kombinationen erreicht man - zusätzlich zu den einstellbaren Spielstilen - noch einmal ein breites Spektrum an Möglichkeiten, das Spielverhalten des Geräts zu beeinflussen. Je tiefer man das Material bewertet, umso mehr fallen die (von der Einstellung unberührten) positionellen Elemente ins Gewicht, während der Remis-Faktor an Bedeutung verliert.

Mephisto Lyon - Echec 1.9 - 10.WMCCC 1990
Diagramm 2


Ein Beispiel in Diagramm 2: Hegener + Glaser wird diese Stellung wohl nicht so gerne sehen, denn sie stammt aus der Partie gegen Echec 1.9 bei der Mikro-WM. Mit 12.Dxb7?? machte Mephisto die Weltmeisterschaft kurzzeitig sehr spannend. Setzt man hier die Bauernbewertung auf 80%, dann lohnt sich der Bauer für den Computer nicht mehr, und er setzt mit Db5+ fort. Hat man diese Möglichkeiten einmal ausprobiert und Blut geleckt, dann wartet man bestimmt gespannt auf die nächste Version des Lang-Programms, bei der dann vielleicht noch größere Intervalle einstellbar und die Werte für die Figuren außerdem einzeln verstellbar sind. Ich würde es mir jedenfalls wünschen!

Berücksichtigt man die verschiedenen Möglichkeiten bei B.STRUKT, B.BEW, F.BEW, STIL und REM.FAKT, so kommt man auf über 5.000 verschiedene Kombinationen; nimmt man auch noch den Zufallsgenerator, die Hashtables und die Eröffnungsbibliothek dazu, hat man ungefähr 61.000 verschiedene Einstellungen, mit denen man ein Spielchen gegen das Lang-Programm wagen kann. Mit ein bisschen Geschick wird man den Lyon also in fast jeder Teststellung dazu bringen können, den gewünschten Zug in einer bestimmten Zeit zu errechnen. Anhand der eingestellten Werte kann man dann auch gut erkennen, welche Kriterien in der Normaleinstellung zu schwach oder zu stark gewichtet wurden und eine Lösung verhinderten. Dabei darf man aber nie vergessen, dass veränderte Parameter vielleicht für eine besondere Stellung ganz gut passen, im allgemeinen Spiel jedoch versagen würden. Nichtsdestotrotz wird es sicher einige Freaks geben, die etwa auf eine Bauernbewertung von 90% bei gleichzeitiger Figurenbewertung von 80% schwören werden und mit jedem auf Mord und Brand streiten, der anderer Meinung ist.

Wie stark die Einstellung von Extremwerten den Verlauf einer Partie beeinflussen und verzerren kann, zeigt folgendes Beispiel (in Klammern die jeweilige Stellungsbewertung):
Weiß: Lyon 16 Bit (BIBLOTH AUS, GEG.ZEIT AUS, B.BEW. 50%, F.BEW 150%)
Schwarz: Lyon 16 Bit (BIBLOTH AUS, GEG.ZEIT AUS, B.BEW 150%, F.BEW 50%)
Beide auf Level TURN 00 (40/120 - 20/60)

1.	d4	+0.15 Sf6	-0.09		22.	Dc4	+8.69 Td8	+0.12
2.	Lf4	+0.24 Sc6	-0.09		23.	f3	+8.66 b5	+0.18
3.	e3	+0.18 a6	-0.21		24.	Dc5	+8.87 Ld5	-0.03
4.	d5	+0.39 Sxd5	-0.09		25.	Sc1	+8.87 Lc4	-0.15
5.	Dxd5	+3.78 e6	-0.21		26.	Sd2	+9.03 Td5	-0.33
6.	Dh5	+3.81 g6	-0.03		27.	Da7	+9.36 Td6	-0.57
7.	Dg4	+3.69 Lg7	+0.18		28.	Td1	+9.33 Kg7	-1.09
8.	Lg5	+3.78 Dxg5	+0.39		29.	Se4	+9.12 Td5	-1.03
9.	Dxg5	+4.63 Lxb2	+0.27		30.	Sc5	+9.42 d2	-1.12
10.	Sf3	+4.90 Lxa1	+0.66		31.	S1b3	+9.66 Lxb3	-1.75
11.	c3	+5.09 0-0	+0.15		32.	axb3	+9.81 h6	-2.30
12.	Dh6	+4.93 f6	+0.39		33.	b4	+9.75 Td6	-2.51
13.	Sd4	+4.87 Se5	+0.57		34.	Se4	+9.78 Tc6	-2.48
14.	e4	+5.09 d5	+0.51		35.	Da8	+10.3 Tb6	-2.66
15.	Dc1	+7.75 b6	+0.39		36.	Dd5	+10.3 Te7	-2.48
16.	Sb3	+8.39 dxe4	+0.54		37.	Txd2	+10.3 Kh7	-3.12
17.	Sxa1	+8.33 Lb7	+0.45		38.	Dd8	+14.0 Tg7	-6.60
18.	Df4	+8.57 Tf7	+0.54		39.	Td7	+17.4 f5	-7.81
19.	Sb3	+8.39 Sd3+	+0.24		40.	Sc5	+17.7 Tc6	-7.00
20.	Lxd3	+8.54 exd3	+0.03		41.	Txg7+	+18.4 Kxg7+	-6.48
21.	0-0	+8.93 e5	+0.12		42.	Dd7+	+18.2 1:0	

Nach diesen chirurgischen Eingriffen ins Programm erscheinen die Änderungen in den Spielstufen nur noch minimal: Es wurde eine neue Gruppe von Levels geschaffen, die Normal-Stufen. Hier wählt man die mittlere Bedenkzeit pro Zug, die von 2 Sekunden bis 3 Minuten 45 Sekunden reicht. In der Bedienungsanleitung steht zwar nichts von einer Zeitkontrolle, die Uhr im Rechner führt diese jedoch trotzdem durch. De facto sind es also nichts anderes als verkappte Turnier-stufen. Apropos Turnierstufen: Auch hier wurde einiges geändert und den neuen Gegebenheiten angepasst. 40 Züge in 2 Stunden sind jetzt auf Turnierstufe 00 zu finden, TURN 02 sind 40 Züge in 2 Stunden und der Rest der Partie in einer Stunde. Ganz nett, war aber auch schon bisher mit der programmierbaren Stufe möglich. Als Tester finde ich es sehr lästig, dass bei jedem Wechsel der Spielstufe die Default-Werte gesetzt werden. Auf diese Art und Weise ist man gezwungen, sich bei ungewöhnlichen Werten jedes Mal neu durch das FUNKT-Menü zu hanteln und muss fürchten, auf irgendeine Einstellung vergessen zu haben. Natürlich ist es genauso falsch, alles dem Benutzer zu überlassen. Ein weiterer Punkt im Menü, etwa DEFAULT EIN/AUS, der bestimmt, ob bei Wechsel des Levels die ursprünglichen Werte gesetzt werden oder nicht, würde da Abhilfe schaffen.

Nach so vielen neuen Möglichkeiten setzt man sich gespannt ans Brett und wartet, was das Spiel Neues bringt. Zunächst einmal fällt auf, dass die Selektivität erhöht wurde. Waren beim Almeria und Portorose noch 8 Halbzüge zusätzlich angesagt, sind es beim Lyon derer 12. Trotzdem rechnet das Programm auf der Turnierstufe Brute Force etwa gleich tief wie sein Vorgänger: es selektiert nämlich weniger Züge als der Portorose, bearbeitet diese aber "gründlicher". Noch dazu wurden erstmals "Singular Extensions" eingebaut, die die selektive Rechentiefe noch weiter erhöhen, wenn es auf einen Zug nur eine "gute" Antwort gibt, d.h. alle anderen Züge eine wesentlich schlechtere Bewertung nach sich ziehen. So konnte ich z.B. bei einem forcierten Angriff in 41 Sekunden eine Ankündigung "Matt in 9" bei einer Suchtiefe von 5 Brute Force und 17 Selektiv erleben (Stellung siehe MODUL 2/89, Seite 28; 9.Zug von Weiß). Fast alle taktischen Stellungen, mit denen ich den Lyon fütterte, werden wesentlich schneller gelöst als beim Portorose. Auch einzelne schwere Fehler aus Partien des Lyon-Vorgängers können nicht mehr reproduziert werden. Dennoch kommt mir der neue Weltmeister im Mittelspiel mitunter etwas unsicher vor.

Um über die Spielstärke etwas Konkretes aussagen zu können, ist es noch zu früh. Nach den ersten Testpartien auf allen Stufen bin ich jedoch vorsichtig mit meinen Prognosen - die angekündigten 50 Punkte Steigerung gegenüber dem Portorose konnte ich noch nicht sehen, allerdings sind die Ergebnisse meiner Partien MM V gegen Lyon völlig anders als die bisher in anderen Zeitschriften veröffentlichten. Von 8:2 für Richard Lang keine Spur, bei mir steht es 5.5:4.5. Wieder einmal wird die schwedische ELO-Liste mehr Klarheit bringen. Hier noch zwei Partien des Lyon 68000 gegen den MM V:

Mein Lyon - Ein Großmeister?

GM Gennadij Timoschtschenko über den Mephisto Lyon (Quelle: "Das österreichische Schachcomputer-Magazin MODUL" - Ausgabe 2/1992 von GM Gennadij Timoschtschenko)

Wenn ein Großmeister einen Schachcomputer kauft, verlangt er ihm wesentlich mehr ab als der gewöhnliche Schachfreund. Vor allem bei der Analyse von komplexen Positionen stellt der GM Ansprüche am die Bewertungsfunktion, die wohl keines der heutigen Spitzengeräte auch nur annähernd erfüllen kann. Oder doch? GM Gennadij Timoschtschenko verrät im folgernden Artikel unseren Lesern, wie er seinen Lyon zu großmeisterlichen Leistungen gepusht hat.

I. Einige Unzulänglichkeiten des Lyon

Im Januar 1990 erwarb ich einen Schachcomputer der Marke Mephisto Portorose 32 Bit. Im Verlauf meiner ausführlichen Untersuchungen stellte sich bei mir schon bald eine gewisse Enttäuschung in Bezug auf seine Spielstärke ein, insbesondere im Hinblick auf die Stellungsbewertung, was ich auch der Firma Hegener+Glaser, die die Mephisto-Computer erzeugt, brieflich mitgeteilt habe. In diesem Brief wies ich auf einige konkrete Unzulänglichkeiten des Portorose-Programms hin. Im Oktober 1991 ließ ich meinen Portorose auf das Lyon-Programm aufrüsten und begann das neue Programm zu untersuchen. Ich stellte fest, dass viele Schwächen des Portorose sich auch beim Lyon fortsetzten. Hier einige Beispiele (in allen Fällen war BOOK OFF eingestellt):

a) Die Stellungsbewertung gibt nach 1.c4 deutlichen Vorteil für Schwarz an:

Suchtiefe	3	4	5	6	7	8	9	10
Bewertung	0.27	0.27	0.21	0.12	0.21	0.21	0.21	0.06
Zug	        e5	e5	e5	Sf6	Sc6?!	Sc6?!	e5	e5

Erst auf Tiefe 10/22 (nach 7 h 10 min.) wird die Stellung als einigermaßen ausgeglichen bewertet.

b) Die Stellung nach 1.Sf3 Sf6 2.c4 wird mit leichtem Vorteil für Schwarz bewertet:

Suchtiefe	3	4	5	6	7	8	9	10
Bewertung	0.09	0.12	0.12	0.09	0.12	0.15	0.12	0.09
Zug	        e6	Sc6?!	(bis 10/22, 7h 40 min)

c) Der Lyon hat eine Vorliebe für den Zug Sb8-c6, solange der Bauer noch auf c7 steht (s. auch Punkte a,b und d): Der Lyon spielt nach 1.d4 Sf6 2.c4 den Zug 2...Sc6?! bei Suchtiefe 5/17 bis 10/22 inklusive (17 h 33 min.). In der weiter unten angeführten WM-Partie Kasparov-Karpov (Nr.8 1986) spielt der Lyon den Zug 7...Sc6? bis zur Stufe 8/20 inklusive (1 h 52 min.).

d) Der Lyon hat nach 1.e4 eine starke "Abneigung" gegen den Zug 1...c5: Ich habe versucht, auf Stufe 8/20 (die ausreichende Spielstärke garantieren sollte) diese "sizilianische" Antwort mit Hilfe der NEXT BEST-Funktion hervorzurufen, und erhielt nacheinander folgende Zugvorschläge:

1...Sc6?!, 1...Sf6, 1...b6, 1...e6, 1...e5, 1...c6, 1...d5, und erst an 8.Stelle der Zugliste fand sich der Zug 1...c5 mit der Bewertung -0.24. Dennoch ist der Zug 1...c5, wie allgemein bekannt, die beliebteste Antwort auf 1.e4.

Zwar werden Fehleinschätzungen wie diese im Anfangsstadium der Partie durch die Eröffnungsbibliothek abgefangen, aber sie kehren auch im Mittelspiel wieder und sind ein deutliches Anzeichen für die Unzuverlässigkeit der Bewertungsfunktion des Lyon bei der Lösung positioneller Probleme. Man muss daher nach Wegen suchen, die Analysen des Lyon zu verbessern.

II. Das Material

Als Grundlage für meine Untersuchungen habe ich zwei Partien aus dem WM-Match Kasparov-Karpov (London/Leningrad 1986) ausgewählt. Ich war damals Sekundant von Garry Kasparov und habe diese Partien sozusagen aus nächster Nähe miterlebt.

Partie Nr.22 wird von Kasparov als die beste Partie des ganzen Wettkampfs bezeichnet; in ihr dominiert die Technik:

Partie Nr. 8 war die schärfste und komplizierteste Partie des Matches; in ihr herrscht die Taktik vor:

Zweifellos ein Analysematerial, das höchste Qualität mit praktischer Brauchbarkeit verbindet.

III. Das beste Verhältnis zwischen Figuren- und Bauernwerten

Im Gegensatz zum Portorose kann man beim Lyon den Wert der Figuren einer-seits und der Bauern andererseits im Bereich von 50% bis 150% verstellen. Diese Möglichkeit habe ich benutzt, um zu untersuchen, bei welchen Einstellungen der Lyon am stärksten spielt.

Die Grundidee bestand darin, in den oben angeführten Partien die Übereinstimmungen der Zugvorschläge des Lyon mit den tatsächlich gespielten Zügen von Weiß und Schwarz zu zählen, und zwar für verschiedene Rechentiefen und verschiedene Einstellungen der Figuren- und Bauernwerte. Die Übereinstimmungen wurden für jede dieser Kombinationen einzeln gezählt und schließlich addiert. Eine genauere Auswertung wäre dadurch zu erreichen, dass man die Züge des Lyon nicht nur nach dem Kriterium "ja-nein", sondern differenzierter bewertet (z.B. von 0 Punkten für einen schlechten Zug bis zu 5 Punkten für einen starken Zug), aber diese Methode erfordert eine höhere schachliche Qualifikation und würde außerdem zu subjektiven Urteilen führen. Die einfachere Methode hingegen ist von jedem Schachfreund ohne Unterschied nachvollziehbar.

In Partie 22 waren 91 Stellungen zu untersuchen. Bei nicht forcierten Zügen wurden mehrere Versuche durchgeführt, da der Lyon bisweilen unterschiedliche Züge auswählt; das ist auch der Grund, warum in der Tabelle nicht immer nur eine einzige Zahl angegeben ist. Die besten Resultate wurden bei einer Einstellung von 110% für die Figurenwerte und 110%-120% für die Bauernwerte erzielt (s.Tabelle).

Bei Nr.8 (61 Stellungen) war es wegen des taktischen Charakters der Partie nicht so leicht, das beste Verhältnis zwischen Bauern und Figuren festzustellen, nochzumal der Prozentsatz an richtig erratenen Zügen deutlich geringer war als bei Partie Nr.22. Dennoch ergaben sich auch hier bei einer Einstellung der Figurenwerte von 110% bessere Resultate als für die Grundeinstellung; am besten funktionierte die Einstellung Figuren 110% und Bauern 130%.

Fig.%/Bau.%	d=1	2	3	4	5	6	Summe
100/100	        34	42	43	48	49	48	264
110/100	        40	46	47	49	55	54	291
110/110	        40	44	48	52	55	54-56	293-295
110/120	        41	44	49	49	54	55-56	292-293
110/130	        39	42	50	49	52	52	284
110/140	        37	40	49	48	52	51-52	277-278
  • Tabelle zu Partie Nr.22
Fig.%/Bau.%	d=1	2	3	4	5	6	Summe
100/100	        21	21	21-22	23-25	25-26	26-27	137-142
110/100	        21	22-23	22	22-23	24-25	26	137-140
110/110	        21	23-24	23	24-25	23-24	25-26	139-143
110/120	        19-20	23	24	26-27	22-25	26	140-145
110/130	        19	22	25	28	25	26	145
110/140	        19	22	22	24	23	24-25	134-135
  • Tabelle zu Partie Nr.8


Aus diesen und einigen weiteren Untersuchungen ergaben sich für mich folgende Schlussfolgerungen:

1) Der Lyon unterschätzt die Bedeutung des Materials. Die besten Resultate ergeben sich bei Einstellungen von mehr als 100% für die Bauern- und Figurenbewertung.

2) Möglicherweise ist beim Lyon die Relation zwischen Figuren- und Bauern-werten gestört, d.h. der Lyon unterschätzt den Wert eines Bauern in noch höherem Maße als den Wert der Figuren. Die besten Ergebnisse erhält man im allgemeinen bei Einstellungen mit Bauernwert > Figurenwert, genauer gesagt bei Figuren = 110 % und Bauern = 110 %-130 %

Leider reichen die Korrekturen der Bauern- und Figurenwerte nicht aus, um die anfangs erwähnten Unzulänglichkeiten in der Stellungsbewertung des Lyon zu überwinden, und führen daher nicht zu einer prinzipiellen Verbesserung der analytischen Qualitäten des Programms.

IV. Die Ineffizienz der direkten Zugauswahl

Bei der Analyse der Partien Nr.8 und Nr.22 des Matches Kasparov-Karpov (1986) bemerkte ich, dass manche Züge der beiden Großmeister aus diesen Partien dem Lyon praktisch unzugänglich sind. Der Lyon findet sie nicht einmal nach mehreren Stunden des Nachdenkens über die aktuelle Stellung. Solche Züge sind z.B.: 16.fxe3!, 17...De6!, 24.Td6! und andere aus der 8.Partie sowie die Züge 24.De3!, 41.Sd7! und andere aus der 22.Partie.

Bekanntlich berechnen praktisch alle Schachcomputer die Varian-ten nach der Brute-Force-Methode (d.h. durch Betrachtung aller möglichen Züge), ergänzt durch verschieden lange selektive Komponenten. Dies wirkt sich in einer starken Zunahme des Zeitverbrauchs bei wachsender Suchtiefe aus. Obwohl der Lyon einen selektiven Anteil von 12 Halbzügen hat, dauert es auch bei ihm das 4- bis 5-fache der bisher verbrauchten Zeit, um eine Vertiefung der Suche um einen weiteren Halbzug zu erreichen, also das 16- bis 25¬fache für eine Vertiefung um 2 Halbzüge usw. Der Aufwand an Zeit, der für die Vertiefung der Suche um einen Halbzug benötigt wird, steht also in keinem Verhältnis zu der dadurch erreichbaren Verbesserung in der Qualität der Analyse.

Dass die direkte Zugauswahl nicht die beste Methode darstellt, braucht also nicht weiter bewiesen zu werden. Die Frage ist nun, ob es eine bessere Möglichkeit gibt. Ich habe daher versucht, den Gedankengang eines Großmeisters auf dem Computer nachzubilden und bin dabei, wie mir scheint, zu interessanten Ergebnissen gelangt.

V. Das Prinzip der Berechnung nach Zugkandidaten

Ein Großmeister untersucht eine Stellung niemals nach der Brute-Force-Methode. Er wählt zunächst eine geringe Anzahl von Zugkandidaten aus und analysiert diese bis zu einer notwendigen Tiefe, vergleicht die dabei entstehenden Endstellungen miteinander und entscheidet sich schließlich für die Variante mit dem besten Ergebnis.

Diese Methode lässt sich auf folgende Weise auf einem Schachcomputer wie dem Lyon nachahmen: man bestimmt zunächst mit Hilfe der Funktion NEXT BEST mehrere Zugkandidaten, führt einen von ihnen aus und lässt dann den Computer im AUTOPLAY-Modus (oder durch mehrfaches Betätigen von MOVE) noch eine gewisse Anzahl von Halbzügen berechnen. Dabei notiert man die nach jeder Zugberechnung angezeigte Stellungsbewertung. Dieses Verfahren führt man für alle Zugkandidaten durch und vergleicht schließlich die am Ende jeder Variante angezeigten Bewertungen. Die Variante mit der besten Endbewertung wird dann als eigentliche Hauptvariante betrachtet.

Diese Methode erlaubt es, in der gleichen Zeitspanne einige wichtige Varianten wesentlich tiefer zu untersuchen als mit der Brute-Force-Methode. Ein Beispiel: Die Ausgangsstellung wird mit einer Suchtiefe von 5 Halbzügen (genauer: 5/17) in der Zeit t untersucht. Um auf eine Suchtiefe von 7 Halbzügen zu kommen, müsste man die gleiche Stellung etwa 25mal so lang (also 25t) untersuchen lassen. Wenn wir hingegen bei Tiefe 5 mit NEXT BEST vier Zugkandidaten bestimmen und jeden von ihnen im Autoplay noch um 5 Halbzüge weiter verfolgen lassen, erhalten wir 4 Varianten mit einer Länge von jeweils 6 Halbzügen, verbrauchen also insgesamt eine Zeitspanne von ungefähr 4*6=24t. In jeder dieser Varianten erreichen wir eine effektive Suchtiefe von 5+5=10 Halbzügen (da ja die jeweilige Endstellung wiederum 5 Halbzüge tief untersucht wurde).

Dieser Unterschied von 3 Halbzügen (10 gegen 7) kann sich bei der Analyse einer komplizierten Position als äußerst nützlich erweisen. Vergessen wir nicht, dass es bei der Brute-Force-Methode etwa 100mal länger dauert (zwischen 4*4*4 und 5*5*5), um die Suche um 3 Halbzüge zu vertiefen, d.h. wir haben Suchtiefen von 10 Halbzügen etwa 100mal schneller erreicht als bei der direkten Zugauswahl. Dabei ist noch zu bedenken, dass es bei Verwendung eines Multiprozessor-Systems möglich wäre, gleichzeitig auf mehreren Chips Varianten im Autoplay berechnen zu lassen, was eine weitere beträchtliche Verschnellerung der Ana¬lyse bedeuten würde.

VI. Praktische Erfahrungen mit der Methode der Zugkandidaten

Soweit die Theorie, aber die praktische Anwendung der beschriebenen Methode ist nicht ganz so einfach. Für die Erzielung eines korrekten Resultats müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein:

1) Der beste Zug muss sich unter den ausgewählten Zugkandidaten befinden.
2) Die Autoplay-Analyse jedes Zugkandidaten muss eine korrekte Variante liefern.
3) Die Varianten müssen optimale Länge haben.
4) Die am Ende jeder Variante angezeigte Stellungsbewertung muss möglichst präzise sein.

Daraus ergibt sich, dass der Computer seine Berechnungen mit ausreichend großer Suchtiefe (d.h. 5-7 Halbzüge) durchführen muß, und das bedeutet beim gegenwärtigen Stand der Computertechnik einen wesentlich größeren Zeitaufwand als etwa beim Spiel auf der Turnierstufe.

Es folgen einige von mir erzielte Ergebnisse. In einigen Fällen sind die Tabellen nicht vollständig, weil mein Lyon mitten in der Arbeit an diesem Artikel den Geist aufgab und von Nowosibirsk aus nicht ohne weiteres zur Reparatur gesandt werden konnte. (Falls Sie Lyon-Besitzer sind, wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie diese Lücken für mich auffüllen könnten.)

Beispiel 1: Die Stellung nach 1.d4 Sf6 2.c4.

Wie wir weiter oben gesehen haben, spielt der Lyon hier bei einer Tiefe von 5¬10 HZ immer nur 2...Sc6?! Bei Anwendung der Methode der Zugkandidaten (Suchtiefe =5, BOOK OFF, Figuren 100%, Bauern 100%) ergibt sich folgende Tabelle:

Beispiel 1	L=1	2	3	4	5	6	7
   2...Sc6?!	3.Sc3	e5	4.d5	Se7	5.Sf3		
       0.03	0.30	0.21	0.27	0.24	0.27		
  NB 2...d6	3.Sc3	e5	4.de	de	5.Dd8		
       0.06	0.63	0.42	0.51	0.45	0.39		
 NNB 2...e6!	3.Sc3	Lb4	4.Lg5	c5	5.Sf3		
       0.15	0.27	0.00	0.24	-0.09	0.12

Dabei heißt NB = NEXT BEST, NNB = zweimal NEXT BEST usw. (Im Normalfall habe ich nur drei Zugkandidaten ausgewählt.) Die Bewertung wird immer aus Sicht von Weiß angegeben, daher bedeutet z.B. -0.09 Vorteil für Schwarz. L ist die Länge der im Autoplay fortgesetzten Variante in Halbzügen, fett gedruckt sind die für Schwarz günstigsten Bewertungen im Autoplay bei gleicher Tiefe L. Die Einstellungen für Bauern- und Figurenwerte wurden ohne bestimmtes System im Bereich von 100%-110% variiert.

Die Methode funktioniert hier, da sie richtig anzeigt, dass bei jeder Variantenlänge zwischen 1 und 5 die besten Bewertungen für Schwarz nach dem Zug 2...e6! entstehen. Dieses Ergebnis war durch direkte Zugauswahl auch nach 200-300mal längerer Analyse nicht zu erreichen! Allerdings muss gesagt werden, dass im Allgemeinen eine Suchtiefe von 5 Halbzügen nicht ausreichend ist, um eine qualitativ hochstehende Analyse zu gewährleisten.

Beispiel 2: Die Stellung nach 1.Sf3 Sf6 2.c4.

Erinnern wir uns daran, dass die Methode der direkten Zugauswahl hier nach 7 Stunden 40 min. nur den zweifelhaften Zug 2...Sc6?! hervorgebracht hatte. Unsere Methode funktioniert bei Suchtiefe=5 und L=1, 2, 3, 5, 6 (Figuren 100%, Bauern 100%).

Beispiel 2	L=1	2	3	4	5	6	7
    2...Sc6?!	3.d4	d6	4.Lf4	g6	5.Sc3	Lg7	
      -0.12	0.15	0.33	0.60	0.48	0.78	0.54	
  NB 2...e6!	3.Sc3	Sc6	4.d4	Lb4	5.Lg5	h6	
      -0.06	0.12	-0.18	0.03	0.21	0.39	0.18	
 NNB 2...d5	3.cd	Sd5	4.d4	Lf5	5.Sbd2	Sf6	
      -0.03	0.30	0.24	0.30	0.12	0.42	0.27

Der Zeitgewinn beträgt hier ungefähr einen Faktor 100, wenn man auch dazu anmerken muss, dass die Variante mit 2...e6! selbst wieder den zweifelhaften Zug 3..Sc6?! (Lyons Liebling) enthält, und dass bei L=4 die beste Bewertung in der mit 2...d5 beginnenden Variante liegt.

Diagramm 1


Beispiel 3: Stellung nach 23...Db8 aus Partie 22 (Diagr.1) Suchtiefe 6, L=2-5 (Figuren 110%, Bauern 110%)

Beispiel 3	L=1	2	3	4	5	6	7
    24.Db8	Tb8	25.Se4	Le4	26.Te4	Kf8		
      0.03	0.21	-0.21	-0.12	-0.15	-0.09		
 NB 24.De3!	a4	25.La2	b4	26.Se4	Le7		
      0.03	----	-0.03	0.12	0.21	0.18		
NNB 24.Se2	a4	25.La2	b4	26.Db8	----		
      0.00	-0.06	-0.15	-0.27	-0.09	----		


Beispiel 4: Die Stellung nach 23...Lxg7 aus Partie 8 (Diagr.2)

Diagramm 2


Beispiel 4	L=1	-2	3	4	5	6	7
   24.Sxg7	Kg7	25.e4	Tad8	26.Td8	Td8	27.De3	
     -0.81		-0.96	-1.18	-1.18	-1.06	-1.66	
 NB 24.Sd4	----	----	----	----	----	----	
     -1.30	----	----	----	----	----	----	
NNB 24.Td6!	Db3	25.Sg7	Db5	26.5f5	Db2	27.Dg5	
     -1.48	----	-1.21	-1.15	-1.27	-0.84	-1.24

Die Methode funktioniert bei Suchtiefe =6 und ausreichender Länge der Autoplay-Analyse: L=3,5,6 (Figuren 100%, Bauern 100%). Der Portorose hatte auch nach mehreren Tagen immer noch 24.Sxg7? gespielt. (Beim Lyon habe ich es nicht ausprobiert).

Beispiel 5: Die Stellung nach 40...Td2 aus Partie 22 (Diagr.3)

Diagramm 3


Ein berühmte Stellung! Hier dachte Kasparov 17 Minuten über den Abgabezug nach und versiegelte dann den Zug 41.Sd7!, der praktisch den Ausgang des ganzen Wettkampfes entschied. Bei direkter Zugauswahl findet der Lyon bis zur Tiefe 11 den Zug nicht, sondern spielt 41.Sxg6?

Beispiel 5	L=1	2	3	4	5	6	7
   41.Sxg6?	Dg6	42.Dg6	Kg6	43.Tb4	Ta2	44.Tb5	Ta3
      1.12	1.09	1.09	1.03	0-.90	0.96	1.03	1.12
 NB 41.Tb4	Ta2	42.Ta4	Td2	43.Dg5	Dg5	44.hg	Lc2
      1.09	1.06	1.00	1.21	1.06	1.30	0.87	0.90
NNB 41.Sd7!	Td4	42.Sf8	Kh6	43.Tb4!	Tb4	44.ab	d4
      0.54	----	0.30	0.54	0.60    1.18	0.60	1.36

Die Methode funktioniert bei Suchtiefe =6 und ausreichender Variantenlänge (L=7, Figuren 110%, Bauern 110%). Für die Berechnung genügen hier ca. 10 Minuten (also weniger, als Kasparov selbst brauchte!) Bei einer Suchtiefe von 7 Halbzügen funktioniert das Ganze noch stabiler (siehe Tabelle auf der nächsten Seite). Hier dauert die Berechnung etwa 40 Minuten.

 Beispiel 5a	L=1	2	3	4	5	6	7
     41.Sg6?	Dg6	42.Dg6	Kg6	43.Tb4	Kf5	44.Kg3	
       1.21	1.09	1.12	1.03	0.96	0.90	0.93	
  NB 41.Tb4	Tat	42.Dg5	Dg5	43.hg	Ta3	44.Tb5	
       0.97	1.12	1.06	0.90	0.81	0.93	1.09	
NNB 41.Sd7!	Td4	42.Sf8	Kh6	43.Tb4!	Tb4	44.ab	
       0.75	----	----	0.84	1.18    1.18	1.15

Beispiel 6: Die Stellung nach 15...dxe3 aus Partie 8 (Diagr.4)

Diagramm 4


Diese Stellung ist eine der schwierigsten. Der Portorose konnte sie auch nach dreitägigem Nachdenken nicht lösen (er spielte 16.Lxe3?!). Bei einer Suchtiefe von 6 Halbzügen funktioniert unsere Methode nicht, denn der Lyon findet in der Analyse den wichtigen Zug 17.Sf5! nicht. Sie funktioniert aber bei Suchtiefe =7 (Figuren 110%, Bauern 120%):

Beispiel 6	L=1	2	3	4	5	6	7
   16.Dxe3	Da2	17.Ta1	----	----			
     -0.30	----	-0.27	----	----			
NB 16.Lxe3	----	----	----	----			
     -0.39	----	----	----	----			
NNB 16.fxe3!	Da2	17.Sf5!	Db2	18.Lh6			
     -0.75	----	0.00	0.00	-0.03

Leider ist hier die Tabelle infolge des Ausfalls meines Lyon besonders unvollständig.

Beispiel 7: Die Stellung nach 1.d4 d5.

Zum Abschluss die schwierigste Stellung von allen, zumindest für den Lyon, der, wie wir schon wissen, eine heftige Abneigung gegen den Zug c4 bzw. c5 hat. Hier funktioniert die Methode nicht einmal mit Suchtiefe=7, da der Zug c4 negativ bewertet wird und daher nicht in die Gruppe der Zugkandidaten fällt. Sie funktioniert erst, wenn man Suchtiefe =8 wählt und 4 Zugkandidaten zulässt (Figuren 100%, Bauern 100 %):

Beispiel 7	L=1	2	3	4	5	6	7
     2.Lg5	Lg4	3.Sf3	Sd7	4.Sbd2	c5	5.c3	h6
      0.12	0.12	----	----	----	----	0.00	0.21
  NB 2.Lf4	----	----	----	----	----	----	
      0.09	----	----	----	----	----	----	
 NNB 2.Sf3	Sf6	3.Lf4	Sh5	4.Lg5	h6	5.Ld2	
      ----	----	----	----	0.18	0.12	0.18	
 NNNB 2.c4!?	dc	3.Sf3	Sf6	4.e3	b5	5.b3	
      0.06	----	----	----	----	0.15	0.33

VII. Schlussfolgerungen

1. Die Methode der Zugkandidaten erlaubt es, Stellungen richtig zu analysieren, die bei direkter Zugauswahl falsch beurteilt werden.
2. Die Anwendung eines Multiprozessor-Systems könnte den Anwaltsprozess nach dieser Methode noch wesentlich beschleunigen.
3. Die Methode erfordert weitere Untersuchungen, um die optimale Abstimmung der Parameter (Anzahl der Zugkandidaten, Suchtiefe und Länge der Autoplay-Analyse) zu ermitteln.

Wenn Sie sich für die Methode der Zugkandidaten interessieren, würde es mich freuen, wenn Sie:

(a) mir Ihre Ansichten und Erfahrungen dazu mitteilen;
(b) die Lücken in meinen Tabellen für den Lyon auffüllen;
(c) einige der vorgelegten Stellungen nach der gleichen Methode mit dem Vancouver analysieren würden.

Ich danke meinem Freund Thomas Mally (Wien) für seine Mitarbeit.

GM Gennadij Timoschtschenko (Nowosibirsk)

Partiebeispiele

Innenleben


Auf den Bildern ist eine Turniermaschine mit 60 MHz (!) zu erkennen. Bei den WM-Versionen der Mephisto TM wurde seitens der Mephisto-Ingenieure beim Quarz teilweise bewusst die MHz-Anzahl unkenntlich gemacht, um sich von der Konkurrenz nicht in die Karten schauen zu lassen.