Mephisto Excalibur
Mephisto Excalibur | ||
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Hersteller | Hegener & Glaser | |
Markteinführung | 1983 | |
CElo | ca. 1700 | |
Programmierer | Nitsche, Thomas & Henne, Elmar | |
Prozessor | 68000 | |
Prozessortyp | 16 Bit | |
Takt | 8 MHz | |
RAM | 4 KB | |
ROM | 32 KB | |
Bibliothek | ca. 800 Varianten | |
Einführungspreis | 2550 € | |
Rechentiefe | ||
BT-2450 | - | |
BT-2630 | - | |
Colditz | - | |
Verwandt | Mephisto III | |
Zugeingabe | Magnetsensoren | |
Zugausgabe | 64 Brett LEDs | |
Display | 4-stellige 7-Segment Anzeige | |
Stromversorgung | 9V~ / 1,2A | |
Spielstufen | 8 | |
Maße | 51 x 51 x 9 cm | |
Sonstiges | ||
Nur ~50 Exemplare gebaut |
Schachcomputer die Geschichte schrieben
Der Mephisto Excalibur
von Alwin Gruber
Excalibur...mit diesem Namen verbindet man in erster Linie das magische, sagenumwobene Schwert, welches Arthus - der spätere König von Britannien - im 5. Jahrhundert nach Chr. unter unsichtbarer Mithilfe des Zauberers Merlin aus einem Felsen herauszog. Seither ranken sich viele Mythen und Legenden um diesen Namen...
Machen wir einen Zeitsprung in das 20. Jahrhundert. Deutschland im Herbst 1983: Auf dem deutschen Schachcomputermarkt buhlten die beiden Firmen Fidelity Electronics aus den USA und die in München beheimatete Hegener + Glaser GmbH im High-End-Bereich um die Gunst der Schachkrone.

Fidelity hatte sein "Flaggschiff", den turniergroßen Edelcomputer PRESTIGE A/S Challenger, welcher in hier bereits ausführlich vorgestellt wurde, für ca. 4.500,00 DM im Lieferprogramm.
Hegener + Glaser setzte hingegen für die kurz bevorstehende Micro-WM in Budapest auf den ersten, serienmäßig hergestellten 16-Bit-Micro-Rechner der Welt, welcher dort gleich in drei unterschiedlichen Versionen unter der Bezeichnung "Mephisto X, Y und Excalibur" an den Start ging und den 2., 9. und 10. Rang von insgesamt 18 Teilnehmern erreichte.
Nach der WM war der MEPHISTO EXCALIBUR nur über die in München ansässige "Hobby Computer Centrale, Weiner Vertriebs GmbH" für ca. 5.000,00 DM erhältlich. Die von den Ingenieuren der Hegener + Glaser GmbH ausschließlich in Handarbeit gefertigten Geräte wurden nach meinen Recherchen angesichtes des damaligen Preises nur in einer auf 25 Stück limitierten Auflage auf den Markt gebracht. Mein eigenes Exemplar hat übrigens die Nr. 23. Demnach stellt der Mephisto Excalibur aus heutiger Sicht ein sehr seltenes und begehrtes Sammlerstück dar. Nachdem die Nachfrage aber überraschend hoch war, wurde meines Wissens noch eine zweite Auflage von weiteren 25 Stück hergestellt. Eine telefonische Rückfrage bei Ossi Weiner zu diesem Sachverhalt ergab leider keine weiteren, neuen Erkenntnisse, da seitdem doch schon über 16 Jahre vergangen sind.
Insgesamt dürften aber nicht mehr als 50 EXCALIBURS hergestellt worden sein. Demnach stellt dieser - aus heutiger Sicht - ein begehrtes Sammlerstück dar.
Was konnte man damals von einem Schachcomputer für 5.000,00 DM erwarten?
Zunächst einmal ein wunderschönes, äußerst sauber verarbeitetes und gediegenes Edelholzmagnetsensorbrett in Turniermaß mit Nußbaum-Ahorn-Intarsien (Maße 50 x 50 x 8 cm), 64 Feld-LED und handgeschnitzten Figuren aus fernöstlichen Wäldern. Auf der Vorderseite des Spielfeldes war eine auf Hochglanz polierte Messing-Plakette angebracht, welche in geschwungener Form das Wort EXCALIBUR eingraviert hatte. Öffnete man die rechts seitlich am Gehäuse angebrachte Schublade - welche auch zur Aufbewahrung der Schachfiguren diente - so war auf den ersten Blick eine sehr starke Ähnlichkeit mit dem bekannten ESB-Grundgerät erkennbar.

Allerdings wurde nur das Gehäuseoberteil und die Tastatur des allseits bekannten, schwarzen Mephisto-Grundgerätes (auch unter der Bezeichnung "Brikett" oder "Zigarrenkistchen" bekannt geworden) verwendet. Darunter verbarg sich unter einer abschraubbaren Platte eine in Handarbeit hergestellte Platine, deren Elektronik es für damalige Verhältnisse wahrlich in sich hatte: Es handelte sich um den noch recht selten verfügbaren ersten 16-Bit-Prozessor der Welt, den brandneuen Motorola 68.000, getaktet mit 8 Mhz.
Damit erreichte der Mephisto Excalibur in etwa die 3,5fache Rechengeschwindigkeit des 8-Bit Standard-Modells Mephisto III mit einer CDP 1802-CPU und 6,1 Mhz. Einfacher ausgedrückt handelte es sich also um eine recht kostspielige "TURBO-Variante" mit ca. 21 Mhz. Der Excalibur besaß eine industriell gefertigte Platine (PCB) mit 128 KByte dynamischen RAM Memory, welche in Einzelanfertigung hergestellt wurden. Dabei wurde eine existierende Motorola 68000 Computersystemplatine aufgebaut als ESB-ähnliches Gerät. Das eigentliche Schachprogramm steckte im Gegensatz zum Mephisto ESB III (auch als ESB 6000 bezeichnet) in einem eigenen, fest mit dem Gerät verbundenen Kassettengehäuse. In diesem Kassettengehäuse befanden sich vier gesockelte EPROM's mit insgesamt 64 KByte Speicherkapazität, davon 56 KByte ROM (also das eigentliche Schachprogramm) sowie 8 KByte RAM Memory (sogenannter Stapelspeicher/Arbeitsspeicher/Kellerspeicher für die durchgeführten Rechenoperationen, welcher nach dem Prinzip "last in, first out" arbeitet). Das Programm-Modul war nach Herstellerangaben austauschbar und nachprogrammierbar.
Jetzt kommt die Besonderheit beim Mephisto Excalibur: Um die für die damalige Zeit revolutionäre Hardware optimal auszunutzen, wurde beim Programmstart der gesamte EPROM-Speicher von 56 KByte sowie 8 KByte RAM in das dynamische RAM Memory der industriellen Platine (PCB) kopiert. Die verbleibenden 64 KByte dynamischer RAM-Speicher auf der Programmplatine wurden damit nicht genutzt! Das Programm war sowohl vom Austattungsumfang als auch von der Spielweise sehr nah verwandt mit dem allseits bekannten Mephisto III, damit aber auf die Bedürfnisse eines 16-Bit-Datenbusses optimiert worden.
Zum Vergleich: der Programmumfang beim Mephisto III betrug 32 KB (2 EPROM's zu je 16 KB). Dieser konnte auf ein Eröffnungsrepertoire von ca. 3.000 Halbzügen in 500 Varianten zurückgreifen. Beim Excalibur waren es aufgrund des größeren EPROM's dagegen ca. 800 Haupt- und Nebenvarianten. Er gehörte neben dem Mephisto III und dem Steinitz 4-Modul von Applied Concepts zu dem ersten Schachmicro, der auch Zugumstellungen in der Eröffnung erkannte.
Der Excalibur besaß 9 gut gestaffelte Spiel-, 1 Problem- und 1 Fernschachstufe, eine 4-Zeiten-Schachuhr (für Einzel- und Summenzeiten) und einen sog. "Schachlehrer", der mittels 4 Fragezeichen vor schlechten Zügen warnte. Im Gegensatz zum Mephisto III, welcher während der Rechenphase auf dem 4-stelligen LCD-Display in blinkender Form nur die Zugzeiten anzeigte, war der Excalibur in der Serienversion da wesentlich "auskunftsfreudiger". Mittels eines Rolliermodus wurden automatisch im Sekundentakt angezeigt:
- 1. Zug der berechneten Hauptvariante
- 2. Zug der berechneten Hauptvariante
- Stellungsbewertung
- Rechentiefe Minimal (Brute Force) und jeweils untersuchte Ast-Nummer innerhalb des Suchbaums
- Zeittendenz über die vom Programm vorgegebene, verbleibende Restzeit
Neben den Excaliburs in der "Serienversion" gibt es noch EIN Exemplar, welcher als "Mephisto X" an der 4. Weltmeisterschaft für Schachprogramme vom 22. bis 25. Oktober 1983 in New York teilnahm. Dort spielten auch Großrechner wie Cray Blitz oder Belle mit und der Mephisto Excalibur (bzw. Mephisto X) belegte dort als bester Microrechner einen beachtlichen 9. Platz. Von mir vorgenommene Untersuchungen ergaben, dass es gewisse Unterschiede bei den beiden Programmen gibt, welche m.E. jedoch nur geringer Natur sind und sich in Form von marginalen Stellungsbewertungsunterschieden ausdrücken. Hinsichtlich der Gestaltung des Eröffnungsbuches der beiden Excalibur-Versionen kann derzeit keine Aussage gemacht werden, da hier aus Zeitmangel sowie aus Kosten-Nutzenaspekten von mir noch keine Tests durchgeführt wurden. Der auffälligste Unterschied besteht bei der "WM-Version New York 1983" darin, dass hier im Rolliermodus alle Informationen wie beim Serien-Excalibur außer der Zeittendenz angezeigt werden.
Meine Untersuchungen haben ferner ergeben, daß manche Excalibur-Varianten zusätzlich noch die Zeittendenz (vom Programm intern vorgegebene Rest-Rechenzeit) und die Anzahl der berechneten Knoten anzeigten. Es könnte sich dabei vermutlich um einzelne Geräte der ersten oder zweiten produzierten Serie handeln. Mittels einen Tastendruckes auf "INFO" und A1" "B2" oder "C3" konnten die vorgenannten Informationen, analog zum Mephisto III, durch Betätigung der Vor-Zurück-Pfeiltasten auch einzeln entlockt werden. Die berechnete Hauptvariante konnte dabei sogar bis zu 5 Halbzügen abgerufen werden. Ferner war auch eine sog. "Kommentarzeile" vorhanden, die mittels stilisierter Symbole Schach, Matt, Patt, Remis, Mattankündigungen, Bauernumwandlungen, En-Passant sowie Gewinn- und Verluststellungen (+9,99/-9,99) anzeigte.
Kontrollton und Zufallsgenerator waren, wie das Eröffnungsrepertoire, zu- und abschaltbar. Eine Auto-Play-Funktion war ebenfalls vorhanden.
Mit dem eigentlichen Schachprogramm betrat das Programmierer-Team Thomas Nitsche und Elmar Henne damals absolutes Neuland. Mit seiner extrem flachen, erschöpfenden Suche (Brute Force), die durch sehr tiefe, selektiv durchgerechnete Varianten ergänzt wurde, und durch die drastische Beschneidung des Variantenbaumes, war eine gezielte Untersuchung der schachlich relevantenVarianten in eine weitaus größere Rechentiefe als bisher möglich. Auf der Turnierstufe 6 war der Excalibur in Mittelspielstellungen befähigt, durchschnittlich eine erschöpfende Suche von 3 (manchmal auch 4) Halbzügen "Brute Force" zu erreichen, während er darüber hinaus die aussichtsreichsten Varianten "selektiv" bis zu einer Tiefe von 19 (!) Halbzügen durchrechnete. Dieser führte in normalen Mittelspielstellungen dazu, daß ähnlich wie bei menschlichen Schachspielern, der Excalibur durchschnittlich nur 5-6 Stellungen (Knoten) pro Sekunde untersuchte. Der deutlich langsamer rechnende Standard-Mephisto III mit 6,1 Mhz brachte es dagegen nur auf 2 Stellungen pro Sekunde. Bei der austauschbaren und mit 8 Mhz getakteten 8-Bit Modular- bzw. Exclusive-Version (mit einer CDP 1806 - CPU) waren es rd. 2 bis 3 Knoten pro Sekunde.
Für kurze Zeit wurde für die 8-Bit-Geräte eine "Mephisto III-Spezial"-Variante mit 12,00 Mhz von der Hobby Computer Centrale zu einem Aufpreis von 295,00 DM angeboten. Eigenen Tests zufolge lag diese Variante mit 3,5 - 4 Knoten pro Sekunde leistungsmäßig zwischen der 8 Mhz-Version und dem Excalibur.
Wo viel Licht ist, gibt es aber auch viel Schatten... Im praktischen Spiel bedeutete dies, daß der EXCALIBUR in manchen Positionen mitunter Glanzzüge fand, auf der anderen Seite aber aufgrund der durch das Programm bedingten, drastischen Beschneidung des Variantenbaumes, gegnerische Drohungen einfach "übersah" und dann sang- und klanglos unterging. Er pflegte somit also einen ziemlich menschlich anmutenden Spielstil, bei dem sich der Gegner ständig die Frage stellen mußte: "Sieht er es, oder sieht er es nicht?" Vor allem aber im Endspiel war ein merklicher Abfall der Spielstärke zu beobachten, was sich auch in diversen Untersuchungen mit meinem eigenen Gerät immer wieder bestätigte. Sehr schön herausgespielte Stellungsvorteile bzw. Gewinnstellungen wurden oftmals leider wieder "vermurkst", wie die nachfolgend von mir durchgeführte Testpartie gegen den Fidelity Excel 68000 auf Turnierstufe (40 Züge/2 Stunden) aufzeigt. Schlußanmerkung:
Der Mephisto Excalibur war aufgrund seiner begrenzt hergestellten Stückzahl nur knapp 1 Jahr auf dem dt. Markt erhältlich. Im Herbst 1984 wurde er durch den deutlich aktiver agierenden sowie taktisch weitaus weniger anfälligen "Mephisto S 68000" abgelöst, der zusammen mit dem Fidelity Elite A/S Challenger die MICRO-WM in Glasgow gewann. Dieses eng auf dem Excalibur basierende Programm (68000-Prozessor mit 12 Mhz, 64 KB ROM, 16 KB RAM und weit mehr als 1.000 Eröffnungsvarianten) war ausschließlich nur noch als Moduleinschub zusammen in Verbindung mit den Modular- bzw. Exclusive-Grundgeräten für knapp 2.800,00 DM bzw. 3.000,00 DM erhältlich. Es war zugleich das letzte Programm, welches das erfolgreiche Programmierer-Gespann Nitsche/Henne für Hegener + Glaser konzipierten. Trotz oder gerade wegen seiner Unvollkommenheit und Unberechenbarkeit übt der Mephisto Excalibur aber auf mich aus schachlicher Sicht nach wie vor einen äußerst großen Reiz aus. Er war der "PIONIER" für alle heutigen, stark wissensorientierten und auf selektiver Basis rechnenden Schachprogramme.
Alwin Gruber
Hier noch ein Testergebnisse zur genauen Identifikation eines Excaliburs anhand von berechneten Stellungen:
Test: Anzahl der berechneten Stellungen nach exakt 6 Minuten aus der Grundstellung im Level 9 Berechnung nach 1.f3!
Excalibur "Serie" 8MHz: 2026 Stellungen nach exakt 6 Minuten
Excalibur "WM Version New York" 8MHz: 2028 Stellungen nach exakt 6 Minuten
Mephisto III 3,5MHz: 376 Stellungen nach exakt 6 Minuten
Mephisto III 6,1MHz: 623 Stellungen nach exakt 6 Minuten
Mephisto III 11MHz: 1184 Stellungen nach exakt 6 Minuten
Mephisto III 12MHz "Special": 1280 Stellungen nach exakt 6 Minuten
DAS MEPHISTO-KONZEPT
Ein "menschenähnlich" denkendes Schachprogramm
von Thomas Nitsche (Programmautor der MEPHISTO-Schachcomputer) März 1982
In dem folgenden Artikel werde ich zum ersten Mal einer breiteren Öffentlichkeit das MEPHISTO-Konzept vorstellen. MEPHISTO (Autoren: E.HENNE, T.NITSCHE) stellt kein starres Programm dar, sondern besteht vielmehr aus einer Menge von Ideen, die wir laufend weiterentwickeln.
Im Gegensatz zur allgemeinen Anschauung liegt die Grundproblematik der Schachprogrammierung nicht darin, möglichst schnell jeden noch so schlechten Zug durchzurechnen, sondern in der möglichst genauen Bewertung einer Schachstellung. Alle unsere Ideen im taktischen und positionellen Bereich sind unter diesem Gesichtspunkt zu betrachten.
Ich möchte den Leser nicht mit technischen Einzelheiten langweilen, wie etwa 'Schnelle Zuggenerierung', 'Genaues statisches Abschätzen von Schlagfolgen' etc., da dies- den Rahmen des Artikels bei weitem sprengen würde. Weiterhin ist es mir aus naheliegenden Gründen nicht möglich, letzte Einzelheiten dort anzugeben, wo eine vorzeitige Veröffentlichung unseren technologischen Vorsprung gefährden würde. Bevor ich genauer auf das MEPHISTO-Konzept eingehe, werde ich für diejenigen Leser, die sich mit dem Fachgebiet noch nicht beschäftigt haben, die wichtigsten Grundbegriffe kurz definieren.
Im Folgenden bezeichne ich mit 'Zug' immer den (Halb-) Zug einer Seite. Der 'Entscheidungsbaum' stellt die möglichen Zugkombinationen ausgehend von einer Ausgangsstellung ('Wurzel') dar, in der ein Zug' gefunden werden soll. Die Astgabeln werden 'Knoten' genannt und entsprechen Stellungen. Knoten sind durch 'Äste' verbunden, die den Zügen entsprechen. Die Tiefe gibt an, wie viele Züge man benötigt, um einen Knoten von der Wurzel aus zu erreichen. Zu jedem Knoten (außer der Wurzel) führt genau ein Ast hin und je nachdem kein, ein oder mehrere Äste weg. Führt kein Ast aus dem Knoten weg, so heißt er 'Endknoten'.
'Gute' Züge sind bei MEPHISTO solche Züge, bei denen die Zugfigur nicht mit Gewinn für den Gegner geschlagen werden kann, d.h. kein Materialverlust droht.
I.A. wird zwischen zwei Konzepten oder auch Typen von Schachprogrammen unterschieden:
SHANNON-A Strategie:
Diese Methode ist auch unter dem Namen 'Brute Force' (Rohe-Gewalt) bekannt. Bis zu einer festen Tiefe werden alle Zugkombinationen angeschaut. Zusätzlich schauen sich manche 'Brute Force'-Programme in den Endknoten noch alle Schlagzüge an.
SHANNON-B Strategie:
Hier wird in einem Knoten eine Vorauswahl unter den möglichen Zügen getroffen und es werden nur vorausgewählte Züge weiter-analysiert. Dieses Konzept ist flexibler als Typ A, hat jedoch den entscheidenden Nachteil, dass bei einer Vorauswahl unter Umständen sinnvolle Opfer bzw. feindliche Drohungen übersehen werden können.
Mit Shannon A oder B werden die heutigen Schachprogramme nur sehr unzureichend charakterisiert. Viele Programme, wie etwa MEPHISTO, sind Mischformen. Folgende Kriterien sind hilfreicher um Schachprogramme zu beschreiben:
- Wie lauten die Auswahlkriterien für Züge in einem Knoten (in Abhängigkeit von z.B. der Tiefe)?
- Wie lauten die Abbruchkriterien für Zugfolgen (z.B. Zugziel kann potentiell nicht mehr erreicht werden)?
- Wieviel 'Schach' wird in einem Knoten gemacht, d.h. wie umfangreich wird eine Stellung schachlich beurteilt? Wird in jedem Endknoten eine umfangreiche Bewertung vorgenommen, oder etwa nur in Knoten der Tiefe 1?
Das taktische MEPHISTO-Konzept:
Gegeben ist stets eine Mindestrechentiefe Min.T (in Abhängigkeit von z.B. der Spielstufe). In der Turnierstufe erreicht MEPHISTO eine Min.T von 3-4.
Es gelten die folgenden Auswahlkriterien und Regeln für den Abbruch der Analyse in den Knoten: Falls für einen Knoten die Rechentiefe kleiner oder gleich Min.T ist, so gilt: Analysiere jeden möglichen Zug weiter.
Bis zu einer gewissen Tiefe arbeitet MEPHISTO als 'Brute Force'-Programm, um nicht, wie andere selektiv rechnende Programme, einfache Opfer beider Seiten zu übersehen. Bei Knoten, die in einer Tiefe größer der Min.T liegen, ergeben sich verschiedene Möglichkeiten:
- 1. Existieren in einem Knoten eigene hängende Figuren oder hängende Figuren des Gegners, so werden Züge betrachtet, welche die Stellung 'beruhigen' (z.B. Wegziehen oder Deckungszüge, bzw. die hängenden Figuren des Gegners schlagen).
- 2. Sind 'gute' Schachzüge möglich, so werden diese weiter-analysiert. Im besten Fall ergibt sich daraus ein Mattangriff. MEPHISTO 2 ist in der Lage, im Mittelspiel auf Turnierstufe ein bis zu 4-zügiges Matt zu erkennen (im Endspiel auch bis zu 5-zügig).
- 3. Bei einem Bauern auf der 7. Reihe wird die Bauernumwandlung weiter analysiert.
- 4. Falls ein Knoten in der Tiefe Min.T + 1 liegt, und es sind 'gute' Schlagzüge möglich, so werden diese Varianten weiter analysiert.
Die Grundüberlegung bei diesen 4 Regeln lautet: Stabilisierende Züge (z.B. Deckungszüge) oder destabilisierende Züge (z.B. Schachzüge) sollen möglichst genau durchgerechnet werden. Eine statische Analyse (Keine Züge werden weiterverfolgt, die Stellung wird direkt bewertet) liefert für Stellungen, in denen etwa Figuren hängen, oft sehr ungenaue Werte. Die Folge sind ungenaue Zugentscheidungen, sprich 'schlechte Züge'.
MEPHISTO besitzt eine Reihe zeitsparender Abbruchregeln, z.B. lautet eine davon:
Kann MEPHISTO auch bei optimistischster Stellungseinschätzung (Alle eigenen hängenden Figuren können gerettet werden und alle gegnerischen hängenden Figuren können geschlagen werden) den Wert des bisher besten Zuges nicht erreichen, so wird diese Zugkombination abgebrochen. Das heißt in der Praxis: Ist z.B. bereits eine Dame geopfert und hat MEPHISTO nur noch die Möglichkeit einen Turm zu schlagen, so wird die Zugfolge abgebrochen. Besteht dagegen die Möglichkeit eines 'guten' Schachs, so wird dieser Zug weiteranalysiert.
Selbstverständlich benützt MEPHISTO auch eine Reihe exakter Techniken (Alfa-Beta-Algorithmus, Fenstertechnik, Killerheuristik etc.), mit deren Hilfe nicht jede sinnlose Kombination angeschaut werden muss. Mit exakt bezeichne ich die Tatsache, dass das Ergebnis der Zugauswahl durch solche Techniken nicht berührt wird. Der Zeitaufwand für die Zugauswahl wird dadurch erheblich verkürzt (exponentiell für Alfa-Beta-Algorithmus).
Alles bisher Gesagte bezieht sich lediglich auf den taktischen Aspekt des MEPHISTO-Programms. Um aber eine Partie zu gewinnen, ist es nicht damit getan, nur Figurenverluste zu vermeiden oder einen Bauerngewinn zu sehen.
Aus diesem Grund besitzen neuere Spitzen-Schachprogramme eine Reihe von aufwendigen Einzelbewertungen, 'Heuristiken' genannt, mit deren Hilfe sie langfristig nach Materialvorteil streben, kurzfristig aber 'nur' nach positionellem Übergewicht.
Das positionelle MEPHISTO Konzept:
Im Gegensatz zu reinen 'Brote Force'-Programmen kann sich MEPHISTO den Luxus erlauben, ein umfangreiches positionelles Konzept zu entwickeln. Für die einzelnen Figuren auf dem Brett werden dabei unterschiedliche Heuristiken berücksichtigt, von denen ich die wichtigsten aufzähle:
- Bauer: Tempo, Vormarsch, Zentrum, sowie neuerdings auch Doppel- und Freibauern. In Zukunft werden noch Muster von Bauernstrukturen, sowie Isolani und rückständige Bauern folgen.
- Springer: Tempo, Zentralisierung.
- Läufer: Tempo, lange Diagonalen, sowie Fianchetto. Dadurch behandelt MEPHISTO 2 bestimmte Eröffnungen (z.B. Indische Systeme) wesentlich besser als MEPHISTO 1.
- Turm: Halboffene und offene Linien, Verdoppelung, hinter Freibauern.
- Dame: Zurückhaltung in der Eröffnung, Aktivierung im Mittelspiel.
- König: Anstreben einer sicheren Rochadestellung, Rochade-Bauern-Muster, Annäherung an eigene Bauern, Zentralisierung im Endspiel.
Beim allgemeinen Zusammenspiel der Figuren gibt es weiterhin Prioritäten für den Angriff auf den feindlichen König bzw. Deckung der eigenen Stellung und Figuren. Viel gebracht hat für die Spielweise von MEPHISTO 2 das Erkennen von Fesselungen. Das Programm ist jetzt in der Lage, auch komplexe Drohungen im Mittelspiel aufzubauen und zu erkennen. Zur Zeit werden eine Reihe spezieller Endspiel-Heuristiken entwickelt, welche in Zukunft sehr verstärkt an 'Bedeutung gewinnen werden, wie z.B. Opposition, Quadratregel und kritische Felder im Bauernendspiel, richtige Turmpostierung in Turmend-spielen, oder auch Springer-Läufer-Matt-Setzunq.
Selbstverständlich unterscheidet MEPHISTO bei der Anwendung dieser Heuristiken nach Eröffnung, Mittelspiel und Endspiel. In der Eröffnung wird z.B. auf das Tempo (d.h. schnelle Entwicklung) viel Wert gelegt, während der Angriff noch keine Rolle spielt.
Die Einteilung in die Spielphasen ist bei MEPHISTO keine starre Angelegenheit (10 Züge Eröffnung, Endspiel ab Zug 30), sondern richtet sich nach dem Partiestand. Während das Mittelspiel nach etwa 8 Eröffnungstempi einsetzt, ist das Endspiel vom Material abhängig.
In den Heuristiken unterscheiden sich die auf dem Markt angebotenen Schachprogramme z.T. sehr erheblich und entwickeln oft einen eigenen 'Schachstil'. Dies scheint für den Interessenten die Auswahl unter mehreren gleichstarken Mikroschachcomputern fast zu einer persönlichen Geschmacksfrage zu machen. Der begeisterte Computerschach-Spieler, der sich heute für ein bestimmtes System entscheidet, möchte jedoch gerne wissen, wie sich die zukünftige Entwicklung gestalten wird.
Nach meiner Auffassung sind die auf der A-Strategie basierenden Programme weitgehend an einer Schwelle angelangt; sie können wohl noch schneller, aber kaum noch 'besser' werden. Man bedenke dabei, dass selbst eine Geschwindigkeitssteigerung um den Faktor 5 bei dieser Strategie noch nicht einmal einen Halbzug mehr in der Rechentiefe einbringt!
In der Zeitschrift 'DM' (Heft 11/81) habe ich die Voraussage gewagt, dass wir mit unserem Großrechner-Programm 'ORWELL' (Sprache: PASCAL / MODULA 2, Rechner: PDP 11, LILITH, IBM 3033 / 3081) eine Spielstärke (je nach Rechner) von zumindest über 2000 ELO-Punkten erreichen könnten. Bis Ende 1983 hoffen wir dies auch für MEPHISTO realisieren zu können, und damit dem 'menschenähnlich' denkenden Schachprogramm endgültig den Durchbruch zu ebnen.