Die Geschichte der Firma Fidelity - Teil 2

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Fidelity's Blützezeit

1982 - 1984

Nachdem ich Sie in Teil 1: 1977 - 1981 in die "Steinzeit" des Mikro-Schachcomputerzeitalters (1977 - 1981) entführt habe, widme ich mich im 2. Teil der Gerätepalette der Fa. Fidelity / USA aus den Jahren 1982 bis Ende 1984.

Wie in meinem letzten Bericht werde ich überwiegend auf die einzelnen Geräte und deren Ausstattungsumfang, Programmeigenschaften sowie technischen Daten eingehen und nicht auf Schachpartiematerial aus dieser Zeit zurückgreifen. Diejenigen Leser, deren Wissensdurst hierfür immer noch ungestillt ist, möchte ich an dieser Stelle nochmals auf die zum Teil hervorragende, einschlägige Fachliteratur verweisen, die auch als Nachschlagewerk für meinen Artikel diente (unter anderem die Computerteile aus den Magazinen Europa-Rochade, Schach-Magazin 64, Schach-Echo, Chip, ELO sowie die Fachzeitschriften Schachcomputer und Computer Schach & Spiele).

Und nun soll der neugierig gewordene Computerschachfan, in der heute vorherrschenden PC-Schach-Welt auch frech als "Tischgeräte-Nostalgiker" bezeichnet, nicht länger auf die Folter gespannt werden ...

Angesichts des schon damals sehr rasanten, technischen Fortschritts wurde ab 1982 die Fidelity- Gerätepalette immer unübersichtlicher durch häufig wechselnde Programmversionen, Einsatz von immer höheren Taktfrequenzen etc. Deshalb werde ich nachfolgend größtenteils auf die jeweiligen Standardversionen eingehen.

Im Frühsommer 1982 kam ein verbesserter Reisecomputer, der Chess Challenger Sensory Mini II (Gerätemaße 22 x 14 cm) für 175,-- DM auf den Markt. Die Folientasten des Vorläufers CC Sensory Mini I wurden durch richtige Drucktasten ersetzt. Programmtechnisch (2 KB Umfang) gab es keine größeren Veränderungen, er spielte aber trotz des kleinen Programmumfanges etwas aktiver als der Vorläufer Mini 1 und besser als zunächst erwartet. Drei unterbrechenbare Spielstufen mit Rechenzeiten von 5 Sekunden bis 3 Minuten sowie eine Analysestufe standen zur Verfügung, Die kärgliche Grundausstattung konnte durch 3 Zusatzmodule, unter anderem für 32 Eröffnungen, 32 Meisterpartien und ein Programm für Fortgeschrittene für je rd. DM 89,-- ausgeweitet werden. Weitere Module für andere Brettspiele (Dame und Reversi) und 2 Taktikspiele standen ebenfalls zur Verfügung.

Zum gleichen Zeitpunkt wurde ein weiteres Gerät zum Preis von DM 348,-- auf den Markt geworfen, der Chess Challenger Sensory 6, ein schachlich anspruchsloses und preisgünstiges Gerät für Einsteiger. Er glich äußerlich dem bereits im letzten Artikel besprochenen Chess Challenger Sensory 8. Die Zugeingabe erfolgte über ein Plastik-Drucksensorbrett (27 x 29 cm). Die Züge des Computers wurden jedoch nicht über Leuchtdioden, sondern nur über eine zweistellige, rote LED-Anzeige ausgegeben, was Schachanfänger wegen der Kurznotation vor teilweise nicht unerhebliche Probleme stellte. Fünf Spielstufen mit Rechenzeiten von durchschnittlich 7 Sekunden bis 3 Minuten sowie eine Analysestufe für Zweizüger standen zur Verfügung. Es konnte zwischen Netz- u. Batteriebetrieb gewählt werden. Das Eröffnungsrepertoire war gänzlich anders als das des Sensory 8 und umfasste insgesamt rund 100 Halbzüge mit einigen wenigen, bis zu zehn Zügen langen Varianten. Die Endspielkenntnisse beschränkten sich auf die Mattsetzung mit 2 Türmen, mit der Dame klappte es nicht immer. Vom Preis-Leistungsverhältnis hatte Fidelity schon wesentlich besseres zu bieten gehabt.

Im Herbst 1982 kam der absolute Knaller für 495,-- DM auf den deutschen Markt, der Chess Challenger Sensory 9. Er wurde auch als "Wolf im Schafspelz" bezeichnet.

Verpackung des Sensory 9
Sensory 9

Diesem Gerätekonzept, dem "Badewannenprinzip" verdankte Fidelity den sich später einstellenden Verkaufserfolg auf dem deutschen Markt: Ein bärenstarkes Programm mit einer unscheinbaren, äußeren Aufmachung. Das Preis-/Leistungsverhältnis war unschlagbar. Auch der damalige große Widersacher aus München, der Mephisto II mit 6,1 MHz für 498,-- DM, dessen Programm auch nicht von schlechten Eltern war, konnte da nicht mithalten. Beim Sensory 9 wurde allerhand Ausstattungsumfang geboten:

Das 24-KB-Programm des bereits im letzten Artikel vorgestellten CC Sensory Champion Elite wurde noch einmal in einigen Details verbessert, lief aber anfangs nur auf einem 6502 8 Bit-Prozessor mit einer Taktrate von 1,6 MHz (beim Elite waren es 4 MHz!). Die Taktfrequenz wurde später von Fidelity ohne größeres Aufheben auf 2 MHz bzw. 3 MHz angehoben (Sensory 9B bzw. 9 Speed). Das Gerät verfügte über 8 reguläre Spielstufen von 5 Sekunden bis 6 Minuten mittlerer Rechenzeit sowie eine Analysestufe. Die Zugeingabe erfolgte auf einem 27x29 cm, weiß-grünen Plastik Drucksensorbrett, welches vom Design allerdings weniger ansprechend war und aus meiner Sicht wie ein "hässliches, grünes Entlein " aussah. Die Gegenzüge des Computers wurden nur über 64 Brett-LED"s ausgegeben. Eine eigene, zusätzliche LED-Anzeige wie beim Elite war nicht vorhanden. Der gerade berechnete Zug oder Zugvorschläge wurde ebenfalls über die Brett-LEDs mitgeteilt. Es konnte zwischen Netz- und Batteriebetrieb mit bis zu 18 Std. Spieldauer gewählt werden. Für die seinerzeit überragende Qualität des Schachprogrammes spricht allein die Tatsache, dass der Sensory 9 sogar bei Blitzpartien über bestimmt "LED-Brettmuster" auf dem Spielfeld der mitunter total verdutzten menschlicher Gegenspieler schon mal ein Matt in 3 oder 4 Zügen ankündigte! Auf der Turnierstufe erreichte er in der Regel die respektable Tiefe von 5 - 6 Halbzügen. Im Vergleich dazu brachte es der Mephisto II 6,1 MHz nur auf ca. 4 Halbzüge. Ein Vergleichskampf zwischen diesen beider Geräten auf Turnierstufe endete 3:1 bzw. 6,5 : 3,5 für Sensory 9. Die Partieverläufe mit Kommentaren sind nachzulesen in der "Schachcomputer Edition 3" bzw. in der "Europa-Rochade vom Januar und Februar 1983" Das Permanent Brain war abschaltbar und es konnten bis zu 2 Halbzüge zurückgenommen werden. Leider fiel aus Kostengründen die vom "UR-Elite" gewohnte "Blechstimme" bei der Zugausgabe weg und es gab nur Tonsignale.

Die fest eingebaute Eröffnungsbibliothek des Sensory 9 mit einem Umfang von 3.000 Halbzügen konnte erweitert werden durch die Eröffnungsmodule CB 9 (8.160 Eröffnungszüge in 381 Varianten mit einer durchschnittlichen Tiefe bis zu 30 Halbzügen) für ca. 198,-- DM bzw. CB 16 (16.100 Positionen bei 1.360 Varianten mit einer durchschnittlichen Tiefe von 20 Halbzügen) für 298,-- DM. Diese konnten an der Geräteseite zusätzlich mit eingesteckt werden.

Spielstärkemäßig konnte Fidelity mit dem Challenger 9 damals bereits untere Clubspieler zufriedenstellen. Für den verwöhnten und komfortorientierten Anwender bzw. Schachästheten mit dicker Brieftasche tat sich jedoch eine große Lücke in der Angebotspalette von Fidelity auf: Es fehlte ein turniergroßes Edelholz Magnetsensorbrett wie bei der ebenfalls nicht schlafenden Konkurrenz aus USA bzw. Deutschland in Gestalt des Sargon 2.5 ARB und Mephisto ESB II 6000. Diesem Wunsch wurde im Herbst 1982 endlich Rechnung getragen mit dem Erscheinen des Chess Challenger Prestige autosensory, dem "Schachtraum", wie er in der Fidelity-Werbung angepriesen wurde.

Prestige

Bei diesem wunderschönen Brettcomputer wurde allerdings Ideenklau betrieben bzw. von Fidelity großer Einfallsreichtum bewiesen. Die Rezeptur lautete: Man nehme das Magnetsensor-Edelholzbrett des 53 x 53 cm x 8 cm messenden Sargon 2.5 ARB von Sandy Electronic mit gemaserten, großen Figuren, ändere ein wenig die an der rechten, oberen Seite angebrachte Tastaturbelegung und verpflanze darunter ein rotes 4-Segment-LED-Display und fertig ist das neue Flaggschiff. Für den allerdings nicht unerheblichen Verkaufspreis von 4.500,-- DM war die technische Ausstattung zur damaligen Zeit nur vom feinsten: Das High-End-Gerät enthielt das Programm des Elite bzw. Sensory 9, welches vom Ehepaar Spracklen unter Mitarbeit von Boris Baczynskyi bzw. dem Hardware-Experten Ron Nelson weiter stark verbessert und verfeinert wurde. Z. B. wurden die Endknoten jetzt dynamisch bewertet. Es kam ein 6502 Mikroprozessor mit 4 MHz zum Einsatz. Das Programm umfasste 20 KB in Eprom und 14 KB RAM. und schaffte unter dieser Hardware ca. 1.000 Stellungen pro Sekunde. Diese Verbesserungen hatten es in sich: Auf der Turnierstufe wurde bereits eine Rechentiefe von durchschnittlich 6 - 7 Halbzügen bei vollem Brett erreicht. Das bekam der damals ebenfalls sehr spielstarke Mephisto ESB II mit 6,1 MHz eindrucksvoll zu spüren: Er wurde in einem Vergleichskampf auf Turnierstufe mit 4:0 abgeledert (Quelle: Schach-Computer- Edition 4/83). Zudem kamen Prestige-Käufer in den Genuss von kostenlosen Programm-Updates. Wen wundert's bei diesem Preis!

Der Ausstattungsumfang des Prestige war für damalige Verhältnisse gigantisch und ließ keine Wünsche mehr offen. Ich zitiere aus der 53 Seiten umfassenden Bedienungsanleitung meines eigenen Prestige:

  • 8 Trainingsstufen von 5 Sekunden bis 6 Minuten mittlerer Rechenzeit pro Zug
  • 1 Spielstufe mit fester Zeitvorgabe für den Einzelzug
  • 1 Turnierschachstufe mit freier Eingabe von mehreren Zeitkontrollwerten-Reklamierung von Zeitüberschreitungen durch den Spieler beim Count-Down-Modus
Der Elite
  • 1 Analysestufe mit maximaler Rechentiefe von 32 Halbzügen
  • 1 Mattsuchstufe für Matt bis zu 16 Zügen
  • 2 Experimentalschachstufen mit iterativer und nicht iterativer Suche - das bereits besprochene Eröffnungsmodul CB 16 wurde mitgeliefert
  • Sprachausgabe bzw. Tonausgabe miteinander kombinier- bzw. einschränkbar
  • Druckeranschluss für Partie- und Stellungsbilderausdruck
  • Zugrücknahme bis 40 Halbzügen möglich
  • Anzeige der Rechentiefe und Stellungsbewertung (auch im Rolliermodus möglich)
  • Abrufbare, berechnete Hauptvariante bis zu 9 Halbzügen
  • Beherrschung sämtlicher Schachregeln mit Unterverwandlungen, Remis-Reklamation
  • Beherrscht Läufer/Springer-Mattführung - Sämtliche Nebenlösungen bei Schachproblemen ermittelbar usw. usw.

Es macht auch heute noch großen Spaß, den "Rolls-Royce" unter den Schachcomputern aus dem Schrank zu holen und eine Partie gegen diesen alten Recken auszutragen. Abschließend sei angemerkt, dass der Prestige damals sowohl von der Spielstärke, dem Ausstattungsumfang, dem äußeren Erscheinungsbild aber auch mit seinem horrenden Preis den Modellen der Konkurrenz um Meilen voraus war!

Übrigens bot Fidelity als Zubehörteil bereits ab 1980 einen etwas unförmigen, mit Holzumrandung versehenen Thermodrucker für rd. 600,-- DM sowie danach einen Nadeldrucker aus Kunststoff an, der zu Anfang für ca. 500,-- DM über den Ladentisch ging, später aber deutlich im Preis reduziert wurde.

Wer für seinen Sensory 9 eine noch komfortablere Ausstattung wünschte, konnte diesen ab Anfang 1983 nachträglich durch einen "Umbau-Kit" von Fidelity für 595,-- DM zu einem SC 9 - Playmatic "S" aufrüsten lassen. Es handelte sich um ein bildschönes, 42 x 45 cm messendes und flaches Magnetsensorbrett mit Plastikoberfläche und Holzumrandung, allerdings ohne LED-Anzeige.

Playmatic "S"

Das Gerät wurde auch komplett für 898,-DM angeboten. Ferner lief diese Luxusausgabe des Sensory 9 mit einer höheren Taktrate von 3,1 MHz. Vom weiteren Ausstattungsumfang war er mit dem Sensory 9 weitgehend identisch. Im August 1983 dachte Fidelity auch an die jugendlichen Schach-Einsteiger und brachte mit dem Chess Challenger Poppy für 298,-- DM ein Gerät heraus, welches auf dem bereits in der Ausgabe Nr. 1 behandelten Chess Challenger 8 basierte. Es handelte sich um ein 27 x 29 cm großes Plastikdrucksensorbrett, welches -wie es der Name bereits verheißt- in verschiedenen pfiffigen und poppigen Farben aufgelegt wurde.

Der Poppy

Dadurch sollte verstärkt das jugendliche Klientel angesprochen werden. Spielstärkemäßig hatte das Gerät nicht sonderlich viel zu bieten, immerhin konnte es neben Netzbetrieb auch per Batterie ~8 Std betrieben werden. Eine kleine Eröffnungsbibliothek war ebenso vorhanden. Allerdings bestand keine Zugrücknahmemöglichkeit, was die vielen Schachanfänger wohl an die Berührt-Geführt-Regel" schmerzvoll erinnern sollte.

Außerdem wurde von Fidelity für Freiluftfans noch ein sogenannter "Garten- bzw. Parkschachcomputer" mit gigantischen Ausmaßen zu dem nicht ganz unerheblichen Preis von ca. 25.000,-DM angeboten. Wieviel Stück davon tatsächlich verkauft worden sind entzieht sich leider der Kenntnis des Verfassers.

Im Spätsommer 1983 kam für anfangs ca. 1.200,-- DM (je nach Dollarkurs) mit dem "Chess Challenger Elite A/S" ein überaus erfolgreiches Gerätekonzept in die Fachgeschäfte. Es handelte sich um ein fast turniergroßes (42 x 45 cm), nüchtern und elegant gestaltetes und mit rundum leicht abfallenden Kanten versehenes Edelholz-Magnetsensorbrett. Vorne links war eine 4-stellige rote LED-Anzeige eingebaut, daneben waren 11 Bedienungsknöpfe angebracht. Im Inneren verbarg sich modernste Mikroelektronik sowie eine Programmversion des Prestige, welches sich allerdings auf einem 65C02-Prozessor nur mit einer Taktrate von 3,2 MHz begnügen musste. Vom Ausstattungsumfang und Bedienungskomfort waren diese beiden Geräte ansonsten absolut identisch.

3. WM-Erfolg

Bei der 3. Mikrocomputerschachweltmeisterschaft vom 13. - 20.10.1983 in Budapest ging Fidelity mit 3 Geräten an den Start: Mit dem Flaggschiff Prestige, einem ELITE A/S sowie einem Sensory 9. Komischerweise entschied nicht -wie erwartet- der Prestige die WM für sich, sondern der Elite wurde mit 6 Punkten aus 7 Runden überlegener Weltmeister noch vor Mephisto X (dabei handelte es sich um einen aufgemotzten Mephisto III mit 68000-Prozessor und 8 MHz Taktfrequenz sowie einer größeren Eröffnungsbibliothek) bzw. Novag X und Novag Super Constellation mit jeweils 5 Punkten. Der Prestige errang mit 4,5 Punkten den 5. Platz und der Sensory 9 als bestes, kommerziell erhältliches Gerät mit 3 Punkten den 12. Platz.

Logischerweise begann nach diesem Erfolg auf der WM der große "Run" auf den Elite und die Fachhändler konnten den nun als "Elite-Budapest" bezeichneten Weltmeister vor Weihnachten 1983 oft nicht mehr rechtzeitig liefern.

Prospekt 1983

Zudem geisterten zu dieser Zeit noch verschiedene Programmversionen des Elite herum, so dass die teilweise verunsicherten Käufer, die sich das Gerät kurz vor oder nach der WM zulegten, nicht genau wussten, ob es sich nun schon tatsächlich um das WM-Programm handelte oder nicht. Fidelity zeigte sich jedoch kulant und rüstete oftmals kostenlos um.

Ende 1983 wurde die Firmenstruktur von Fidelity geändert. Der damalige Geschäftsführer der deutschen Fidelity Electronics Peter Reckwitz erläuterte in CSS 2/84, dass es bei der Mutterfirma in den USA ein Sanierungsprogramm gegeben habe, in dessen Verlauf die Geschäfte von Fidelity Electronics auf die neugegründete Fidelity Computer Products übergangen sind. Die Computerschachaktivitäten von Fidelity in den USA wurden jedoch weitergeführt. Die deutsche Fidelity Electronics blieb ein selbständiges Unternehmen mit kundenfreundlichem Service vor Ort. Die Gehäuse für die neueren Geräte wie den Playmatic S oder Elite Budapest wurden überwiegend in Deutschland produziert. Nur die Elektronik und die Programme kamen weiterhin aus den USA. Allerdings verschärfte sich durch den damals hohen Dollarkurs die Kostensituation für Importe aus den USA, und somit mussten lfd. einige Preisanhebungen vorgenommen werden, was sich wiederum auf den Absatz auswirkte.

Für eröffnungstheoretisch beschlagene Spieler kam Anfang 1984 die "Enzyklopädie der Schacheröffnungen", verteilt auf die fünf Eröffnungsmodule A-E mit insgesamt 73.000 Halbzügen Umfang heraus. Der ganze Spaß war nicht gerade ein Sonderangebot. Für den kompletten Satz musste man locker mal 1.745,-- DM springen lassen, pro Modul also exakt 349,-- DM! An den Variantenenden erschienen auf dem LED-Display jeweils Querverweise auf die anderen Module unter Angabe des Buchstabens. Man musste dann das Gerät ausschalten und das Modul wechseln, andernfalls fing der Computer an, selbständig zu rechnen. Später erschien das noch in einem Holzgehäuse untergebrachte "Grandmaster-Eröffnungsmodul" in der alle 5 Module Platz fanden und das Umwechseln somit entfiel.

Ferner erschienen für je 275,-- DM noch diverse Ergänzungsmodule. Das TCE war ein Endspielmodul mit breitem Wissen. Es beinhaltete König-Bauern-Endspiele, Turm-Bauern-Endspiele, Dame gegen Bauer auf der 7. Reihe etc. Außerdem eignete sich dieses hervorragend für das Endspiel-Training. Das Modul RPE behandelte die Turm-Bauern-Endspiele besonders gut. Das Modul TDE "wusste etwas" über die Tarrasch-Verteidigung gegen das Damengambit mit Kenntnissen bis hin zum Mittelspiel. Und schließlich gab es noch das Modul DVC für sizilianische Varianten.

Fidelity war nicht nur ausschließlich im Schachbereich alleine tätig. Da wurden z.B. noch ein Reversi-Challenger für 420,-- DM, einen Skat-Challenger für 549,-- DM sowie ein Voice-Bridge Challenger für 1.299,-- DM angeboten, die allerdings in Deutschland ein Schattendasein fristeten. Für Spielstärkefreaks mit etwas schmalerem Budget gab es am Jahresanfang 1984 noch in begrenzter Stückzahl den Chess Challenger Super 9 für 849,-DM bzw. Super 9 DeLuxe für 899,-DM.

Super 9 Deluxe

Im inneren der beiden werkelte das Programm des Prestige, welches dort aber nur mit einer Taktfrequenz von 2 MHz lief. Ferner war statt dem CB 16 Eröffnungsmodul das CB 9 Eröffnungsmodul fest eingebaut und es bestand keine Austauschmöglichkeit mehr. Von der LED-Anzeige bis zur englischen Sprachausgabe war aber sonst alles wie beim Prestige vorhanden. Vom äußeren Erscheinungsbild sah dieser "Super-Wolf im Schafspelz" aus wie eine etwas missglückte Kreuzung zwischen dem "Urelite" und dem "Chess Challenger 9". Beim DeLuxe umgab noch ein brauner Holzrahmen das grün-weiße Plastik Drucksensorbrett.

Ebenfalls Anfang 1984 brachte die deutsche Fidelity Electronics ein ganz neues Gerätekonzept auf den hiesigen Markt. Die Fidelity-Private-Line. Es handelte sich um den SPS 3.5, ein Gerät für 798,-DM mit einem superflachen und turniergroßen, ledernden Drucksensorbrett. Die Hardware war in einem separaten Zusatzkästchen untergebracht, welches per Flachbandkabel an das Brett angeschlossen wurde. Die Zugausgabe erfolgte mittels 64 Feld-LED's, die auf der Oberseite des separaten Kästchens angebracht waren. Programmtechnisch war das Gerät identisch mit der Budapest Version des Chess Challenger 9 und lief mit einer Taktrate von 3,5 MHz. Es konnte sogar noch zwischen Netz- und Batteriebetrieb gewählt werden.

Zum gleichen Zeitpunkt erschien eine "Turbo-Version" des Elite Budapest, in Gestalt des CC as Elite 5.0 für 1.198,- DM. Er war vom Geräteaufbau genauso wie der SPS 3.5 gestaltet, enthielt aber auf dem separaten Zusatzkästchen noch eine 4-stellige LED-Anzeige für zusätzliche Angaben wie Anzeige der Rechentiefe, Stellungsbewertung, Zugzeiten etc.. Zudem wurde das Elite Budapest-Programm mit der damals traumhaften Taktfrequenz von 5 MHz abgearbeitet. Die Spielfläche besaß mit 40x40 cm fast Turniermaß und die Figuren wurden zusätzlich auf den Feldern zentriert, was bei Blitzschachpartien sehr angenehm war.

Im Herbst 1984 erschien in der mittleren Preisklasse mit dem CC Sensory 12 für 798,-- DM ein mit einem Drucksensorbrett (ohne Anzeige) ausgestaltetes Gerät in einem Holzgehäuse. Es enthielt ein überarbeitetes ELITE-Programm, dessen Eröffnungsrepertoire jedoch auffällig modifiziert wurde.

Sensory 12

4. und letzter WM-Sieg

Bei der 4. Mikro-WM in Glasgow vom 8.9. bis 15.9.1984 setzte Fidelity seine ganzen Hoffnungen auf einen Elegance sowie zwei Elite A/S. Die Spracklens hatten bis zum letzten Augenblick an dem neuen 24 KB umfassenden Elite-Programm mit 4 KB RAM und 3 MHz herumgebastelt. Der "Elite X" und "Elite Y" spielten mit speziellen Turnier Eröffnungsmodulen mit 2 x 15.000 Stellungen und einem "Notmodul" mit 16.000 Stellungen. Deshalb durften Sie auch nicht in der kommerziellen Klasse an den Start gehen.

Elegance

Der Elegance, welcher vom äußeren Erscheinungsbild wie ein verkleinerter Elite ohne LED-Anzeige aussah, war mit einem wunderschönen Magnetsensor-Edelholzbrett ausgestattet. Er kämpfte in der kommerziellen Klasse mit einem weiter verbesserten und modifizierten Elite-Budapest-Programm mit 24 KB, das mit der seinerzeit sagenhaften Taktfrequenz von 6,55 MHz dank eines sog. "Resonators" seine Arbeit verrichten durfte. Das speziell vorgesehene Turnier-Eröffnungsmodul mit 2 x 15.000 Stellungen durfte jedoch nicht zum Einsatz kommen, da dieses im allgemeinen Handel nicht erhältlich war. So musste das Gerät mit seiner Normalbibliothek, die 3.000 Stellungen umfasste, spielen. In der späteren Serienversion des Elegance war das gleiche Programm enthalten, welches aber nur mit 3,6 MHz lief (Verkaufspreis: 1.198,-- DM). Es waren 12 Spielstufen auswählbar, wovon die Stufen 1 bis 8 für Blitzschach bis zum überlangen Turnierspiel ausgelegt waren. Level 9 war für Analysen reserviert, die Level 10 - 12 beinhalteten Mattsuchstufen. Zusätzlich konnten diese auf Easy-Mode geschaltet werden, um auch Anfängern Erfolge zu ermöglichen.

Der deutsche Fidelity-Vertreter Peter Reckwitz trat mit dem von Fidelity Deutschland selbst produzierten und vorher beschriebenen Elite Private Line 5 MHz bei der WM in der kommerziellen Klasse an. Er belegte mit 4 Punkten den geteilten 8. - 10. Rang.

Die WM 1984 in Glasgow entpuppte sich schließlich als Farce, denn es gab am Ende vier Weltmeister mit je 5 Punkten, da auf ausdrücklichen Wunsch der Teilnehmer auf die Buchholz-Wertung verzichtet wurde! Hier standen sicherlich kommerzielle Interessen im Vordergrund. Weltmeister wurden in der nicht-kommerziellen Klasse Elite X, Princhess X und Psion-Chess (von Richard Lang) mit je 5 Punkten. Als einzig kommerziell erhältlicher Weltmeister durfte sich mit ebenfalls 5 Punkten der Mephisto A, ein serienmäßiger Mephisto Exclusive S 68000 nennen (12 MHz, 64 KB ROM und 16 KB RAM).

Elite Privat - C Foto von Kurt Kispert

Nach der WM war für ca. 1.498,-- DM der ELITE-A/S weiter im Angebot, nun als "Elite A/S Glasgow" bezeichnet. Auch die älteren Elite Budapest konnten für rd. 250,-- DM auf den Stand des Glasgow-Programmes umgerüstet werden. Zudem wurden die neuen Geräte auch mit einer höheren Taktrate von 3,6 MHz bis 4,0 MHz ausgeliefert anstatt nur mit 3,2 MHz. Der Prestige lief zu diesem Zeitpunkt bereits aus. Auch die rührige Fidelity Deutschland brachte noch zum Ende des Jahres 1984 den unter Eigenregie hergestellten "Elite Privat" für 1.498,-- DM heraus, der ebenfalls das WM-Programm von Glasgow enthielt, aber mit 5 MHz getaktet war. Er glich vom Konzept her dem bereits vorgestellten "Elite Privat-Line" nur mit dem Unterschied, dass anstatt des Ledersensorbrettes nun ein vollwertiges, superflaches Holzmagnetsensorbrett in Turniergröße vorhanden war. Er war für Liebhaber gedacht und deshalb nur in Spezialgeschäften sowie nur im gut sortierten Fachhandel erhältlich und nicht in Kaufhäusern oder Spielwarengeschäften.

Zum Schluss sei angemerkt, dass die Jahre 1983 und 1984 die "Blütezeit" der Fa. [Fidelity auf dem deutschen Markt markierten. Im Laufe dieser beiden Jahre konnte sich Fidelity in Deutschland durch gezielte Werbemaßnahmen in Fachzeitungen sowie durch die beiden WM-Erfolge ein sehr gutes Firmenimage verschaffen. Das Blatt wendete sich, als ab 1985 der für damalige Verhältnisse überragende Mephisto Amsterdam mit Motorola 68000-Prozessor des "genialen" Autors Richard Lang auf der Bildfläche erschien.

Teil 3

Doch dazu mehr in Teil 3: 1985 - 1989


Alwin Gruber